Hamburg. 19 Männer und eine Frau haben sich zwischen 2013 und 2022 das Leben benommen. 80 Prozent hatten psychische Erkrankungen.

Mit einer Reihe von Maßnahmen versuchen Gefängnisse und Justizbehörde zu verhindern, dass sich Menschen hinter Gittern das Leben nehmen. Trotzdem gelingt das nicht immer: Zwischen 2013 und 2022 haben sich 20 Suizide in den Hamburger Haftanstalten ereignet – 19 Männer und eine Frau.

Im Auftrag der Justizbehörde haben das Institut für Rechtsmedizin und das Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie der Uni-Klinik Eppendorf die Fälle untersucht. Dabei zeigt sich, dass das Risiko eines Suizids in den ersten drei Monaten nach der Inhaftierung am größten ist. Elf Fälle ereigneten sich in diesem Zeitraum, wenn die Einsamkeit infolge der Trennung von Bezugspersonen und der Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten vermutlich am meisten Stress auslöst.

Gefängnis Hamburg: Die meisten Suizide gab es in der Untersuchungshaftanstalt

Folglich ist auch die Untersuchungshaftanstalt mit 13 Fällen am stärksten von Suiziden betroffen. Drei Gefangene nahmen sich der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel sowie jeweils zwei in der JVA Billwerder und der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand das Leben. Neun Gefangene waren zum Zeitpunkt ihres Todes länger als sechs Monate inhaftiert. Grundsätzlich durchläuft jeder Gefangene im Rahmen der gesundheitlichen Aufnahmeuntersuchung ein sogenanntes Suizidscreening, das die Selbstmord-Gefährdung ermitteln soll, allerdings von Anstalt zu Anstalt unterschiedlich gestaltet ist.

Die Prognose erweist sich jedoch offensichtlich als schwierig, denn nur jeder vierte Suizident wurde als gefährdet erkannt. „Beim Zugangsgespräch der kürzlich Inhaftierten konnte bei 25 Prozent (n = 5) der Inhaftierten eine Suizidgefährdung festgestellt werden, was die Verlegung auf die Sicherungs- und Beobachtungsstation nach sich zog. Bei 60 Prozent (n = 12) der Inhaftierten konnte eine Suizidgefährdung verneint werden, bei den restlichen 15 Prozent (n = 3) konnten aus den Akten keine Informationen dazu entnommen werden“, heißt es in der UKE-Studie.

Fast die Hälfte der Betroffenen saß wegen Gewaltdelikten in Haft

Bei 18 Personen wurde während der Haftzeit eine „psychiatrische Abklärung“ vorgenommen. In 15 Fällen wurden die späteren Suizidenten „im jeweils letzten vorliegenden Querschnittsbefund von dem Psychiater oder der Psychiaterin als zu dem damaligen Zeitpunkt als ,eher nicht’ oder ,nicht suizidgefährdet’ eingestuft“, schreiben die Autoren der Studie. Andererseits: Bei 16 Betroffenen lag eine psychische Erkrankung wie Suchterkrankung, Psychose, Depression oder Persönlichkeitsstörung vor.

Rund zwei Drittel der Gefangenen saßen nicht zum ersten Mal hinter Gittern, bei neun von ihnen war die Grund für die Inhaftierung ein Gewaltdelikt. Insgesamt hat die Zahl der Suizide hinter Gittern in Hamburg abgenommen: Im Zeitraum 1962 bis 1995 gab es rechnerisch 3,5 Selbstmorde pro Jahr, zwischen 1996 und 2012 waren es 2,9. Derzeit gibt es durchschnittlich zwei Suizide pro Jahr in den Haftanstalten.

Gefängnis Hamburg: In jedem Haftraum der Untersuchungshaftanstalt Fernseher und Radio

Die Autoren der Studie schlagen vor, den Suizidscreeningbogen in allen JVA zu vereinheitlichen und mehr Arbeitsplätze und Freizeitangebote für Inhaftierte zu schaffen. Die Hafträume sollten mit „gefährdungsarmen“ Telefonen ausgestattet werden, die auch über eine Verbindung zur anonymen Telefonseelsorge verfügen. Die Justizbehörde setzt bereits eine Reihe der Maßnahmen um. Zudem sind seit November 2022 alle Hafträume der U-Haftanstalt mit Fernsehen und Radio ausgestattet.

„Die Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema Suizidprävention ist hoch. Trotzdem müssen wir uns ständig fragen, ob und wo wir Dinge noch verbessern können“, sagt Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne).