Hamburg. Beim Filmfest feiert die Dokumentation über einen Chor aus Hamburg Premiere, dessen Mitglieder mindestens 70 Jahre alt sind.
Es gibt diese Filme, die erzählen von Minute eins an höchst einfühlsam, worauf es im Leben wirklich ankommt. Auf Miteinander, auf Wertschätzung, auf wahrhaftig empfundene Freude. In der Dokumentation „Heaven Can Wait – wir leben jetzt“ begleitet Regisseur Sven Halfar einen Hamburger Chor, in dem Menschen zusammen singen. Mindestalter 70. Als trotzige wie augenzwinkernde Ansage an die eigene Endlichkeit daher auch der Name des Ensembles: Heaven Can Wait. Und aus der Liedzeile „Wir sind zusammen eins“ der Fantastischen Vier wird dann eben ein stolzes „Wir sind zusammen alt“.
Hamburger Seniorenchor rührt jetzt auch im Kino zu Tränen
„Was ist eure Geschichte? Warum singt ihr das Lied?“ Das sind Fragen, die Chorleiter Jan-Christof Scheibe in den Proben an seine lebenserfahrenen Sängerinnen und Sänger stellt. Die Kamera verfolgt ganz nah, wie der Musiker die Gruppe motiviert und an den künstlerischen Kern der einzelnen Songs heranführt. Von Fettes Brot bis Sarah Connor reichen die Nummern, die der Heaven-Can-Wait-Chor mit seiner Altersweisheit, aber auch mit dem eigenen fortwährenden Suchen auflädt. „Das Leben ist komisch“, sagt etwa Chorsängerin Joanne, Jahrgang 1939. „Manchmal denke ich, ich weiß, wie es geht. Die nächste Sekunde merke ich, ich weiß gar nichts davon.“
Immer wieder zeigt Regisseur Halfar auch die Existenz jenseits von Proben und Auftritten. Die Wohnungen, die Erinnerungsstücke, auch den Alltag während der Pandemie. Die Seniorinnen und Senioren sprechen über schwere Verluste, verschwendete Zeit und geplatzte Träume. Und darüber, dass es nie zu spät ist, etwas Neues anzufangen. Im St. Pauli Theater stehen sie auf der Bühne. Und spüren sich in der Musik. Das gemeinsame Singen, wenn die Stimmen harmonieren, das sei wie ein Seelenwäsche sagt Diet (82).
Heaven Can Wait: „Ich war als 17-Jährige einsamer als jetzt“
Von der Meeresbiologin über einen Journalisten bis zum Schiffskapitän reichen die ehemaligen Berufe der Chormitglieder. Doch bei Heaven Can Wait können sie sich noch einmal von einer ganz anderen Seite zeigen, ihre Emotionen herauslassen und auch Grenzen überwinden, die tief in der eigenen Geschichte begründet liegen. Und das tun sie seit nunmehr zehn Jahren. Da werden Witze über Texthänger ebenso gemacht wie über Sex. „Ich war als 17-Jährige einsamer als jetzt“, bilanziert Moni (78).
Tränen fließen mitunter ebenfalls auf der Leinwand und womöglich dann auch beim Publikum, wenn Regisseur und Chor ihren Film mit weiteren Gästen sowohl beim Filmfest Hamburg als auch im Oktober im Zeise Kino präsentieren.
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Mit ihrer mitreißenden Show verkörpern die Sängerinnen und Sänger durch und durch eine Philosophie, die Volker im Film so ausdrückt: „Ich will Spaß haben. Ich will das Leben noch genießen. Ich bin im letzten Jahrzehnt. Ich lasse also nichts aus“, sagt der 81-Jährige – und singt inbrünstig James Browns „I Feel Good“.
„Heaven Can Wait“, Sa 30.9., 15.00, Cinemaxx Dammtor, Tickets unter www.filmfesthamburg.de; So 8.10., 17.00, Zeise Kino, Tickets unter www.zeise.de; bundesweiter Filmstart: 12. Oktober