Hamburg. Neue Pläne zeigen, was jetzt auf Hamburg zukommt. Die U5 dürfte während des jahrelangen Baus Teile der Stadt lahmlegen. Die Details.
Gigantische Baugruben mitten im Hamburger Uni-Viertel, Abriss und neue Haltestellen am Hauptbahnhof sowie Riesenbohrlöcher mitten in der Binnenalster am Jungfernstieg: Wer geglaubt hatte, der Bau der unterirdisch verlaufenden U-Bahn U5 gehe mit weniger Belastungen einher als der einer Stadtbahn, sieht sich jetzt eines Besseren belehrt. Laut der im Internet veröffentlichten Ausschreibung der Hochbahn für den Hauptabschnitt der U5 vom Borgweg durch die City zum UKE und in den Volkspark wird der Bau für teils einen Kilometer lange offene Baugruben sorgen.
Drei Beispiele für erwartbare massive Belastungen der Anwohner und des Verkehrs: An den Haltestellen Grindelberg und Universität soll es eine 1050 Meter lange offene Baugrube geben. Im Umfeld der Station Hagenbecks Tierpark ist eine 540 Meter lange offene Baugrube geplant. Und an den Arenen soll die Baustelle etwa einen Kilometer lang werden.
U5 in Hamburg: Überraschungen in der Ausschreibung
Neben den 23 neuen Haltestellen müssen auch alle Notausgänge auf der Strecke offen errichtet werden. Am Hauptbahnhof wird die U5 auf den geplanten Verbindungsbahnentlastungstunnel treffen, der die S-Bahn unterirdisch vom Hauptbahnhof über Dammtor zum Diebsteich führen soll. Neue Tunnel und Stationen mit alten zu verknüpfen – das macht den sowieso belasteten Hauptbahnhof über Jahre zur Baustelle. Gleiches gilt für den Jungfernstieg. Hier kann der Tunnelbohrer der U5 nicht arbeiten. Wegen der Lage der S-Bahn-Tunnel muss klassisch gegraben werden.
Die Ausschreibungsunterlagen enthalten eine weitere Überraschung: So erwägen Senat und Hochbahn nun eine Verlängerung der U5 über die bisherige Endstation an den Arenen hinaus – und zwar bis zum Osdorfer Born. Bisher sollte der Osdorfer Born durch die S32 an das Schnellbahnnetz angeschlossen werden. „Neuere Untersuchungen haben die Frage nach einer Weiterführung der U5 mit einer Endhaltestelle Osdorfer Born wieder aufleben lassen“, heißt es in den Unterlagen.
U5 ein „Märchen von Olaf Scholz“
Das Versprechen von Olaf Scholz, die Menschen würden den U5-Bau „nicht mitbekommen“, entpuppe sich als „reines Märchen“, sagte Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann mit Blick auf die Baupläne. Die Hochbahn erläuterte, dass eine rein unterirdische Bauweise nicht überall möglich sei. Man versuche, die Belastungen so gering wie möglich zu halten.
Denn die U5 ist das anspruchsvollste, milliardenteure Verkehrsprojekt Hamburgs über die nächsten Jahrzehnte. Und viele fragen sich: Gibt es eine Ausstiegsmöglichkeit? Die Antwort könnte sein: Ja, viele. Denn die jetzt veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen zeigen zahlreiche Notausstiege entlang der rund 24 Kilometer langen Gesamtstrecke. Mal enden sie mitten auf der Averhoffstraße auf der Uhlenhorst, mal an einem Tennisplatz (Lokstedt/Hoheluft), mal am Klärwerk Stellingen. Und alle Notausstiege müssen wie die Haltestellen in offener Bauweise erstellt werden, also mit gewaltigen Gruben.
Strecke der U5 in Hamburg ist gut 24 Kilometer lang
Erst mit diesen Unterlagen wird auch den Letzten klar: Die U5, wenn sie so kommt wie geplant, verwandelt die Stadtteile entlang ihrer Linienführung über viele Jahre in Großbaustellen. Die Arbeiten zwischen Bramfeld und der City Nord haben trotz mehrerer Klagen gegen die Planfeststellung schon begonnen. Der „Rest“ Richtung Winterhude, City, Uni, Hoheluft, UKE und Stellingen/Arenen könnte nach vorsichtiger Prognose bis zum Jahr 2040 oder wenige Jahre später betriebsbereit sein. Die Gesamtkosten haben Senat und Hochbahn noch nicht beziffert, der Bund soll sich erheblich beteiligen. Im ersten Abschnitt wuchsen die Ausgaben bereits von 1,75 auf 2,86 Milliarden Euro.
Der Senat verspricht sich von der U5 eine Mobilitätswende hin zur Schiene und einen großen Beitrag zum Klimaschutz. Der Klimabeirat hat sich allerdings kritisch zur U5 geäußert. Linken-Verkehrspolitikerin Sudmann sagte nach Durchsicht der Ausschreibung: „Wenn diese Buddelei wenigstens was fürs Klima und die Verkehrswende bringen würde. Doch die U5, die frühestens in 20 Jahren fertig ist, fährt nicht nur am Bedarf potenzieller neuer Bahnnutzerinnen und -nutzer vorbei, sondern mit ihrem riesigem Beton- und Zementverbrauch produziert sie mehr CO2, als sie in den Folgejahrzehnten einsparen kann. Die schnellere und viel kostengünstigere Alternative ist und bleibt die Straßenbahn.“
Haltestellen, Kehr- und Abstellanlagen werden „offen“ gebaut
Die Hochbahn hat in mehreren Info-Veranstaltungen die Anwohner bereits über die Pläne und die Auswirkungen aufgeklärt. „Die U5 wird dort, wo es technisch machbar und sinnvoll ist, mittels Schildvortriebsverfahren gebaut. Das betrifft insgesamt rund zwei Drittel der Gesamtstrecke. Die Haltestellen und die Kehr- und Abstellanlagen werden in der Regel grundsätzlich in offener Bauweise gebaut“, erläutert eine Hochbahn-Sprecherin auf Anfrage.
Die Auswirkungen des U5-Baus auf das Leben und den Verkehr sollen begrenzt werden. In den Ausschreibungsunterlagen heißt es: „Es ist ein Bau innerhalb bestehender und gewachsener Stadtquartiere unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Verkehrs zu planen.“ Angesichts der Baugruben und der Enge in einigen Quartieren dürfte das schwierig werden.
Am Hauptbahnhof entsteht eine der größten Baustellen. Hier rollt die U5 nach den Plänen über Gleise, die in zwei leere Schächte an der U2/U4 gelegt werden sollen. Allerdings muss eine komplett neue Haltestelle entstehen. Die bestehenden Aufzüge und Treppen am Ausgang zum Schauspielhaus müssen abgerissen und neu gebaut werden. Wie der geplante Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) da integriert werden kann, darüber gibt es „Modellierungen“.
U5: Bohrloch in der Binnenalster und „Vereisung“
Nächster Knackpunkt der Tunnelei: die Binnenalster. Denn die U5-Haltestelle Jungfernstieg muss sich gleichzeitig zur bestehenden Mega-Station von U- und S-Bahn öffnen, aber so weit entfernt sein, dass nicht alles kreuz und quer läuft. So heißt es in den Plänen: „Die Bahnsteigmitte befindet sich in etwa mittig unter der Binnenalster.“ Im Wasser entsteht eine Baugrube. „Das Haltestellenbauwerk inklusive der S-Bahn-Unterquerung und anschließendem Gleiswechselbauwerken weist eine Länge von ca. 400 m auf.“
Hier versagt außerdem die Tunnelbohrmaschine. Als die S-Bahn gebaut wurde, blieben laut Plan Stahlspundwandkästen im Boden, die den Baugrund sicherten. Da kann der U5-Bohrer nicht durch. Also muss hier in „bergmännischer Bauweise“ vorgegangen werden, heißt: Auch der Tunnel wird hier klassisch gegraben. Das verlängert die Bauzeit. Und da das Wasser als permanente Bedrohung gilt, muss der Boden für die drei neuen Röhren großflächig vereist werden.
Wo der Tunnelbohrer in Hamburg versagt
Besonders herausfordernd ist die Situation im Uni- und Grindelviertel. Auf einem 530 Meter langen Streckenabschnitt soll eine Kehr- und Abstellanlage für Züge entstehen. „Inklusive der Haltestelle Universität ergibt sich daraus eine ca. 1050 m lange offene Baugrube.“ Linken-Verkehrspolitikerin Sudmann sagte: „Wer glaubt denn, dass eine jahrelange offene Baugrube von einem Kilometer Länge, bis zu 40 Meter Breite und 35 Meter Tiefe die Anwohnerinnen und Anwohner zwischen der Uni und dem Grindelberg nicht beeinträchtigt? Und dass der Verkehr dort nicht zum Erliegen kommt?“
Die Abstellanlagen seien laut Hochbahn „westlich und östlich der Alster erforderlich, um einen flexiblen und maximal stabilen U-Bahn-Betrieb im Innenstadtbereich sicherzustellen“. Neben dem Grindel gibt es eine dieser Anlagen zwischen Borgweg und Jarrestraße.
Die Hochbahn erklärt: „Die Abstände zwischen den Haltestellen sind rund 600 Meter. Zieht man die Baugruben für die Kehr- und Abstellanlagen ab, sind die verbleibenden Abschnitte zu kurz, um eine Tunnelvortriebsmaschine einzusetzen.“ Besonders groß ist die Anlage an den Arenen geplant. Möglicherweise wird das noch einmal neu gedacht, sollte die U5 bis zum Osdorfer Born führen.
UKE hat eine kurze Haltestelle für die U5
Smarter soll die Haltestelle auf dem Gelände des UKE entstehen, wo rund 15.000 Mitarbeiter sowie Patienten von einem Gleisanschluss profitieren dürften. Sie hat eine Länge von nur 150 Metern (27 Meter breit). Das UKE begrüßt den Anschluss ans U-Bahnnetz. An einigen Haltestellen, die Verkehrsadern wie die Koppelstraße in Stellingen betreffen, hat sich die Hochbahn eine „halbseitige“ Bauweise ausgedacht. Hier wird die Baugrube zur Hälfte gegraben und „überdacht“, ehe man sich an die zweite Hälfte macht. Das könnte gewährleisten, dass auf einer vierspurigen Straße immer zwei Spuren für den Autoverkehr nutzbar bleiben.
Die vom grünen Senator Anjes Tjarks geführte Verkehrsbehörde wies die Annahme zurück, der Senat rücke nun vom Bau der S32 bis zum Osdorfer Born ab. Die derzeit von der Hochbahn ausgeschriebenen Planungen bezögen sich auf Jahrzehnte, daher sei es „klug, dass die Hochbahn hier vorausschauend denkt und auch Optionen mit ausschreibt“. Die Nutzung der Option einer Verlängerung der U5 bis zum Osdorfer Born stehe „jedoch nicht auf der politischen Tagesordnung“, so Tjarks-Sprecher Dennis Heinert. „Die Anbindung des Hamburger Westens an den Schienenverkehr ist eines der wichtigsten Verkehrsprojekte des Hamburger Senats. Hierbei genießt der Bau der S32 Priorität.“
Durch die im Mai vorgestellte aktualisierte Linienführung sei es gelungen, „etwaige Beeinträchtigungen für den Forschungsbetrieb auf der Science City auszuschließen und gleichzeitig eine sehr gute Erschließung der bewohnten Gebiete sicherzustellen“, so Heinert. „Das Projekt ist also auf einem sehr guten Weg.“