Hamburg. Erlöse des Deutschlandtickets landen nicht immer dort, wo Bus und Bahn genutzt werden – das ist schlecht für Hamburg und den HVV.
Ein 49-Euro-Ticket – oder Deutschlandticket, wie es jetzt heißt – kaufen oder kündigen, das geht so kinderleicht in der App eines Smartphones, dass sich viele Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs in diesen Tagen fragen: Warum hat man das nicht längst eingeführt?
Auch für die, die den Abo-Fahrschein für alle Verkehrsverbünde sowie Regionalzüge der Deutschen Bahn lieber als Plastikkarte im Portemonnaie tragen, gibt es zum Beispiel beim HVV eine Lösung. Das 49-Euro-Ticket ist in Hamburg wie deutschlandweit ein Verkaufsschlager und hat nach ersten vorläufigen Daten bereits Tausende Menschen zum Umstieg auf die Bahn bewogen.
Hamburg: 49-Euro-Ticket – Warum dem HVV hohe Einnahmen entgehen
Allerdings: Was viele nicht wissen, ist für die Verkehrsunternehmen zu einer Gretchenfrage geworden. Wie und wo, auf welchem Weg also kaufen alte und neue Bahnkunden das 49-Euro-Ticket? Die Antworten dazu entscheiden unmittelbar über die Finanzsituation zum Beispiel des HVV.
Denn im ersten Jahr der Einführung behält jeder Anbieter, über den ein Deutschlandticket gebucht wird, diese Einnahmen für sich. Die neuen Abo-Bestseller können aber über mehrere Internetportale und Apps erworben werden.
Ein Beispiel: Wer bislang ein Jobticket beim HVV hatte, dessen Fahrkarte wird nun gekündigt. Der Kunde erhält den Arbeitgeberzuschuss direkt mit dem Gehalt und kann sich aussuchen, wo er sein 49-Euro-Ticket bucht. Tut er es in der HVV Switch App, geht das Geld zum HVV. Bucht er zum Beispiel in der Bahn-App DB Navigator, geht Hamburg leer aus.
HVV: 49-Euro-Ticket belastet die Haushalte, Geld fehlt woanders
Da aber die Verkehrsunternehmen ohnehin gesunkene Einnahmen beklagen, schlägt jedes fehlende Ticket umso mehr ins Kontor. Auch das 49-Euro-Ticket insgesamt deckt die tatsächlichen Kosten nicht. Die Städte, Länder und Gemeinden müssen diese Defizite am Ende ausgleichen. Das belastet ihre Haushalte, Geld fehlt woanders.
Um nach dem Erfolg des One-Hit-Wonders 9-Euro-Ticket im vergangenen Jahr eine schnelle Anschlusslösung zu haben, einigten sich der Bund und die Bundesländer darauf, dass jede Seite je 1,5 Milliarden Euro zahlt. Aber erst im nächsten Jahr soll es einen neuen Verteilmechanismus geben, sodass Bus- und Bahnanbieter nicht verlieren, wenn Hunderttausende Kunden zwar ihr Netz nutzen, aber über andere Kanäle das Deutschlandticket gebucht haben.
Einnahmen aus Deutschlandticket werden erst 2024 verteilt
Der HVV kann sich rühmen, mit der Switch App einen der erfolgreichen Kanäle für die 49-Euro-Tickets bundesweit zu haben. Manche, die darüber das Deutschlandticket buchen, wohnen gar nicht im HVV-Gebiet. Auf der anderen Seite verliert der HVV.
Auf eine Abendblatt-Anfrage erklärte der Verkehrsverbund, zu dem unter anderem Hochbahn, Hadag-Fähren und VHH zählen: Erst ab 2024 solle es ein „Ausgleichsverfahren geben, das den Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen die Einnahmen nach der Wohnortpostleitzahl der Fahrgäste“ zuteile.
Bisher habe der HVV 250.000 Deutschlandtickets an neue Kundinnen und Kunden verkauft. Geschätzte 50.000 der Fahrkarten hätten Kunden aus dem Gebiet des HVV bei anderen Anbietern erworben. In der bisherigen Abrechnung, so erfuhr das Abendblatt, kauften offenbar deutlich mehr Kunden im HVV-Bereich bei anderen Anbietern als umgekehrt. Bei dem mutmaßlichen Verlust dürfte es sich um eine einstellige Millionensumme handeln.
Kurios: 49-Euro-Ticket auch über ADAC verkauft
Die Konkurrenz auf dem virtuellen Marktplatz ist gewaltig. Allein im Google Play Store (für Android-Handys und Tablets) wurde die Bahn-App DB Navigator mehr als zehn Millionen Mal heruntergeladen. Sie ist ein Schwergewicht unter den Verkäufern des 49-Euro-Tickets. In Berlin (BVG App) und München (MVV) sind die Verkehrsbetriebe ebenfalls App-Millionäre. Die Switch-App des HVV hat im Google Play Store 100.000 plus Downloads.
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Hinzu kommt: Sogar der Automobil-Club ADAC verkauft die 49-Euro-Tickets. Mitglieder erhalten 10 Euro Rabatt im ersten Monat. Und ein privates Verkehrsunternehmen (Transdev) hat sich die Internet-Domain deutschlandticket.de gesichert und vertreibt dort die Flatrate-Fahrscheine.
Sommer 2023: Volle Züge Richtung Nord- und Ostsee
In der Hamburger Verkehrsbehörde ist man sich all dessen bewusst. So sind nun mal die Verabredungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern in diesem Jahr.
Der Fahrgastverband Pro Bahn ist glücklich, dass das 49-Euro-Ticket überhaupt so schnell eingeführt wurde, gibt aber zu bedenken: Überlastete Linien – im Sommer auch die über Hamburg Richtung Nord- und Ostsee – erlebten gerade einen Ansturm, den die Regionalbahnen kaum noch bewältigen können.
Das Deutschlandticket ist für den Verband also gleichsam ein Fluch, der zeigt, dass Züge und Personal fehlen, Gleise und Technik über Jahre vernachlässigt wurden. Pro Bahn hat jedoch für den HVV sogar Lob übrig. Der Verbund habe es geschafft, die 49-Euro-Tickets „tagesscharf“ anzubieten.
Wer Ende des Monats für den aktuellen und den Folgemonat bucht, zahlt einmal 49 Euro für den Folgemonat und für den laufenden anteilig nur die Tage, an denen das Ticket gilt.