Hamburg. Beim „Bündnisgipfel“ wirbt Bürgermeister Tschentscher für den Bau von Sozialwohnungen. Eine Bank bietet gute Konditionen.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sieht eine „Zeitenwende im Wohnungsbau“ gekommen. Zwar sei Hamburg mit 90.000 neu gebauten Wohnungen seit 2011 ein „ziemlich großer Erfolg“ gelungen und die Stadt baue immer noch mehr Wohnungen pro Einwohner als alle anderen deutschen Metropolen, sagte Tschentscher beim „Bündnisgipfel“ mit mehr als 100 Branchenexperten in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen.
Doch aktuell leide die Branche unter den hohen Baukosten und steigenden Zinsen von vier Prozent und mehr, weswegen nur noch wenige neue Projekte in Angriff genommen würden. Daher biete die städtische Investitions- und Förderbank (IFB) für geförderten Wohnungsbau Kredite zu 1,0 Prozent für 30 Jahre fest an, so der Bürgermeister, der an die versammelte Wohnungswirtschaft appellierte, dieses Angebot zu nutzen: Statt frei finanzierte Projekte gar nicht zu realisieren, sollten sie doch überlegen, in geförderten Wohnraum umzuschichten. Auch so könne man eine Rendite erzielen, „die solide ist“, so Tschentscher.
Mieten Hamburg: Tschentscher will auch mehr Betriebswohnungen für Angestellte
Zweitens rief der Bürgermeister dazu auf, den Fachkräfte- und den Wohnungsmangel zusammen zu denken und mehr Betriebswohnungen zu errichten. Unternehmen wie die Haspa und Budnikowsky würden dies bereits tun. „Wohnungen sind ein Standortvorteil“, bestätigte Budni-Geschäftsführer Cord Wöhlke. Sein Unternehmen finde keine Azubis mehr, weil die keine bezahlbare Wohnung fänden – also baue man die Wohnungen selbst.
Hamburg habe auch noch ausreichend Flächen zur Verfügung, etwa an den Magistralen, sagte Tschentscher. Entlang dieser Hauptverkehrsstraßen will die Stadt verstärkt dafür sorgen, dass Flächen effizienter genutzt werden als zum Beispiel für eingeschossige Discounter. Der Bürgermeister stellte jedenfalls klar: „Wir wollen in Hamburg weiter bauen, wir brauchen Wohnungen.“
Immobilienwirtschaft ärgert sich über lange Bearbeitungszeit von Bauanträgen
Eindringlich warnte Tschentscher daher vor schlechter Stimmung. Dass die Erteilung von Baugenehmigungen immer mehr Zeit benötige, wie das Abendblatt am Montag berichtet hatte, sei „unwahr“, sagte Tschentscher. Die Bezirksämter würden „sehr energisch“ daran arbeiten. Allerdings hatte sein Senat selbst auf Anfrage der CDU genau das mitgeteilt: Ob ab Einreichung des Bauantrags oder ab Vollständigkeit der Unterlagen, ob im vereinfachten oder bei komplexeren Verfahren – in allen Bereichen steigt die Bearbeitungszeit kräftig.
Vertreter der Immobilienwirtschaft bestätigten dies auf dem Gipfel. So sagte Bauunternehmer Stefan Wulff: „Es kann nicht sein, dass man 19 Wohnungen im gültigen B-Plan bauen will und 18 Monate auf die Baugenehmigung wartet.“ Zwar helfe Bau-Staatsrätin Monika Thomas bei kniffligen Lagen gern weiter, aber man könne doch nicht wegen jedes kleinen Problems zur Staatsrätin laufen. Seine Forderung an die Verwaltung: „Tempo machen!“
Wohnungsbau als Kapitalanlage: „Dieses Geschäft ist komplett weg“
Ohnehin waren aus der Immobilienwirtschaft eher Moll-Töne zu vernehmen. So verwies Jan Petersen vom Bauunternehmen Aug. Prien darauf, dass in den vergangenen Jahren jeweils mehr als eine Milliarde Euro von Kapitalanlegern in den Hamburger Wohnungsbau investiert worden sei: „Dieses Geschäft ist komplett weg, das gibt es nicht mehr.“ Und Jan Behrendt (Behrendt Gruppe) sagte: „Die Kunden haben keine Kaufkraft mehr. Wir haben 50 bis 60 Prozent unserer Projekte zurückgestellt.“ Helfen könnte eventuell eine neue Förderung für den frei finanzierten Wohnungsbau.
Die hatte IFB-Chef Ralf Sommer im Angebot: Die Stadt habe nicht nur ihren Subventionsbarwert für geförderten Wohnraum auf 740 Millionen Euro im Jahr mehr als verdoppelt. Die städtische IFB habe auch günstige Darlehen für Familien und andere private Bauherren im Angebot: Bis zu 100.000 Euro gebe es aktuell zu 2,0 Prozent.
Stadtentwicklungssenatorin Pein sagt: In Hamburg gibt es zu wenig Leerstand
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) bekräftigte das Ziel, 10.000 Wohnungen pro Jahr zu genehmigen. Denn bei einer Leerstandsquote von 0,4 Prozent gebe es in Hamburg „zu wenig Bewegung am Markt“, sodass Wohnungssuchende kaum Angebote fänden. „Wir brauchen Wohnungsneubau, um Fluktuation im Markt zu haben“, so Pein. Da in den kommenden Jahren aber weniger Wohnungen fertig würden als zuletzt, müsse man flächeneffizienter bauen und den Bestand so umbauen, dass er besser zum Bedarf passe.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) lobte Hamburgs Wohnungsbündnis als „Vorbild für den Bund“ und rief dazu auf, nicht nachzulassen: Wenn die Zeiten schwieriger werden, aber der Wohnungsbedarf nicht geringer, dürfe man sich nicht von seinen Ziele verabschieden, sondern müsse „die Anstrengungen erhöhen“. Auch sie will Sozialwohnungen stärker fördern, der Bundestopf sei auf 14,5 Milliarden Euro erhöht worden: „Es ist wichtig, dass nicht irgendeine Wohnung gebaut wird, sondern die muss zum Bedarf passen.“
Hamburgs „Bündnis für das Wohnen“ gilt bundesweit als Vorbild
Das „Bündnis für das Wohnen“ zwischen Senat, Immobilienwirtschaft und Bezirksämtern war 2011 unter Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ins Leben gerufen worden, um den Wohnungsbau anzukurbeln – mit Erfolg. Insgesamt 90.000 neue Wohnungen wurden seitdem fertiggestellt, anfangs 6000 pro Jahr, später sogar 10.000.
- Einbruch bei Bauanträgen – aber Bearbeitungszeit steigt
- In diesen Stadtteilen sind Mieten noch überraschend niedrig
- Hamburg will Wohnungsbau ankurbeln – mit niedrigen Zinsen
Hamburg galt damit bundesweit als Vorbild, auch weil die Mieten hier nicht ganz so rasant stiegen wie in anderen Metropolen. Vergangene Woche stellte die Wohnungswirtschaft eine aufwenige Studie vor, wonach die tatsächliche Nettokaltmiete in der Hansestadt bei 8,71 Euro pro Quadratmeter liegt, während es laut Mietenspiegel 9,29 Euro sind.
Sozialverband: Familien und Pensionäre finden in Hamburg keine passende Wohnung
Für den Sozialverband SoVD Hamburg ist die Studie kein Grund zum Jubeln. „Erzählen Sie das Ergebnis der Studie mal einer vierköpfigen Familie, die seit Monaten eine größere Wohnung in Hamburg sucht“, sagte der SoVD-Landesvorsitzende Klaus Wicher. „Ich kenne auch keinen älteren Menschen mit geringer Rente, der für diese Familie Platz machen könnte, weil er eine 50-Quadratmeter-Wohnung in Hamburg für rund 435 Euro Nettokaltmiete gefunden hat und deshalb seine große Wohnung im Wohnungstausch zur Verfügung stellen kann.“
Auch Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei in der Bürgerschaft, übte Kritik: „Die Selbstgefälligkeit des Bündnisses ist absolut nicht gerechtfertigt. Drei Viertel der 90.000 seit 2011 entstandenen Neubauwohnungen sind teuer und für mehr als die Hälfte der Hamburger Haushalte nicht zu bezahlen. Die Mieten sind extrem angestiegen.“