Hamburg. Das Orchestre Philharmonique de Radio France und Cellistin Sol Gabetta brillierten mit französichem Repertoire im Großen Saal.
Ein bisschen war es, als würde man Croissants nach Montmartre liefern, statt die eine oder andere sprichwörtliche Eule in Athen abzugeben: Dass das Pariser Orchestre Philharmonique de Radio France sich bei seinem ProArte-Konzert in der Elbphilharmonie ausschließlich mit Musik französischer Komponisten von der Schwelle zur Frühmoderne präsentierte, konnte kaum überraschen. Aber faszinieren und bestens unterhalten, das konnte es, reichlich.
Elbphilharmonie Hamburg: Daniel Hardings macht Punktlandung mit Konzert
Die einzige – allerdings vorab ungeplante – Überraschung war der krankheitsbedingte Ausfall des Chefdirigenten Mikko Franck. Für ihn übernahm kurzfristig (womöglich sogar eigenhändig eingeflogen) Daniel Harding, der neben seinen Musik-Terminen einen Zweitberuf als Air-France-Pilot etabliert hat. Und der als Ex-Chef vom Orchestre de Paris ein sicheres Händchen für dieses Repertoire entwickelt haben sollte.
Um vermeidbare Turbulenzen beim Landeanflug Richtung Beifall im Großen Saal zu umgehen, tauschte Harding eine sicher interessante Rarität von Mélanie Bonis gegen Debussys „Prélude à l‘après-midi d‘un Faune“ aus – für das Orchester als Visitenkarten-Pflichtstück geradezu ein Blindflug und trotzdem nach wie vor offenkundig ein Vergnügen und nicht nur bloße Pflichterfüllung. Und eine weitere Gelegenheit, den eigenen elegant-souveränen Umgang mit der Klangfarbenpracht der Generation Debussy / Ravel so en passant vorzuführen.
Die Musik schien bei diesem Elbphilharmonie-Konzert sanft zu schweben
Sinnlich delikat fächerte Harding die Bildschönheit dieser Musik auf; interessant war, wie wenig er aktiv tat, wie dezent er nur hier, da dort minimal justierte, um diese lasziv schwebe Stimmung zwischen Tag und Traum, Gedicht und Illusion herbeizuzaubern. Ständig hatte man den Eindruck, dass diese Musik keine Bodenhaftung mehr hatte und sanft zu schweben schien.
Grandios aufmerksam im Umgang miteinander war der Holzbläser-Satz bereits hier, die Solo-Flötistin hatte später, in Ravels „Daphnis et Chloé“-Suite, fast schon ein ganzes Solo-Konzert zu absolvieren. Dort drehte auch Harding den Intensitäts-Hahn weiter auf, Ravels Rafinesse, die impulsiv ekstatischen Ausbrüche, eingebettet in effektvolles Instrumentieren, gelangen allerbestens. Schlichtweg toll, wie das hohe Holz zu Beginn anmutig raunte und wie geschmeidig sich der gesamte, opulent große Orchesterapparat in den Klangrausch und den grandiosen Final-Trubel dieses Ton-Gedichts hineinsteigerte. Nachdem der Abend mit Ravels raffiniert spanisch angehauchter Orchestrierung seines Klavier-Stücks „Alborada del gracioso“ begonnen hatte, war der zweite Ravel ein schwungvoll dahingeworfener Schlussstrich.
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Mittendrin in diesem Programm und toll dabei: Sol Gabetta mit Édouard Lalos Cellokonzert. Hier war sie ganz Virtuosin, hier konnte sie es sein, denn Harding sortierte klar die Prioritäten. Das Tutti war immer punktgenau und bedarfsgerecht zur Stelle, die Solistin genoss diesen Freiraum und warf sich mit Verve in die nicht geringen Aufgaben. Satter, aber immer schlanker, singender Ton, eine leuchtstarke Direktheit, die jede Phrase voll aussang. Und weil die Wortspiele sich auch für die Abend-Bilanz so anbieten: kein Irrflug, sondern eine gekonnte Punktlandung.
Aktuelle CD: Schostakowitsch 14. Sinfonie, Mikko Franck (Dirigent), Asmik Grigorian (Sopran), Matthias Goerne (Bariton) (alpha, CD ca. 17 Euro)