Hamburg. Der Senat stellt erstmals eine Innenstadtkoordinatorin vor, die das Stadtzentrum wieder attraktiver machen soll. Über ihre Pläne.
Die vergangenen zwei Jahre waren wohl die schwierigsten für die Hamburger Innenstadt seit Jahrzehnten. Infolge der Corona-Pandemie brach von heute auf morgen ein Großteil der Laufkundschaft weg – Touristen und Geschäftsleute ebenso wie Tausende Arbeitnehmer, die statt in der City im Homeoffice arbeiteten. Bald gaben die ersten Geschäfte auf, es kam zu vereinzelten Leerständen selbst in besten Lagen, was die Attraktivität der City schmälerte und das Problem weiter verschärfte.
Mittlerweile kehren die Menschen zwar zurück, dieser Tage sind die Straßen zwischen Hauptbahnhof und Rathausmarkt belebt wie eh und je. Doch die Umsätze sind noch nicht wieder die alten, der Trend zum Onlinehandel ist ungebrochen, etliche Immobilien stehen immer noch leer, und dann wächst nur einen Kilometer südlich der City ja auch noch ein riesiger Konkurrent in die Höhe: das Überseequartier in der HafenCity mit seinem gigantischen Einkaufszentrum.
Runder Tisch: Prof. Pahl-Weber wird Innenstadtkoordinatorin
Angesichts dieser Herausforderungen hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Mittwoch erstmals zum „Runden Tisch Innenstadt“ eingeladen. Kammern und Interessenverbände nahmen daran ebenso teil wie Vertreter der Grundeigentümer und der Gewerkschaften. Und immerhin ein konkretes Ergebnis konnte der Bürgermeister danach verkünden: Hamburg bekommt eine Innenstadtkoordinatorin: Prof. Elke Pahl-Weber, eine international renommierte Stadtplanerin, soll künftig die erste Ansprechpartnerin für die Akteure in der City sein und als Schnittstelle zur Politik und Verwaltung alle Aktivitäten zur Stärkung der Innenstadt koordinieren. Dafür erhält sie eine Geschäftsstelle mit zwei Mitarbeitern.
Die 1952 in der Hansestadt geborene Pahl-Weber hat ihre wissenschaftliche Karriere an der Technischen Universität Hamburg begonnen, sich dann als Beraterin im Bereich Stadtentwicklung selbstständig gemacht, bevor sie als Professorin an die TU Berlin ging. Zwischenzeitlich hatte sie auch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung geleitet.
Pahl-Weber: „Die Stadt tut unendlich viel“
Sie wolle „nicht nur der Kummerkasten der Innenstadt“ sein, sondern Dinge voranbringen, sagte Pahl-Weber bei ihrer Vorstellung im Rathaus. „Die Stadt tut unendlich viel“, lobte die Stadtplanerin. Die Kunst sei nun, die bestehenden Initiativen und Projekte, sowohl die öffentlichen als auch die privaten, zu bündeln und zu priorisieren, sodass Hamburg mit den „Trends, die die Stadt sehr gefährden“, umgehen könne, so Pahl-Weber. Aufgrund ihrer internationalen Erfahrung könne sie sagen: „Das ist nicht einfach.“
Ein „dickes Brett“, das es zu bohren gelte, sei das Thema Wohnen in der Innenstadt. Bekanntlich leben in der City nur wenige tausend Menschen – auch daher wurde sie von Corona stärker getroffen als etwa Bezirks- oder Stadtteil-Zentren, die Zehntausende Anwohner als Kunden-Basis haben. Schon vor zwei Jahren hatte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen eine Debatte ausgelöst, als er beklagt hatte, wie „gruselig“ er es am Abend in der Innenstadt finde: „Das ist ein totes Quartier, und es geht darum, um es ganz hart zu sagen, dass wir diese Quartiere retten.“
In der Innenstadt tut sich schon einiges
Etliches sei seitdem bereits angeschoben worden, betonte der Bürgermeister: So habe man sich mit dem „Handlungskonzept Innenstadt“ zum Ziel gesetzt, mehr Platz für Fußgänger, eine bessere Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und mehr Wohnraum zu schaffen sowie eine „hervorragende Erreichbarkeit“ der City zu gewährleisten. Tatsächlich tut sich bereits einiges: Der Ballindamm wurde umgestaltet und als Flaniermeile aufgewertet, der Jungfernstieg und einige Straßen im Passagenviertel wurden teilweise autofrei, und viele zentrale Orte wie der Gerhart-Hauptmann-Platz, der Hopfenmarkt oder der Burchardplatz sollen attraktiver gestaltet werden.
Auf dieser Grundlage wolle man weitermachen und nun ein „Leitbild für die Innenstadt“ entwickeln, so Tschentscher. Dabei gehe es einerseits darum, wie die City krisenfest und weniger „angreifbar“ durch Ereignisse wie die Corona-Pandemie werde, andererseits um Fragen der Mobilität und der Nutzung.
Hamburg sucht ein „Leitbild“
Man müsse sich etwa fragen, ob man neben Einzelhandel und Gastronomie nicht auch mehr Handwerk sowie wissenschaftliche und Bildungseinrichtungen brauche. Auch über die leichtere temporäre Nutzung leerstehender Immobilien und der Kirchen sowie die Beziehung zur HafenCity müsse man nachdenken. An diesem Leitbild solle nun gearbeitet werden, bevor der Runde Tisch in etwa einem halben Jahr wieder zusammenkommt.
Das erste Treffen sei „ein Meilenstein auf dem von uns geforderten professionellen Transformationsmanagement für die Hamburger Innenstadt“ gewesen, sagte Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Die neue Innenstadtkoordinatorin sei eine sehr gute Wahl. „Wichtig ist jetzt, dass rasch ganz konkrete Projekte vereinbart werden und in Umsetzung kommen, die die Innenstadt als Identifikationsort und Treffpunkt für alle stärken“, so Heyne.
Runder Tisch: City soll neu gedacht werden
Die Umgestaltung des Jungfernstiegs und der Plätze seien „wichtige baulich-gestalterische Maßnahmen“, aber ein Konzept zur Neuausrichtung der Innenstadt müsse „deutlich weiter gefasst sein. Zahlreiche Ideen für entsprechende Projekte liegen bereits auf dem Tisch“, sagte Heyne – ohne zu erwähnen, dass die Kammer beispielsweise vorgeschlagen hatte, die Willy-Brandt-Straße in einen Tunnel zu verlegen, um die Trennung von City und HafenCity zu überwinden. Das lehnt Rot-Grün jedoch ebenso ab wie den CDU-Vorschlag für eine schwimmende Gastromeile auf der Binnenalster.
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CDU-Stadtentwicklungsexpertin Anke Frieling freute sich daher zwar, dass ihre Forderung nach einer zentralen Stelle nun aufgegriffen wurde, kritisierte aber: „Unklar bleibt leider, mit welchen Kompetenzen ihre Stelle ausgestattet sein wird. Es droht die Gefahr, dass SPD und Grüne erneut Koordinatoren ohne klare Zielvorgabe und Durchsetzungsrechten berufen.“ Zudem könne die Erarbeitung eines Leitbilds viel Zeit kosten: „Die Innenstadt braucht aber schnell zielgerichtete Maßnahmen.“