Hamburg. Prof. Thomasius warnt vor Folgen der Legalisierung. Diese führe auch bei Jugendlichen zu mehr Konsum. Warum das so gefährlich ist.
Ein besserer Gesundheitsschutz, mehr Aufklärung und Prävention und kein illegaler Handel mehr mit Cannabis. All das will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ausgerechnet durch die Legalisierung der Droge erzielen. Um genau zu sein, mithilfe eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis. Die Bundesregierung will im Kabinett an diesem Mittwoch voraussichtlich den umstrittenen Plan einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland auf den Weg bringen. Nach der Sommerpause müssen Bundestag und Bundesrat noch darüber beraten. Der renommierte Hamburger Suchtexperte Rainer Thomasius warnt eindringlich vor dem Gesetz und seinen Folgen.
Der Gesetzesentwurf klingt fast zu einfach, um wahr zu sein. Da ist die Rede von einem „Problem“, einer „Lösung“ und einem „Ziel“. Auch die Frage nach Alternativen hat das Gesundheitsministerium (BGM) angeführt – die gibt es laut des Entwurfs aber nicht. Sollte es so kommen, wie vom BGM vorgesehen, dann dürfen die Bürger dieses Landes ab Ende dieses Jahres Cannabis zum Eigenbedarf anbauen, besitzen und auch konsumieren.
Cannabis: Hamburger Suchtexperte warnt vor Legalisierung
Anlass hierfür sei der angestiegene Konsum trotz bestehender Verbotsregelungen, insbesondere bei jungen Menschen, da diese Cannabis auf dem Schwarzmarkt kaufen und sich dadurch einem erhöhten Gesundheitsrisiko durch Beimengungen oder Verunreinigungen aussetzten. Abhilfe soll der laut Gesetz vorgesehene „private Eigenanbau, gemeinschaftlicher nicht gewerblicher Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Konsumcannabis an Erwachsene zum Eigenkonsum“ schaffen. Doch kann das wirklich die Lösung sein?
„Nein“, sagt Rainer Thomasius. Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Ärztlicher Leiter des Suchtbereichs am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) warnt sogar ausdrücklich vor einer Legalisierung. Und damit ist er nicht allein: In einem gemeinsamen Statement zusammen mit Fachgesellschaften und Verbänden appelliert der Mediziner, „etwaige Legalisierungsbeschränkungen nicht auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen auszutragen“.
25 Gramm straffrei – mit Jugendschutz nicht vereinbar
Denn alle Vorsätze, die Legalisierung mit einem bestmöglichen Jugendschutz zu verbinden, so warnen die Ärzte, Psychiater, Psychotherapeuten und Verbände, hätten sich in vielen Legalisierungsländern als Illusion erwiesen. „Bereits die gesellschaftliche Debatte um eine Abgaberegulierung von Cannabisprodukten hat ungünstige Effekte auf das Konsumverhalten junger Menschen“, sagt Thomasius auf Anfrage des Abendblatts.
Studien aus den USA belegten außerdem, dass die Legalisierung von Cannabis selbst dann, wenn sie nur für Erwachsene vorgesehen ist, auch für Jugendliche mit Cannabismissbrauch und -abhängigkeiten einhergehen, sagt der Mediziner vom UKE. Sollten zudem wie veranschlagt 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf straffrei bleiben, sei das dem Mediziner zufolge eindeutig zu viel.
Ordnungsämter überlastet – Kontrollen in keiner Weise möglich
„30 Gramm entsprechen rund 90 Joints pro Monat beziehungsweise drei Joints pro Tag und das ist auch genau die Menge, wegen der die abhängigen Jugendlichen bei uns in stationärer Behandlung sind. Damit wird deutlich, dass mit diesen Mengen, die man durchaus als Dealermengen bezeichnen kann, Jugendschutz in keiner Art und Weise gewährleistet werden kann.“ Laut Thomasius gebe es keine Mengen, die nicht schädlich seien für Jugendliche.
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Denn auch wenn die Legalisierung nur für Personen ab 18 Jahren geplant ist, sei es Thomasius zufolge „unmöglich“, den Eigenanbau zu kontrollieren. „Wer sollte das machen?“ Seiner Ansicht nach werde das Ziel der verbesserten und kontrollierten Qualität der Cannabisprodukte in keiner Weise einzuhalten sein. Auch der wie im Referentenentwurf beschriebene Anbau und die Abgabe, die vorerst über nicht gewinnorientierte Anbauvereinigungen oder sogenannte Cannabis-Clubs ermöglicht werden sollen, erachtet Thomasius nicht als sinnvoll. „Die Regulation dieser Cannabis-Clubs wird auf die Kommunen und Städte verlagert. Dabei sehen wir doch jetzt schon, dass die Ordnungsämter bereits jetzt überall überlastet sind.“
Cannabis: „Schwere Folgestörungen“ sowohl bei Jugendlichen als auch Erwachsenen
Sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen könne der übermäßige Konsum von Cannabis schwere Folgestörungen hinterlassen. Dazu zählten unter anderem Motivationsstörungen, Psychosen, depressive Verstimmungen und auch Schizophrenie. „Die Jugendlichen sind sehr viel sensitiver für diese Störungsbilder, weil die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist“, sagt Thomasius.
Da die Identitätsentwicklung bei Jugendlichen zudem noch nicht gefestigt ist und das Frontalhirn, das die biologische Instanz für die Kontrollfunktion darstellt, noch nicht voll entwickelt ist, würden Jugendliche im Vergleich zu Erwachsenen größere Schwierigkeiten haben, Cannabis reguliert zu konsumieren.
„Das sehen wir auch bei unseren Patienten, dass sie innerhalb sehr kurzer Zeit in die Abhängigkeit geraten“, sagt Thomasius. Die Therapieerfolgschancen bei cannabisbezogenen Störungen lägen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen international zudem nur bei rund 30 bis 40 Prozent. Der Rest werde rückfällig. Der Mediziner vertritt daher das „No-Go-Paradigma“. Sprich: Gar keine Legalisierung.
Hamburger CDU warnt ebenfalls vor Legalisierung
Und dafür plädiert auch die CDU-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die Drogenexperimente der Ampel-Bundesregierung sind höchstgefährlich. Mit einer Legalisierung würde der Konsum von Cannabis deutlich ansteigen und damit auch die gesundheitsschädlichen Folgen für viele Betroffene“, sagt Dennis Thering, Fraktionsvorsitzender. Andere Länder wie beispielsweise die Niederlande zeigten Thering zufolge, wie stark die negativen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer solchen Verharmlosung sogenannter weicher Drogen sind.
„Der Verbreitung weiterer illegaler Drogen wird damit Vorschub geleistet und der Schwarzmarkt gestärkt“, sagt Thering. Darüber hinaus kritisiert der CDU-Politiker die „Belastung für die ohnehin schon stark beanspruchten Hamburger Polizistinnen und Polizisten, die durch die Legalisierung weiter ansteigen würde. „Statt weitere Drogen zu legalisieren, sollte die Prävention gestärkt und gerade der Einstieg in den Konsum verhindert werden. SPD, Grüne und FDP schaffen vorsätzlich immer neue Probleme, statt sich mal auf Lösungen zu konzentrieren“, sagt Thering.