Hamburg. Auch eine unerwartetet Störung brachte den polnischen Pianisten im Großen Saal der Elbphilharmonie nicht aus der Ruhe.
Ursprünglich hatte sich der polnische Pianist Piotr Anderszewski für sein Recital in der Elbphilharmonie ein etwas anderes Programm vorgenommen. An die Stelle der vorgesehenen Bagatellen Sz. 38 von Béla Bartók aber trat Beethovens vorletzte Klaviersonate As-Dur op. 110. Überhaupt gehört es ja zu den Eigenarten dieses Ausnahmepianisten, bei seinen Tourneen öfter mal die Stücke auszutauschen. Mal sehen, was sich bei seinen nächsten Auftritten in London, Berlin, Prag oder Zürich noch alles ändert.
Elbphilharmonie: Piotr Anderszewski lächelt ein Handyklingeln einfach weg
Eine Partita von Johann Sebastian Bach, in Hamburg spielte er die Nr. 6 e-Moll BWV 830, dürfte vermutlich aber immer dabei sein, steht diese Werkserie derzeit doch wieder ganz im Fokus von Anderszewskis Interesse. Schon allein der einleitende Abschnitt der Toccata mit ihren hochschnellenden Läufen und den eingeblendeten, fast improvisatorisch sprudelnden Abschnitten, die immer wieder in trennende Kadenzen münden, nahm sofort gefangen. In der Courante, bei der Bachs pfiffigem Einfall zufolge die rechte Hand der linken immer einen Sekundenbruchteil voraus ist, ließ Anderszewski manche Betonungen überdeutlich hervortreten.
Als just auf dem Schlussakkord der Sarabande ein Handy losbimmelte, machte der Pianist eine kurze Pause, lächelte und nickte freundlich zum Verursacher hinauf. Als das Gerät nach langem Suchen in der Tasche überwältigt werden konnte, brach ein Zwischenapplaus los, der dem Ende der Störung, viel mehr aber noch der Reaktion des so sympathisch und zugewandt seinem Publikum begegnenden Anderszewski gegolten haben mochte.
Elbphilharmonie: Anderszewski spielt eine Hommage an seine polnische Heimat
Als kleine Hommage an seine polnische Heimat folgte eine Auswahl aus den 20 Mazurken op. 50 von Karol Szymanowski. Eine Werkfolge, bei der sich die eigentlichen Mazurken-Themen und -rhythmen erst allmählich herausschälten und dann auch gleich wieder verschwanden, um in schwimmenden Verläufen von Szymanowskis die Tonalität erweiternder Harmonik mitgerissen und im Allegramento, risoluto sogar von stampfenden Rhythmen erschlagen zu werden.
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Viel Emotion verlieh Piotr Anderszweski den kompakten Variationen für Klavier op. 27 von Anton Webern. Unglaublich war sein Ausdruck im Part „Ruhig fließend“, wo scharf exponierte Einzeltöne im zwölftönigen Geflecht plötzlich in mehr getupfte als angeschlagene Klänge übergingen. Vergleichbare Verwandlungskünste prägten auch Anderszewskis Spiel in der späten Beethoven-Sonate op. 110 mit ihrem unvergleichlich zauberhaften Hauptthema im Kopfsatz, dem gegen den Strich gebürsteten scherzhaften Molto allegro und der gewaltigen Fuge im Finale, die in einen sphärischen Epilog mündete.