Hamburg. Studie belegt Folgen von Wetter und Klimawandel für Schwangere und Babys. Wer einen Jungen erwartet, trägt noch ein weiteres Risiko.
Wenn man sich die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen in Deutschland und in Hamburg im Besonderen ansieht, kommt man schnell auf die drängendsten Probleme: Ältere leiden besonders unter anhaltender Hitze, das Risiko für einen körperlichen Kollaps ist bei ihnen am größten.
Patienten mit Vorerkrankungen und Demente sowie an Parkinson Erkrankte oder Menschen mit Multipler Sklerose haben eine noch mal erhöhte Wahrscheinlichkeit für Notsituationen, wie zuletzt Dr. Charlotte Schubert vom UKE bei einer Diskussion über die Folgen der Erderwärmung sagte.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe zuletzt von 15.000 zusätzlichen Hitzetoten gesprochen. „Bei Überwärmung wird der Körper vor Herausforderungen gestellt, das Herz, die Nieren, die Gefäße. Das Blut sackt in die Peripherie, der Körper versucht dagegen anzugehen. Da wird an anderen Orten gespart. Wir sehen, dass die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle steigt“, so Schubert.
Schwangere in Hamburg: Risiko für Frühgeburt könnte steigen
Ihre Kolleginnen um Prof. Petra Arck haben nun in einer Studie über Schwangere am UKE nachgewiesen, dass anhaltende Hitze das Risiko für späte Frühgeburten deutlich erhöht. Der Hitze-Stress für Schwangere ist also mehr als ein subjektives Empfinden, er ist mit seinen Folgen in Zahlen und Daten messbar und wirkt sich auf die Babys aus.
Arck, Prof. Anke Diemert und ihr Team haben aus anonymisierten Akten von 42.000 Patientinnen am UKE der vergangenen 20 Jahre und Messdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) einen beunruhigenden Trend festgestellt. Er solle zum Umdenken bewegen, sagte Diemert dem Abendblatt. Denn Schwangere seien eine vulnerable, eine verletzliche Gruppe. Das müsse man gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels auch in einer Stadt in den gemäßigten Breiten wie Hamburg begreifen.
In der Studie, die hier online einzusehen ist, ging es um die Monate zwischen März und September und um die errechneten sowie dann tatsächlichen Geburtstermine der Schwangeren. Hitze von 30 Grad Celsius führte zu einem Anwachsen des Frühgeburtsrisikos um 20 Prozent, bei mehr als 35 Grad kann demnach dieses Risiko sogar um 45 Prozent steigen.
Arck sagte: „Auffällig war, dass die werdenden Mütter ein bis zwei heiße Tage offensichtlich überbrücken konnten. Folgte aber ein dritter, vierter, fünfter Tag ohne Abkühlung, setzten vermehrt vorzeitige Wehen ein. Und zwar besonders dann, wenn eine hohe Luftfeuchtigkeit das gefühlte Wärmeempfinden noch erhöhte.“
Wetter Hamburg: Hitze setzt werdende Mütter und Babys unter Stress
Die gerade mit heftigem Gewitter beendete lange Sommerperiode im Juni dürfte Hamburgs Schwangeren also zugesetzt haben. Nimmt man sich die Klimaprognosen für die kommenden Jahre vor, könnte in zehn Jahren fast jedes sechste Kind zu früh geboren werden, ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Frauenärztinnen. Das wäre eine Verdoppelung zu heute. Eine „späte Frühgeburt“ nennt man ein Kind, das in der 34. bis 37. Schwangerschaftswoche kommt.
Diemert sagte: „Eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche geht mit einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Probleme im späteren Leben einher – hier zählt jeder Tag.“ Folgen einer Frühgeburt könnten nach verschiedenen Studien sein: Konzentrationsstörungen, schlechtere Schulleistungen, ein höheres Risiko für Infektionen, Allergien, Asthma und Übergewicht.
Das müsse nicht geschehen, sagte Diemert, die auf keinen Fall Schwangere beunruhigen will. „Es geht hier nicht um Leben und Tod, aber bei einer späten Frühgeburt muss möglicherweise das Baby in ein Wärmebett und wird von der Mutter getrennt. Das ist eine Patientinnengruppe, die untererforscht ist.“
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In der Studie wurden die Frauen nicht mitgezählt, bei denen die Ärzte aufgrund von Infektionen oder anderen Gründen eine frühere Geburt per Kaiserschnitt eingeleitet haben. Es wurden Frauen berücksichtigt, die in Hamburg im Umkreis von zehn Kilometern um das UKE wohnen, also quasi auch genau in dem Mikroklima leben, das für eine frühere Geburt mitverantwortlich ist.
Schwangerschafts-Diabetes: Bei Jungen ein größeres Risiko
Anhaltende Hitze ist deshalb für Hamburgs werdende Mütter so stressig, weil der Bauch auf die Hauptvene drücke und am Herzen nicht mehr so viel Blut ankomme, wie die Wissenschaftlerinnen schreiben. Die Blutgefäße weiten sich „und verstärken diesen Effekt“.
Eine hitzebedingte Gefäßerweiterung sei gleichfalls in der Gebärmutter zu beobachten, „die für die Versorgung des heranwachsenden Babys mit Sauerstoff und Nährstoffen“ verantwortlich sei. Die Ratschläge sind deshalb: Schwangere zwischen der 34. und 38. Schwangerschaftswoche sollten bei Hitze die Sonne meiden, viel trinken und sich in klimatisierten Räumen aufhalten.
Prof. Diemert wies zudem auf ein vorgeburtliches „Risiko“ hin, das bislang vernachlässigt wurde, aber nun bereits in den Leitlinien der Behandlung angekommen sei. So gebe es Anzeichen dafür, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschafts-Diabetes höher ist, wenn das Kind im Bauch ein Junge wird. Die werdende Mutter passt sich in ihrer Abwehr von Krankheitserregern, Bakterien und Viren („immunologische Anpassung“) anders an, als wenn es ein Mädchen wäre.