Hamburg. Senat legt Wohnraumschutzbericht 2021 vor. Deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren. Bemerkenswert ist Höhe der Zwangsgelder.
Jahrelanger Leerstand, Verwahrlosung oder Zweckentfremdung von Wohnraum etwa durch gewerbliche Nutzungen verschärfen die ohnehin angespannte Lage am Wohnungsmarkt.
Seit 2017 erstellt der Senat jährlich einen Wohnraumschutzbericht, der die Aktivitäten vor allem der Bezirke zur Sicherung des Bestandswohnens dokumentiert.
Dabei war 2021 offensichtlich ein besonders erfolgreiches Jahr. Der Wohnraumschutzbericht für das vorletzte Jahr, den der Senat voraussichtlich am Dienstag beschließen und dann der Bürgerschaft zuleiten wird, dokumentiert das Vorgehen im Einzelnen und zieht in einem umfangreichen Tabellenanhang Bilanz.
Immobilien Hamburg: Deutliches Plus – So viele Wohnungen wurden 2021 gerettet
Eine Zahl sticht heraus. „Der Senat und die Bezirke stellten im Jahr 2021 sicher, dass rund 1259 Wohnungen dem Wohnungsmarkt erhalten bzw. wieder Wohnzwecken zugeführt werden konnten“, heißt es in dem Bericht, der dem Abendblatt vorliegt. Insgesamt konnte eine Wohnfläche von 44.928 Quadratmetern vor dem Verlust bewahrt oder erneut vermietet werden.
„Aufgrund der erfolgreichen Wohnungspolitik des Senats konnten seit 2011 durchschnittlich etwa 546 Wohnungen im Jahr dem Wohnungsmarkt zu Wohnzwecken wieder zugeführt werden. Der für den Berichtszeitraum ermittelte Wert liegt insoweit doppelt so hoch wie der Durchschnitt“, lobt sich der Senat selbst.
Hinweise auf Zweckentfremdung kommen von der Polizei, aber auch von Anwohnern
Eine „deutliche Steigerung“ ergebe sich mit 1259 Wohnungen auch gegenüber den Jahren 2019 (405 Wohnungen) und 2020 (947 Wohnungen).
Die bezirklichen Wohnraumschutzdienststellen gehen aufgrund von Hinweisen seitens der Polizei oder anderer Behörden einer möglichen Zweckentfremdung von Wohnraum nach. Auch Anwohner oder Nachbarn können sich an die Dienststellen wenden, wenn sie den Verdacht haben, dass Wohnungen zweckentfremdet werden.
Ausdrücklich weist der Bericht darauf hin, „dass es eine deutliche Zunahme an Hinweisen auf Leerstände durch die Bevölkerung“ gegeben habe. „Die Bezirksämter haben in diesem Zusammenhang trotz pandemiebedingter Einschränkungen (im Jahr 2021, die Red.) rund 7100 Wohnungen bezüglich ihrer ordnungsgemäßen Nutzung von Amts wegen überprüft“, heißt es in dem Senatsbericht.
Die Bezirksämter konnten erreichen, dass Ersatzwohnungen bereitgestellt wurden
In mehr als der Hälfte der 1259 Fälle – bei 694 Wohnungen – konnten die Bezirke erreichen, dass die Vermieter zum Beispiel bei einem geplanten Abbruch Ersatzwohnungen bereitstellten. In 486 Fällen kam es nach der behördlichen Überprüfung und Beratung zu einer Wiedervermietung, ohne dass eine entsprechende Auflage nach dem Hamburger Wohnraumschutzgesetz erlassen wurde.
Bei 53 Wohnungen musste dagegen ein sogenanntes Gebot zur Wiedervermietung ausgesprochen werden. In den restlichen Fällen wurde das Wohnraumschutzgesetz nach Angaben des Senats restriktiv angewandt, in dem zum Beispiel ein Antrag auf Abriss eines Wohngebäudes abgelehnt wurde.
Nicht immer kann eine schnelle Lösung erreicht werden. Das zeigen auch die in dem Bericht dargestellten besonderen Einzelfälle, die Gegenstand medialer Berichterstattung waren. Das Abendblatt hatte im Oktober 2021 über den Protest der Mieter des Hauses Zeughausstraße 42–44 (Neustadt) gegen den geplanten Abriss des Gründerzeitbaus berichtet.
Nachdem sich das Bezirksamt Hamburg-Mitte um den Fall gekümmert hatte, stellte der Eigentümer eine Zweckentfremdungsgenehmigung für die Dauer der Baumaßnahmen.
Mieter und Mieterinnen protestierten gegen den geplanten Abriss ihres Hauses
„Das wohnraumschutzrechtliche Verfahren konnte jedoch noch nicht abgeschlossen werden. Insofern ruht das Bauantragsverfahren für den Abbruch und Neubau“, heißt es in dem Senatsbericht. Dabei geht es unter anderem darum, dass den Mietern der 26 günstigen Wohnungen geeigneter und ebenfalls günstiger Ersatzwohnraum angeboten wird. Der Quadratmeterpreis liegt in dem Gebäude zum Teil zwischen sechs und sieben Euro, auch weil die Mieter und Mieterinnen seit Langem dort wohnen.
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Das Gebäude ist eines der letzten architektonischen Zeugnisse der Gründerzeit im Areal rund um den Michel, steht aber aufgrund von Kriegsschäden nicht unter Denkmalschutz. In seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage hatte der Senat daher bereits im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass ein Abriss nicht verhindert werden könne, wenn die Voraussetzungen für eine Genehmigung vorliegen.
Bei der Holzkonstruktion des Hauses wurden Pilzbefall und Fäulnisschäden festgestellt. Derzeit laufen noch weitere Untersuchungen zur Bausubstanz, die klären sollen, ob eine Sanierung des Hauses doch noch möglich ist.
Insgesamt wurden 2021 Zwangsgelder in Höhe von 2,4 Millionen Euro verhängt
Auch wenn der Senat die Beratung der bezirklichen Wohnraumschutzdienststellen lobt, gelingt es nicht immer, eine konfliktfreie Lösung mit den Wohnungseigentümern zu erreichen.
Der Umfang der wegen Zweckentfremdung von Wohnraum verhängten Zwangsgelder hat sich gegenüber den Vorjahren sogar fast verdoppelt. Die Summe beläuft sich 2021 auf rund 2,4 Millionen Euro nach 1,1 (2019) und 1,4 Millionen Euro (2020).
Allerdings entfällt ein Zwangsgeld in Höhe von 2,1 Millionen Euro allein auf einen Fall im Bezirk Hamburg-Nord. „Hintergrund ist die andauernde Verweigerung eines Verfügungsberechtigten, Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen“, schreibt der Senat.
Eine Zweckentfremdung liegt prinzipiell vor, wenn eine Wohnung länger als vier Monate leer steht. Ein gemeldeter Leerstand aufgrund von Sanierungsmaßnahmen gilt als „fiktiv genehmigt“.