Hamburg. Mit einem Drama aus Jordanien wurde das Filmfest eröffnet. Leiter Albert Wiederspiel hatte eine Botschaft für seine Nachfolgerin.

Albert Wiederspiel sind schon immer die Herzen zugeflogen. Wegen seiner klaren politischen Haltung, des enormen Filmwissens, auch wegen seines hintergründigen Humors. Bei der Eröffnung des Filmfests im Cinemaxx Dammtor wird einmal mehr klar, wie beliebt er in Hamburg ist: Wiederspiel wird mit Ovationen überschüttet.

Dieses 31. Filmfest ist sein Abschied als Festivaldirektor. 21 Jahre lang hat er es geleitet und zu einem Höhepunkt im kulturellen Leben der Stadt werden lassen. „Ein Filmfest Hamburg ohne Albert Wiederspiel ist noch schwer vorstellbar“, sagt Kultursenator Carsten Brosda bei seinem Grußwort. „Du bist Filmfest Hamburg gewesen.“

Cinemaxx Hamburg: Ovationen für scheidenden Filmfest-Chef Albert Wiederspiel

Ausführlich würdigt Brosda den in Warschau geborenen Filmwissenschaftler und -manager. „Er hat das Filmfest Hamburg zu einem Forum für Filme aus aller Welt gemacht, für junge Nachwuchsfilmschaffende genauso wie für etablierte Stimmen. Mit neugierigem Blick hat er viele überraschende, spannende und wichtige internationale Filme nach Hamburg geholt. Vor allem aber hat er das politische Kino in den Fokus gerückt“, so Brosda. Der Kultursenator hebt noch einmal hervor, dass Wiederspiel sich immer für Filmemacher eingesetzt habe, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden, etwa die Iraner Mohammad Rasoulof und Jafar Panahi, deren Filme in Hamburg stets ein großes Forum hatten.

Das jordanische Drama „Inshallah A Boy“ eröffnete das Filmfest Hamburg.
Das jordanische Drama „Inshallah A Boy“ eröffnete das Filmfest Hamburg. © filmfest hamburg | filmfest hamburg

Dazu passt der diesjährige Eröffnungsfilm. Zum ersten Mal wird mit „Inshallah A Boy“ von Regisseur Amjad Al Rasheed ein Film aus Jordanien gezeigt. Darin geht es um den verzweifelten Kampf einer jungen Mutter, die nach dem plötzlichen Herztod ihres Mannes ihr Haus und das Sorgerecht für ihre Tochter zu verlieren droht. Ein archaisches Erbrechtssystem in Jordanien und eine patriarchale Justiz machen es möglich, dass Nawal die Grundlagen ihrer Existenz verliert.

Doch die Witwe, stark von Mouna Hawa gespielt, stellt sich gegen das System. Sie ist das Beispiel einer kämpferischen Frau, die gegen die von Männern dominierte Gesellschaft und die strikten Auflagen durch den Islam aufbegehrt. „Egal was wir tun, alles ist Sünde“, bringt eine Freundin von Nawal das Dilemma der Frauen in der arabischen Welt auf den Punkt. Männer können sich alles herausnehmen, Frauen nichts.

Schauspieler Jennifer und Michael Ehnert beim Filmfest Hamburg 2023.
Schauspieler Jennifer und Michael Ehnert beim Filmfest Hamburg 2023. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

Filmfest Hamburg: Ein jordanischer Film zur Eröffnung

In seiner Eröffnungsrede spricht Wiederspiel über die Tragödien in der Welt. Er erwähnt den Dauerkonflikt in Palästina, den verbrecherischen Überfall Russlands auf die Ukraine, den Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan. „Wir wollten durch die Filme, die wir zeigen, auf die Dramen und die Tragödien in der Welt aufmerksam machen“, so Wiederspiel. „Tragödien haben per se etwas Endgültiges, während Dramen eine gewisse Entwicklung beinhalten, eine Entwicklung, die uns auf ein glückliches Ende hoffen lässt.“ Auch „Inshallah A Boy“ beginnt wie eine Tragödie, wendet sich aber zum Drama und bringt zumindest etwas Hoffnung für die starke Hauptfigur.

Hoffnung auf ein Ende des Krieges in ihrer Heimat haben viele Filmschaffende in der Ukraine. Trotz täglicher Drohnen- und Raketenangriffe werden dort weiter Filme gedreht. Zum zweiten Mal ist das Kyiv International Film Festival in Hamburg zu Gast, präsentiert wird der nationale Wettbewerb mit acht Filmen. Sie alle sind in den vergangenen zwei Jahren entstanden, nehmen aber vor allem die 90er-Jahre in den Fokus, als die Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder ein souveräner Staat wurde. Gezeigt werden diese Filme im Abaton.

Mehr zum Thema

Bis zum 7. Oktober bringen Wiederspiel und seine Programmleiterin Kathrin Kohlstedde wieder Weltkino nach Hamburg. Eine „Herzensangelegenheit“ sei das, so Wiederspiel.

Viele bereits bei den Festivals in Cannes, Venedig und Locarno prämierte Filme werden in den sechs Festivalkinos gezeigt, darunter neue Arbeiten von Sofia Coppola, Richard Linklater, Xavier Dolan, Wim Wenders, Todd Haynes und Alice Rohrwacher. Und mit dem Briten Ken Loach reist ein Altmeister des politischen Kinos wieder an die Elbe – er stellt seinen aktuellen Film „The Old Oak“ vor.

Filmfest Hamburg 2023. Mit dabei waren auch Andrea Lüdtke und Michael Lott.
Filmfest Hamburg 2023. Mit dabei waren auch Andrea Lüdtke und Michael Lott. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

Die Eröffnung im Cinemaxx, musikalisch von der Gustav Peter Wöhler Band garniert, und die darauf folgende Gala im Hotel Elysée, sind für Albert Wiederspiel nur der Auftakt zu einer Reihe weiterer Auftritte, bei denen er am roten Teppich prominente Gäste wie Mads Mikkelsen begrüßen wird. Der nächste Höhepunkt folgt am 30. September mit der Verleihung des Douglas Sirk Preises an Sandra Hüller, die in Cannes für ihre Rolle im Drama „Anatomie eines Falls“ gefeiert wurde.

Sandra Hüller wird am 30. September mit dem Douglas Sirk Preis ausgezeichnet.
Sandra Hüller wird am 30. September mit dem Douglas Sirk Preis ausgezeichnet. © dpa | Oliver Dietze

Zum letzten Mal wird Wiederspiel am 7. Oktober beim Abschlussfilm „Paradise Is Burning“ Hände schütteln und Preise verleihen. Anschließend übernimmt seine Nachfolgerin Malika Rabahallah die Geschäfte. Auch für sie hat Wiederspiel am Eröffnungsabend einen Satz parat: „Malika, freu dich auf den vielleicht schönsten Job der Welt!“

Filmfest Hamburg bis 7.10., Programm im Abaton, Alabama, Cinemaxx Dammtor, Metropolis, Passage, Studio; Karten in den Festivalkinos und unter www.filmfesthamburg.de