Hamburg. Constanza Macras bringt Zombies und Gemetzel zur Saisoneröffnung. Das funktioniert bedingt – aber die Jugend macht Hoffnung.

Südafrika kommt zuletzt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Korruption, schikanierende Bürokratie, abwesende Väter, Gewalt. Das Land, das einst unter Nelson Mandela so viel Hoffnung auf dem Kontinent verströmte, taumelt. Zur Eröffnung der Spielzeit auf Kampnagel greift nun die seit Langem in Berlin lebende argentinische Choreografin Constanza Macras all diese Facetten des Landes mit einem großen 21-köpfigen Ensemble aus südafrikanischen Talenten und Tänzerinnen und Tänzern aus ihrer eigenen Kompanie Dorky Park in ihrem neuen Stück „The Visitors“ auf.

Der junge Mann im Patchwork-Anzug erzählt eine düstere Geschichte. Von einem Haus mit einer großen Bibliothek, einer strickenden Tante und einem unheimlichen Spuk. Bald gesellen sich von der Seite zwei Tänzer hinzu, wie ein Geist und sein Schatten wirken sie, vollführen athletische Bewegungen am Boden und zeigen ausladende Gesten. Doch so richtig davon einschüchtern lässt sich der junge Mann nicht.

Kampnagel: Teenager werden mit langstieligen Messern durch ein Spiegel-Labyrinth gejagt

Es ist zunächst vor allem ein Horrortrip, beginnend mit der Kurzgeschichte „Das besetzte Haus“ des argentinischen Schriftstellers Julio Cortázar und endend bei willkürlichem Gemetzel, das Macras dem in Südafrika beliebten Horror-Genre der Slasher-Filme entlieh. Mysteriöse Killer, die Gesichter unter Papiertüten verborgen, jagen Teenager darin mit langstieligen Messern durch ein Spiegel-Labyrinth. Das hat eher Trash-Qualität, aber man freut sich doch, wenn ein blond perrückter Teenager schließlich wehrhaft zurückschlägt.

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Macras walzt diese Szenen allerdings unnötig aus und lässt das Ensemble minutenlang zombiehaft mit verrenkten Gliedern über die Bühne wanken. Bilder des einst für Müll und Gewalt berüchtigten Johannesburger Wohn-Hochhauses „Ponte City“, oder die in einem Adele-Coversong verarbeitete Bürokratie geraten arg plakativ. Die gesellschaftskritischen Texte, die vor allem die Jugendlichen aufsagen, wirken inhaltlich überladen. Abrupt wechselt das Genre vom Slasher zum Musical samt Modenschau. Es wirkt alles etwas wirr und richtungslos, aber dafür ist Constanza Macras bekannt.

Kampnagel: Hinreißende Jugendliche brechen in Tanz-Ekstase aus

Die Choreografin hat sich bereits 2018 in dem Stück „Hillbrowfication“ mit Hillbrow, einem Stadtteil von Johannesburg, auseinandergesetzt und dabei vor allem die kraftvoll vertanzten Sehnsüchte von heranwachsenden Tänzerinnen und Tänzern gezeigt.

Auch in „The Visitors“ gelingen ihr die stärksten Momente in der Abstraktion, wenn sich die Tanzenden in langen mit Rüschen verzierten Abendroben (Kostüme: Roman Handt) zum Duett finden, einander tragen, Bewegungen aus dem Gumboot Dance oder dem Streetdance kreuzen. Oder wenn das Ensemble – darunter vor allem die hinreißenden Jugendlichen – am Schluss in einer energetischen Tanzekstase in Schuluniformen ausbricht und damit alle bösen Geister austreibt. Die Jugend ist die Hoffnung. Auch für Südafrika.

Constanza Macras/Dorky Park: „The Visitors” bis Sa 30.9., jew. 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de