Hamburg. Innensenator Grote ehrt 43 Retter im Rathaus für besondere Verdienste in Krisengebieten. Helfer berichten von dramatischen Erlebnissen.

Torsten Birnbach ist aufgeregt. Da macht der Wasserschutzpolizist am frühen Dienstagmorgen gar kein Geheimnis draus. „Man wird ja nicht jeden Tag geehrt“, sagt der 54-Jährige, der zu den Hamburgern gehört, die wenige Stunden später für ihr besonderes Engagement im Ausland von Innensenator Andy Grote im Rathaus im festlichen Kaisersaal ausgezeichnet werden sollen.

Im Rahmen eines Senatsempfangs ehrte Grote am Dienstagabend insgesamt 43 Angehörige von Bundeswehr, Polizei und Bundespolizei sowie des Technischen Hilfswerks (THW), des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und des Bundesverbands Rettungshunde (BRH) für ihre besonderen Verdienste in den Bereichen der Sicherheit und der humanitären Hilfe im Ausland. Zu den Einsatzgebieten zählten unter anderem die Ukraine, Afghanistan, südliches Afrika, Mali, die Türkei und das Mittelmeer.

Polizei, Feuerwehr, DRK: Hamburgs Innensenator beeindruckt von Auslandseinsätzen

„Wir wollen heute diejenigen ehren, die von Hamburg aus zu Auslandseinsätzen in die Welt aufgebrochen sind und sich hierbei in besonderer Weise verdient gemacht haben“, sagte Grote am frühen Abend im Kaisersaal des Rathauses. „Wir ehren ganz bewusst ein Engagement, das für uns alle einen enorm hohen Wert hat, das aber, weil es eben da draußen in der Welt geleistet wird, hier bei uns zu Hause in der Vergangenheit gar nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekommen hat.“

Torsten Birnbach hat sich im Mittelmeer verdient gemacht. Gleich dreimal in den vergangenen zwölf Monaten war er für Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, rund um die griechische Insel Samos im Einsatz.

„Meine Hauptaufgaben waren die Rettung von in Seenot befindlichen Migranten, die Sicherung der EU-Außengrenze, die Küstenwache, Patrouillenfahrten und das Verhindern von Schleusung von Migranten“, sagt der Polizist, der eine Sache besonders erinnert: „Das Bild, das mir bis heute stark im Kopf geblieben ist, ist der alte Hotspot auf Samos. Das war eine Stadt aus Müll. Wer so etwas gesehen hat, der vergisst das nicht so schnell.“

Hamburger Ehrenamtlicher seit 40 Jahren im freiwilligen Katastrophenschutz

Von der Sache mit den Erinnerungen im Kopf kann auch Holger Grinnus ein Lied singen. Der mittlerweile pensionierte Polizist ist seit 20 Jahren ehrenamtlich bei der BRH-Rettungshundestaffel tätig, insgesamt hilft er seit 40 Jahren im freiwilligen Katastrophenschutz. „Für uns zählt jeder einzelne Mensch“, sagt der 63-Jährige, der schon viele Katastrophen in vielen Ecken und Enden dieser Welt miterlebt hat. In Haiti, Indonesien, in Rumänien – und vor vier Monaten in der Türkei.

Als am 6. Februar zwei starke Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschütterten, wusste Grinnus nach wenigen Stunden, dass seine Hilfe gefragt ist. Bereits am nächsten Morgen saßen er und seine Frau Martina, die ebenfalls ehrenamtlich bei der Rettungshundestaffel tätig ist, im Flugzeug, um in den kommenden zehn Tagen in Kirikhan in der stark betroffenen Gegend Hatay zu helfen.

Beim verheerenden Erdbeben sollen 51.000 Menschen gestorben sein

51.000 Menschen sollen bei dem verheerenden Erdbeben ums Leben gekommen sein, doch unzählige Verschüttete konnten auch noch gerettet werden. „Bei jedem Menschenleben, das man rettet, weiß man, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat“, sagt Grinnus, dessen Team sogar nach sechs Tagen noch Lebende aus den Trümmern bergen konnte. Seine eindrucksvollste Erinnerung: Die Rettung einer alten Dame, die mehr als 50 Stunden eingeklemmt war und diesen Einsatz trotzdem überlebte.

Die Naturkatastrophe in der Türkei und in Syrien sei auch ihm noch immer frisch im Gedächtnis, betonte auch Grote am Abend. „Durch den Einsatz von Hundeführern konnte wertvolle Hilfe bei der Suche nach Verschütteten geleistet werden.“

DRK-Fahrer fuhr Versorgungs-Lkw mitten im Krieg bis nach Kiew

Um Leben und Tod ging es auch für Patrick Stark im vergangenen Sommer. Der ehrenamtliche Helfer des Deutschen Roten Kreuzes bot seine Dienste im Kriegsgebiet der Ukraine an. Vier Wochen lang ließ sich der Busfahrer von der Hochbahn von seinem Job befreien, um ehrenamtlich Hilfsgüter und Versorgungs-Lkw nach Kiew zu fahren. Viermal fuhr er dabei von Ungarn über Rumänien in die West-Ukraine – und von dort bis in die Hauptstadt.

„Der verbrecherische Angriff Russlands auf die Ukraine“ habe nicht nur zu großer Hilfsbereitschaft in Hamburg, insbesondere für die Kriegsflüchtlinge, geführt, sagte Grote. „Er hat auch ein direktes Engagement in der Ukraine ausgelöst. Viele Hilfslieferungen fanden den Weg in Richtung Ukraine und wurden zum Teil auch bis in das im Krieg befindliche Land gebracht, trotz aller mit dem Krieg verbundenen Gefahren.“

Furcht hatte Patrick Stark trotz dieser Gefahren keine. „Auch die Menschen vor Ort hatten keine Angst“, sagt der DRK-Helfer. „Dabei konnte man rund um Kiew sehen, wie zerschossen manche Nachbarschaften waren. Aber man konnte den Ukrainern ansehen, dass sie trotz des Kriegs sich nicht entmutigen lassen wollten und ihr Leben weiterleben wollten. Das fand ich unheimlich beeindruckend.“

Ziemlich beeindruckend fand auch Innensenator Grote, was die von ihm geehrten 43 Helfer und Helferinnen im Ausland alles geschafft haben. „Wir schulden Ihnen dafür Respekt und Anerkennung“, sagte Grote, der allen Anwesenden die Auslandsverwendungsmedaille verlieh. „Sie können wirklich sehr stolz sein auf das, was Sie geleistet haben!“

Polizei und DRK: Hamburger können sich weitere Auslandseinsätze vorstellen

Für die meisten Geehrten war klar, dass ihr Einsatz keine einmalige Sache sein soll. „Mir macht meine Aufgabe großen Spaß – und ich freue mich auch darauf, wenn ich dann vielleicht wieder im kommenden Jahr einen Auslandseinsatz habe“, sagte Wasserschutzpolizist Birnbach. Auch Pensionär Grinnus und der gerade mal 34 Jahre alte Stark konnten sich vorstellen, ihre Hilfe erneut im Ausland anzubieten.

Zeit zum Feiern blieb nach dem festlichen Senatsempfang im Rathaus allerdings nicht. „Auch der ganz normale Job soll ja nicht vernachlässigt werden“, sagte Busfahrer Patrick Stark. Sein Wecker wird in der Nacht zum Mittwoch um 3 Uhr klingeln, um 4 Uhr morgens hat der Bergedorfer Dienstbeginn. „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.