Hamburg. Nach Van Gogh und Monet ist der Popstar des alten Ägyptens im United Scene zu entdecken – inklusive Grabkammer und Totenmaske.
Tutanchamun fühlt sich pudelwohl in den sozialen Medien. Er ist eine Attraktion, die bei Reiseanbietern beworben wird. Und wer ihn derzeit ergoogelt, landet – immer öfter mitten in Hamburg. Schon Wochen, bevor die Multimedia-Ausstellung um den faszinierendsten aller Pharaonen im United Scene eröffnete, gab es im Netz ein verblüffend spürbares Rauschen und Raunen um ihn. Wenn Tutanchamun das wüsste, „dann würde er sich bestätigt fühlen“, ergänzt Nacho Ares, „denn das war sein Ziel. Er wollte ewig leben, er wollte, dass sich die Menschen immer an ihn erinnern werden.“ Diese Prominenz macht ihn zum perfekten Thema für eine weitere immersive Show im United Scene in den Gaußhöfen: Nach Vincent van Gogh, Claude Monet und Frida Kahlo kommt der Popstar des alten Ägyptens nach Ottensen.
Nacho Ares hat die Geschichte für die Ausstellung geschrieben, die schon in seiner Heimatstadt Madrid über 300.000 Besucherinnen und Besucher angelockt hat. Kürzlich ist Wien hinzugekommen, nach Hamburg sollen Stuttgart und Schanghai sowie Kairo folgen. Dort wird die immersive Tutanchamun-Show im Grand Egyptian Museum integriert werden, „darauf bin ich besonders stolz“, sagt der Ägyptologe Ares, der in Kairo ebenfalls einen Wohnsitz hat. Das Grand Egyptian Museum ist eines der größten archäologischen Museen weltweit, zeigt, bewahrt und erforscht über 50.000 Artefakte aus 7000 Jahren altägyptischer Geschichte, unter anderem die Originaltotenmaske von Tutanchamun. In Hamburg ist eine authentische Replik dieser elf Kilogramm schweren Goldmaske ausgestellt.
Tutanchamun als immersives Erlebnis in Ottensen
Warum aber wurde Tutanchamun so unsterblich berühmt? Vielleicht, weil er, wie es sich für einen Popstar gehört, schon früh starb, nämlich mit 19 Jahren. Weil sich um seine Familie viele Rätsel ranken. So ist etwa nicht geklärt, ob Nofretete wirklich seine Mutter und Echnaton sein Vater war und was mit seiner Witwe geschah. Und ob die beiden Föten, die in seinem Grab gefunden wurden, seine eigenen, zu früh geborenen Kinder waren. Während seiner Regentschaft etwa von 1332 bis 1323 vor Christus galt Tutanchamun als ein Herrscher, der nie tötete oder den Auftrag dazu gab, der gerecht zu seinen Sklaven war, der ein reines Herz hatte.
All das erfährt das Publikum während einer Virtual-Reality-Tour, die aus der Ich-Perspektive des gestorbenen Pharaos erzählt wird. Als Held dieser Zeitreise erwacht man in der Grabkammer und begibt sich auf verschlungenen Pfaden ins Reich der Toten, passiert das Gericht des Osiris und erlangt nach bestandenen Prüfungen das ewige Leben auf den Feldern von Lalu – dem „Jenseits“ der
alten Ägypter. Wenn man über glühende Lava riesige Pharaonen-Statuen erblickt oder wie ein Adler über Bergklippen schwebt, ist es ein Gefühl wie Autokino – mit Kribbeln im Bauch. Manch einem könnte dabei schon mulmig werden.
Besonders eindrucksvoll ist der goldene Sarkophag mitsamt der Mumie
Wer es lieber klassisch mag, findet im Eingangsbereich einen ganzen Raum mit Informationstafeln: die Geschichte des alten Ägyptens samt Karte mit den wichtigsten Orten, ein Stammbaum von Tutanchamuns Familie sowie sein Wirken als Pharao – und die Sensation um den Fund seiner Grabkammer im Tal der Könige. Tutanchamuns Nachfolger, so vermutet man, wollten sämtliche Spuren der Amarna-Könige auslöschen. Doch gerade der Versuch, sein Andenken zu tilgen, machte Tutanchamun unsterblich. Weniger als ein Jahrhundert nach seinem Tod geriet der Ort seines Grabes in Vergessenheit. Gebäude unmittelbar darüber verbargen die Stätte vor Räubern, und so blieb sie bis zu ihrer Entdeckung im Jahr 1922 unangetastet. Am 4. November hob der britische Archäologe Howard Carter diesen Schatz und konnte mehr als 5000 Artefakte bergen.
Es ist diese Geschichte, die den damals 13-jährigen Nacho Ares so fesselte, dass er beschloss, Ägyptologe zu werden. „Jedes Mal, wenn ich in London bin, besuche ich sein Grab“, so der Forscher. Gut 100 Jahre nach der Entdeckung durch Carter zeigt Ares eine außergewöhnliche Ausstellung über den berühmten Kindkönig. Besonders eindrucksvoll ist der goldene Sarkophag mitsamt der Mumie und der Totenmaske des Pharaos, die in Originalgröße nachgebaut wurden; daneben zeigt die Replik einer Grabkammer aus Granit die Dimensionen dieser besonderen Totenstätte.
Tutanchamun in Ottensen: Das Eintauchen in die Geschichte ist überwältigend
In Vitrinen sind Jahrtausende Jahre alte Originale ausgestellt, so etwa eine wertvolle Mumien-Halskette aus Fayence-Röhrenperlen, die bei Bestattungen sehr häufig zu finden waren, das Tagebuch von Howard Carter mit dem entscheidenden Eintrag vom 4. November sowie eine kostbare Statuette aus Carters Privatbesitz. Daneben veranschaulichen Repliken von verschiedenen kunsthandwerklichen Objekten den Reichtum, mit dem Tutanchamuns Grab ausgestattet war, etwa ein Wunschbecher in Form einer Lotusblüte aus der 18. Dynastie oder die typische sitzende Antilope. Wer sich auch mal königlich fühlen möchte, kann nebenan im Photomat mit Kostümvorlagen spielen und sich das gewünschte Bild herunterladen.
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Im größten Ausstellungsraum wird die Geschichte noch einmal mit beeindruckenden 3-D-Projektionen und imposanten Klängen erzählt, unter anderem mit der Originalstimme von Carter. Wenn die prächtigen Tempel des alten Ägyptens auftauchen, auf dem Boden blau schimmernde Käfer und goldene Salamander umherwuseln und ein Goldregen vom Himmel fällt, ist man – wie jedes Mal im United Scene – einfach überwältigt. „Für mich ist das der schönste Moment“, sagt Nacho Ares, „wenn die Besucherinnen und Besucher zum ersten Mal den Raum betreten und ergriffen sind.“
„Tutanchamun“ 3.11.–31.1.2024, United Scene (S Ottensen), Gaußstraße 190a, täglich 10.00–21.00, Eintritt 22,-/26,- (Fr, Sa, So), tutanchamun-immersiv.de