Hamburg. Geiger Frank Peter Zimmermann übernimmt den Solopart in NDR Elbphilharmonie Orchester. Die Beteiligten sind glänzend aufgelegt.

Ach, Mozart. Es ist ja eine Binsenweisheit, er soll federleicht klingen, und das ist so schwer zu erreichen. Das NDR Elbphilharmonie Orchester spielt die Sinfonie KV 183, liebevoll „die kleine g-Moll“ genannt, sicherlich nicht perfekt, aber dafür lebendig, fröhlich, schwungvoll. Chefdirigent Alan Gilbert und die Seinen sind offenbar bestens aufgelegt bei ihrem Auftritt im Großen Saal der Elbphilharmonie.

Elbphilharmonie: Frank Peter Zimmermann bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau

„Was ist das mit diesem Instrument? Es ist so oft zu hören, und eigentlich geht immer etwas schief“, scherzt eine Sitznachbarin in Block D. Gemeint ist, natürlich, das Horn. Das ist in der kleinen g-Moll gleich im Viererpack vertreten und oft in exponierter Lage. Da brennt schon mal was an. Das Schöne dabei, es stört nicht. Weil die Aussage der Musik so klar ist. Die Sinfonie des Opernmenschen Mozart könnte zwar viel theatraler klingen, es könnte mehr Atem und mehr Drama hinein, Gilbert ist eben kein Originalklangspezialist. Aber er formt die Figuren plastisch und variiert die Klangfarben. Die Fagotte singen im Duett im langsamen Satz, und das Trio des Menuetts hat einen wunderbar höfischen Gestus. Über solche Stellen freuen sich die Menschen.

Herz des Abends ist das Violinkonzert von Strawinsky. Der Solist Frank Peter Zimmermann ist dem Orchester seit vielen Jahren verbunden, und das hört man daran, wie die Beteiligten miteinander musizieren. Hier der Star, dort die dienstbaren Geister, von dieser traditionellen Hackordnung ist nichts zu merken.

Konzert in der Elbphilharmonie: Geiger gibt sich mit Lust in den Austausch mit Orchesterstimmen

Das liegt auch am Stück. Der Solopart ist im beständigen Austausch mit den verschiedenen Orchesterstimmen. Zimmermann gibt sich mit Lust hinein, dreht sich zur Tuba um, wenn die zu seiner Melodie marschiert. Dauernd wechselt die Geige die Betonungen. Es ist viel Witz dabei. Wenn es das ist, was man unter Neoklassizismus versteht, das ironische Spiel mit den Rollen der Instrumente, die verschobenen Rhythmen, dann immer her damit! Auch wenn der Komponist selbst mit dem Etikett offenbar eher fremdelte.

All die Dezimen und Oktavgänge – solche Doppelgriff-Spezialitäten finden normalsterbliche Geiger und Geigerinnen milde gesagt herausfordernd – sind bei Zimmermann natürlich in den besten Händen. Spieltechnische Hürden scheint er nicht zu kennen, es kommt auf sie einfach nicht an. Mal flattert die Geige durch die Orchesterklänge wie ein Vögelchen, mal scheint sie ihre Melodien aus dem Moment zu schöpfen. Das Orchester ist unfehlbar aufmerksam dabei. Chapeau, wie die Bläser ihre Akkorde an den überraschendsten Stellen platzieren.

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Nach so viel intelligenter Unterhaltung setzt die Erste von Brahms nach der Pause einen Kontrapunkt. Die pathosfreie Unerbittlichkeit des Rhythmus, verkörpert durch den Pauker Stephan Cürlis, prägt die ganze Sinfonie. Gilbert arbeitet die Vielstimmigkeit heraus, ohne dass es belehrend wirken würde. Zugleich baut er lange Spannungsbögen auf und lotet in die Tiefen, dahin, wo das Kontrafagott schnarrt. Die hymnische Freude der Streicher im Schlusssatz wäre nicht denkbar ohne diesen Urgrund.

Schön zu erleben, dass das Orchester auch ein Repertoire-Schlachtross mit so viel innerer Beteiligung spielt. Das Gefühl, im Konzertsaal etwas Wesentliches miterlebt zu haben, klingt noch lange nach.