Hamburg. Die Rockmusikerin sang in der Barclays Arena ein knackiges Best of. Und natürlich auch ihren größten Hit. Totale Handy-Eskalation!

Die Achtzigerjahre waren in Hamburg zu Gast. Sie hatten die Frisuren zu Hause gelassen. Fraglos ein ästhetischer Gewinn für die Barclays Arena. Aber die Heldin des Abends, die große Bonnie Tyler, nach Tina Turner die Vize-Godmother aller sogenannten „Rockröhren“, trägt mit über 70 immer noch üppige Haarpracht – man hätte es nicht anders haben wollen.

Tylers aktuelles Album heißt „The Best is Yet To Come”. Und die aktuelle Tournee trägt dennoch den Titel „40 Years Total Eclipse of the Heart“. Was nur logisch ist: Der größte Hit der Waliserin ist der, der heute noch im Oldie-Radio läuft. Ein Klassiker, der niemals alt wird. Könnte sein, dass viele der Besucherinnen und Besucher am Dienstagabend die Formulierung mit großer und gerechter Überzeugung als Selbstbeschreibung lässig durchwinken würden.

Bonnie Tyler lockt nur rund 3000 Fans in die Barclays Arena

Mit dem Country-infizierten „Flat on the Floor“, dem in ihrer Version 2013 erschienenen Stück, ging es in der downgesizten Arena los. Klar, der Veranstaltungsort ist für Tyler schon lange mehr als einen Tick zu groß. In Deutschland war sie (Tyler: „Ihr wart immer loyal zu mir, danke dafür“) stets besonders beliebt. Aber 2023 ist nicht 1983. Wie viele mögen da gewesen sein, 3000?

Erster, wichtigster Eindruck aber: Die Dame von der Insel, die viel Zeit an der Algarve verbringt, ist noch okay bei Stimme – lädiert muss die ja klingen, wie vom Whiskey abgehobelt, das ist der Tyler-Style. Und schon mal die halbe Miete in einer nicht mal halbvollen Halle.

Und weil das jedoch alles so gut klappte und man auch einfach das Publikum den Refrain singen lassen kann wie beim Creedence-Clearwater-Revival-Cover „Have You Ever Seen the Rain?”, mögen die meisten im Publikum schnell vergessen haben, dass sie, Hand aufs total erleuchtete Herz, eigentlich nur wegen „Total Eclipse of the Heart“ gekommen waren.

Bonnie Tyler landet bei jungen Frauen einen TikTok-Hit

Tyler führte fröhlich durch ihren Best-of-Abend, dessen gelegentliche 80er-Poprock-Scheußlichkeit gleichzeitig eine unschlagbare Retro-Herrlichkeit war. Sie war nie Songwriterin, es gab andere, die die Lieder für sie schrieben. Speziell für sie wie im Falle von „Total Eclipse“ oder unabsichtlich wie im Falle von „To Love Somebody“, dem Bee-Gees-Stück, und der Bryan-Adams-Nummer „Straight From the Heart“, die Tyler auf ihrer derzeitigen Tour beide im Programm hat. Es sind alles Liebeslieder (auch „Lost in France“, natürlich), und Tyler sang sie routiniert. Das ist der Job einer Entertainerin.

Sängerin Bonnie Tyler bei ihrem Konzert in der Barclays Arena, das durchaus auch von jüngeren Fans besucht wurde.
Sängerin Bonnie Tyler bei ihrem Konzert in der Barclays Arena, das durchaus auch von jüngeren Fans besucht wurde. © Funke Foto Services | Thorsten Ahlf

„Total Eclipse of the Heart”, die unsterbliche, pop-opereske Kitschwalze aus den unironischen Achtzigern, kam vor den Zugaben. Übrigens ist der Song in diesem Jahr bei jungen Frauen ein TikTok-Hit, man wälzt sich beim Hören desselben, das ist die „Challenge“, bei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zum „Turn around“-Imperativ des Stücks auf dem Boden. Die Leute lieben „Total Eclipse of the Heart“ auch heute wieder, manche von ihnen heimlich sogar vollkommen ernsthaft. Und von denen waren durchaus ein paar im Publikum, es waren keineswegs nur 50- bis 60-Jährige da.

Bonnie Tyler schmettert ihren Signature-Hit mit Leidenschaft

Aber vielleicht hätte man jetzt manches dafür gegeben (oder gerade nicht), genau 1983 verliebt und deprimiert oder am besten beides gewesen zu sein. Genau dann nämlich wäre der Song ein superintensives Erlebnis gewesen. Wer im zu guten Teilen mit diesem Lied gealterten Publikum diesen Kontext wohl mitgebracht hatte?

Um die andauernde Popularität des Stücks zu begreifen, muss man sich die längst geltenden Vergleichsparameter anschauen, die Streamingdienste: Auf Spotify ist „Total Eclipse oft he Heart“ mit knapp 650 Millionen Aufrufen notiert, auf YouTube mit einer satten Milliarde. Mit solchen Werten gehört man zum Evergreen-Adel. Die Rock-Königinmutter Tyler schmetterte ihren Signature-Hit mit Leidenschaft in die Barclays Arena und alle leuchtenden Handydisplays.

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So hätte das Meat Loaf nie hinbekommen, sagen Bonnie-Ultras. Dessen Songwriter Jim Steinman schrieb einst, so geht die Legende, zum Unwillen des „Bat Out of Hell“-Stars „Total Eclipse of the Heart“ ausnahmsweise für Tyler und nicht für ihn.

Bonnie Tylers Ehemann erledigt den Küsschen-Job

Mittendrin bei „It‘s a Heartache“ standen schon alle schunkelnd. Klatschten laut, als Tyler vor den Zugaben ihren Mann – Status: seit 50 Jahren verheiratet – auf die Bühne holte. Der machte dort nix, außer ihr ein Küsschen zu geben. Sein Job bei dieser Tournee der Nostalgie.

Sängerin Bonnie Tyler holte in Hamburg ihren Mann, seit 50 Jahren sind sie verheiratet, kurz auf die Bühne.
Sängerin Bonnie Tyler holte in Hamburg ihren Mann, seit 50 Jahren sind sie verheiratet, kurz auf die Bühne. © Funke Foto Services | Thorsten Ahlf

Und zum Schluss, nach lediglich 76 knackigen Minuten, fegte Bonnie Tyler ein bisschen gemächlicher als früher mit ihrem zweitgrößten Hit „Holding Out For A Hero“ über die so leere Barclays Arena. War aber kein Windchen im Nirgendwo, den Tyler da noch mal entfachte. Eher ein Rockrauschen von den fernen Gestaden des Gestern. Der perfekte Rausschmeißer.

Mensch, das waren die Achtziger. Auch schon ganz schön lange her.

Bonnie Tyler: Diese Stücke gab die bekannte Sängerin in Hamburg zum Besten

  1. Flat on the Floor
  2. Have You Ever Seen the Rain?
  3. Hide Your Heart
  4. Lost in France
  5. To Love Somebody
  6. The Best Is Yet to Come
  7. It‘s a Heartache
  8. Straight From the Heart
  9. Total Eclipse of the Heart
  10. Faster Than the Speed of Night
  11. The Best
  12. Turtle Blues
  13. Holding Out for a Hero