Hamburg. Joana Mallwitz dirigiert bei ihrem Debüt mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester. Die Erwartungs-Messlatte lag hoch. Zu hoch?

Die Erwartungs-Messlatte lag nicht gerade niedrig an diesem Abend, entsprechend demonstrativ schwungvoll eilte sie auf diese Bühne, hin zum Podest. Drei Elbphilharmonie-Konzerttermine hatte die Dirigentin Joana Mallwitz 2022 krankheitsbedingt absagen müssen.

Vor Kurzem wurde sie für ihren Amtsantritt als Eschenbach-Nachfolgerin am Berliner Konzerthaus putzig bis abstrus überinszeniert, mit Slogans wie „Das nächste große Ding“ oder „Jeder Ton ein Paukenschlag“, und schon seit sie 2020 als Mozart-Verzaubernde mit einer „Così“ bei den Salzburger Festspielen sensationell punktete, wird ihr von vielen noch mehr Großes zugetraut.

Elbphilharmonie: Joana Mallwitz – nicht alle Erwartungen erfüllt

Nun also: Elbphilharmonie-Debüt, Showtime, mit dem NDR-Orchester und einem interessanten Programm, das aber auch seltsam quer zum erhofften Umwerf-Potenzial eines solchen Prestige-Debüts stand. Denn in Rachmaninows 3. Klavierkonzert steht nun mal der übervirtuose Klavierpart im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit und nicht die zuarbeitende Orchester-Leitung, und sowohl Kodálys „Tänze aus Galanta“ als auch dessen „Gáry János“-Suite sind eigen und hierzulande unbekannt genug, um keine relevante Bewertungsgrundlage für den musikalischen Charakter zu sein. Deswegen wurde ein Konzert-Abend daraus, der viel Eindruck machte. Aber letztlich - noch - keinen entsprechend großen bleibenden Eindruck hinterließ.

Konzert Hamburg: NDR-Tutti folgte Joana Mallwitz fröhlich und fein aufgestellt

Erkennbar war jedoch schnell: Mallwitz weiß immer, was sie wie von wem will und wie sie das signalisiert. Ihre Gestik ist unmissverständlich und klar die Aufgaben zuteilend, niemand im Orchester könnte sich da wegen bedauerlicher Unklarheit von vorn herausreden. Sie arbeitet alle Details blitzsauber heraus und treibt freundschaftlich an. So wurde aus Kodálys Folklore-Verarbeitungen ein attraktives Schau-Spielen, das NDR-Tutti folgte fröhlich und fein aufgestellt.

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In der „Háry János“-Suite ging es auf diesem erfreulich straff spielenden Niveau weiter. Jede hineinkomponierte Pointe über den ungarischen Schwerenöter und seine Lügengeschichten wurde wie abfotografiert geliefert, dazu tolle Instrumental-Soli und als magyarische Klangkolorit-Würze hier und da ein Zimbal als Spezialeffekt. Sehr launig und gleichzeitig sehr speziell.

Als Yuja Wang vor einem halben Jahr „Rach 3“-Version mit dem San Francisco Symphony und Esa-Pekka Salonen ablieferte, brannte die Luft rund um den heißgespielten Flügel, so wild und risikosüchtig warf sie sich diesem Stück in vollem Lauf entgegen. Anna Vinnitskaya, die bereits das Zweite und das Vierte mit dem NDR gespielt hatte, ist von diesem Umgang mit dieser Musik Welten entfernt. Ihr Ton will singen und genießen, nicht überwältigen, ihre Phrasierung, mit samtweichem Legato alter Schule gesegnet, kostet alles aus und bleibt dabei ruhig. Man könnte das für gestrig und überbrav halten, doch es ist wohl vor allem Respekt und Bewunderung – und dabei dann aber auch vor allem akkurat. Die letzte Sicherung bleibt immer noch drin.

Das Konzert wird am 1.10., 11 Uhr, wiederholt. Evtl. Restkarten