Hamburg. Die Jüdischen Kulturtage Hamburg begannen bewegend mit einem Stummfilmkonzert im Kleinen Saal der Elbphilharmonie.

Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen. Volles Haus. Frenetischer Schlussapplaus. So weit die harten Fakten zu „Jüdisches Glück“, einem Stummfilmkonzert im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zum öffentlichen Auftakt des Veranstaltungsreigens der ersten Jüdischen Kulturtage in Hamburg. In mehr als 40 Einzelveranstaltungen entfaltet die Jüdische Gemeinde Hamburg in den fünf Wochen bis zum 10. Dezember einen Überblick über „das breite Spektrum jüdischen Kulturlebens in den Bereichen Judentum, Musik, Literatur, Tanz und Theater, Religion, Geschichte, Stadtgeschichte und jüdisches Alltagsleben“.

Nachdem die Autorin und Übersetzerin Brigitte van Kann in klugen, einleitenden Worten den Kontext der Entstehung des Films des einzigen sowjetischen Stummfilms in jiddischer Sprache aus dem Geist des Staatlichen Jüdischen Theaters in Moskau erläutert hatte, gehörte die Bühne schließlich Alexei Granowskis Liebeskomödie „Jüdisches Glück“ nach dem Roman „Menachem Mendel“ von Scholem Alejchem und dem famosen Musikerduo von Günter Buchwald und Helmut Eisel.

Elbphilharmonie: „Jüdisches Glück“ und dieser Mut, der nie aufgibt

„Jüdisches Glück“ ist ein Filmklassiker, der einzige jiddische Stummfilm aus der Sowjetunion und ein Unikat. Gedreht im Jahr 1925 an Originalschauplätzen in den ukrainischen Städten Berdichiw und Odessa mit Schauspielern aus dem von Granowski gegründeten Staatlichen Jüdischen Theater in Moskau, ist er eine satirisch zugespitzte Version der Geschichte vom ewigen Buckeln und unablässigen Scheitern des kleinen Geschäftemachers Menachem Mendel.

Darüber hinaus bietet der Film fast schon dokumentarische, klare Einblicke in die Lebensverhältnisse im jüdischen Schtetl im vorrevolutionären, zaristischen Russland. Erinnert an enge, staubige Gassen, an heruntergekommene, mit Kindern überflutete Wohnungen und an die Traumlandschaften im reichen Odessa, mitsamt der Potemkinschen Treppe, die vom Kameramann Eduard Tissé parallel zu den Dreharbeiten am Sergei Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ auch für diesen Film in Szene gesetzt wurde. In „Jüdisches Glück“ hatte sie ihr Filmdebüt. Unter der Hand thematisiert dieser Film die Abwesenheit von Empathie und Solidarität sowie die unüberbrückbaren Klassenverhältnisse innerhalb der jüdischen Bevölkerung. Er dokumentiert, allerdings unter Aussparung aller sakralen Anteile, eine ausschweifende, jüdische Hochzeitsfeier. Jüdisches Glück eben. Ein Glück, das allenfalls hinterher und an Menachem Mendel, dem Protagonisten, vorbeirennt.

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Am Bühnenrand, hinter dem Flügel und dem Notenpult, sorgten Günter A. Buchwald als Pianist, gelegentlicher Violinist und am Ende den Hochzeitsschritt markierender Kontrabassist, sowie der Klarinettist Helmut Eisel für eine Klangebene, die sich weitgehend als Untermalung zu verstehen schien. Sehr dicht an der Dramaturgie des Films ließen die beiden die Klischees kreiseln. Sie näherten sich mal einer Polka, ließen die Klarinette ihre Tränen vergießen oder beklagten in rauen Splittertönen das Leid einer ungerechten Welt, die jenen, die getrennt vom kleinen und erst recht vom großen Erfolgserlebnis im Leben sind, kaum eine Chance lässt, dies zu verändern.

Jüdische Kulturtage: Starker und verdienter Applaus

„Jüdisches Glück“ ist eine ausgezeichnete Wahl als Auftakt des öffentlichen Teils der Jüdischen Kulturtage. Mit diesem Film demonstriert die Jüdische Gemeinde eine Geisteshaltung, die möglicherweise mehr als alles andere jüdischen Geist repräsentiert: die Fähigkeit zur ironischen Selbstdistanzierung, zum Humor auch in schwieriger Zeit. Die Souveränität, den Klischees zu trotzen und sie gleichzeitig so weit ins Extrem zu treiben, dass sie schon wieder Spaß machen. Und die Willenskraft, auch unter widrigen bis ausweglosen Bedingungen zu kreativen und beglückenden Lösungen zu finden. Der Applaus war stark und verdient. Scholem Alejchem würde sich freuen über das, was Alexei Granowski und sein Ensemble im Zusammenspiel mit Günter A. Buchwald und Helmut Eisel aus seinem Roman gemacht haben.