Hamburg. Kinderärztinnen wissen: Worauf es beim Entfernen der Blutsauger ankommt, wann Impfungen sinnvoll sind und wie das Risiko sinkt.

Zecken – die achtbeinigen Blutsauger versetzen Eltern und Kinder in Sorge, schließlich können sie Krankheiten wie Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis übertragen. Doch es gibt eine Reihe verbreiteter Märchen über Zecken, mit denen „Die KinderDocsClaudia Haupt und Charlotte Schulz vom Berufsverband der Kinder und Jugendärzte in Hamburg an dieser Stelle aufräumen.

„Wir erleben häufig in unserer Praxis, dass Eltern in größter Sorge sind, weil sie eine Zecke gefunden haben“, erzählt Kinderärztin Claudia Haupt. Angst brauche man nicht zu haben. Falsch sei zunächst einmal die Annahme, dass Zecken auf den Menschen springen oder sich von oben auf ihn fallen lassen.

Zecken: Auf welche Körperstellen man bei Kindern achten muss

„Tatsächlich werden Zecken mit dem Körper abgestreift. Sie sind meist im höheren Gras, im Unterholz oder Gebüsch zu finden, wo sich Kinder sehr gern aufhalten, etwa auf 80 bis 100 Zentimeter Höhe. Während man bei Erwachsenen eher vom Nabel abwärts nach Zecken suchen würde, muss man bei Kinder auch im Bereich von Kopf, am Haaransatz, hinter den Ohren oder auch in den Achselhöhle nach ihnen suchen“, so die Medizinerin.

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Ein weiteres Märchen ist, dass entscheidend sei, eine Zecke professionell und unbedingt vollständig zu entfernen. „Es kommt dagegen darauf an, die Zecke möglichst schnell zu ziehen“, sagt Charlotte Schulz, Kinderärztin in Hoheluft. Die Zecke hat einen gepanzerten, sehr stabilen Rüssel, mit dem sich der Parasit in die Haut des Opfers bohrt, bis er auf Blutgefäße trifft, wo er seine Nahrung findet.

Borrelien werden frühestens nach zwölf Stunden übertragen

Dann fährt er winzig kleine Widerhaken aus und verankert sich an dieser Stelle. Für den Verdauungsvorgang benötige die Zecke mehrere Stunden. „Im Gegensatz zur Frühsommer-Meningoenzephalitis, die in unseren Breiten nicht vorkommt, werden die eine Borreliose verursachenden Borrelien frühestens nach zwölf Stunden übertragen, weil sie über den Verdauungsprozess der Zecke in den Menschen übertragen werden.“

Zur Entfernung empfehlen die Medizinerinnen eine Zeckenkarte oder Kosmetikpinzette mit geradem Schliff. Diese setzt man dicht an der Haut an und zieht die Zecke von unten kräftig, aber ganz langsam heraus – nicht ruckartig. „Da hat man eine Chance, dass die Zecke reflektorisch diese kleinen Widerhäkchen einklappt und hat eine komplette Zecke in der Zange“, sagt Claudia Haupt. Sie beruhigt: „Auch falls der Rüssel noch stecken bleibt und abreißt, bedeutet dies keine erhöhte Gefahr, weil die Borrelien dort nicht drin sind.“ Man desinfiziert die Stelle gründlich und behandelt sie unter Umständen ein paar Tage lang mit einer antiseptischen Salbe, dann wird der Fremdkörper entweder abgestoßen oder verkapselt.

Keine Gefahr, wenn Rüssel in der Haut stecken bleibt

„Aber die Gefahr einer Borreliose steigt nicht, weil der kleine Rüssel dringeblieben ist.“ Die Kinderärztinnen „können die Eltern eigentlich nur ermutigen: Sie können nicht so furchtbar viel falsch machen, Hauptsache, die Zecke wird schnell entfernt.“

Auch andere Mythen sind falsch: Früher wurde Eltern manchmal empfohlen, Öl oder Nagellackentferner auf die Zecke zu träufeln. „Das ist ein absolutes No-Go. Die Zecke gerät dann in einen Todeskampf, und es kann sein, dass sie sich erbricht oder Stuhl absetzt – also genau das, wodurch die Erreger überhaupt erst auf die Haut kommen. Wenn man eine Zecke findet, sollte man sie direkt ziehen. Bitte nicht warten bis zum nächsten Tag und dann zum Kinderarzt gehen.“

Auf das Zeitfenster von zwölf Stunden kommt es an

Das Zeitfenster von zwölf Stunden sei entscheidend. „Ob die Zecke ganz oder zum Teil entfernt wird, ist in dieser Frist fast egal. Die Zecke ist dann tot und kann nicht mehr diese Krankheitserreger übertragen“, so Charlotte Schulz. „Innerhalb von zwölf Stunden ist eine Übertragung von Borreliose so gut wie ausgeschlossen.“

Man braucht gezogene Zecken auch nicht in die Apotheke zu tragen, um sie testen zu lassen. „Das ist nur für die Labore gut, aber überhaupt nicht hilfreich“, sagt Claudia Haupt. Und auch eine antibiotische Therapie ist nicht immer erforderlich, wenn eine Zecke gefunden wurde.

Kindergesundheit: Wie eine Impfung gegen Zecken nützt

Eine Borreliose erkennt man an einer kreisförmigen Rötung, die nicht zwingend an der Stelle des Zeckenstichs, sondern auch an anderen Stellen des Körpers auftreten kann. In der Mitte des roten Rings ist die Haut hell. Der Ring wächst mit der Zeit, weswegen dies Wanderröte genannt wird.

Gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis, eine Hirnhautentzündung, die nur in endemischen Gebieten in der südlichen Hälfte Deutschlands, in Südschweden sowie beispielsweise in Teilen Österreichs, der Schweiz, Tschechien, Ungarn, Polen und Russland übertragen wird, ist eine Schutzimpfung sinnvoll, wenn man in diesen Gebieten Urlaub macht oder Verwandte besucht, raten die Kinderärztinnen.

Mit der Impfung sollte man spätestens sechs Wochen vor der Reise beginnen, sie ist für Kinder ab einem Jahr zugelassen. Die Grundimmunisierung bietet bei den meisten Impfstoffen drei Jahre Schutz. Schützen kann man sich vor Zecken auch mit Kleidung, die möglichst viele Körperstellen bedeckt (lange Hose in die Socken stopfen!) sowie mit Insektenschutzmitteln, die auch Zecken abwehren.