Hamburg. Globale Erwärmung führt zu neuen Infektionskrankheiten. Hamburger Notaufnahmen könnten sich füllen wie bei Marathon oder Schlagermove.

Der Klimawandel und die globale Erwärmung tragen dazu bei, dass sich inzwischen auch die Asiatische Tigermücke in unseren Breiten heimisch fühlt. Ein Stich hier oder da ließe sich verkraften oder mit dem richtigen Insektenmittel verhindern. Allerdings ist diese gemeine Tigermücke in der Lage, Infektionskrankheiten des globalen Südens wie das Dengue-Fieber nach Hamburg zu bringen. Und das ist dann alles andere als eine erwünschte Bereicherung des norddeutschen Tierlebens.

Der Virologe Professor Jonas Schmidt-Chanasit (Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin) sagte bei einer Diskussionsrunde der Akademie der Wissenschaften in Hamburg: „Je wärmer es ist, desto besser kann sich das Virus in der Tigermücke vermehren.“ Es könne viel schneller zu größeren Ausbrüchen und Epidemien kommen. Wie eng der Klimawandel und die Gesundheit der Menschen in Hamburg zusammenhängen, bekräftige Akademie-Präsident Prof. Mojib Latif: „Als Hamburger Jung hätte ich mir nie träumen lassen, dass wir mal mehr als 40 Grad Temperatur haben werden.“ Diese Marke wurde 2022 geknackt: mit 40,1 Grad in Neuwiedenthal.

Klimawandel und Gesundheit: Diese Folge erleidet Hamburg

Latif mahnte, dass die weltweiten Emissionen aus Treibhausgasen immer noch stiegen. „Und nur auf die kommt es an. Und seit Corona wissen wir, dass unser Gesundheitssystem gestresst ist.“

Dieser Stress im Zusammenspiel von neuer Hitze, Insekten mit Migrationshintergrund und Hamburger Befindlichkeiten hatte bereits Schmidt-Chanasits Kollege Egbert Tannich vor beinahe zehn Jahren in einer Studie für das Umweltbundesamt beschrieben: „Auswirkungen des Klimawandels auf die Verbreitung krankheitsübertragender Tiere: Importwege und Etablierung invasiver Mücken in Deutschland“ hieß sie. Offenbar brauchte es ein paar Jahre und eine Corona-Pandemie, ehe das allgemeine Bewusstsein für diese Kausalketten stieg.

Wie Hitze auf den Körper wirkt: „Blut sackt ab“

Doch nicht einmal jetzt scheint sich auch in der ärztlichen Welt die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass gesundheitliche Krisen von Patientinnen und Patienten unmittelbar mit dem Klimawandel zu tun haben. Die Ärztin und Expertin für Gesundheitskommunikation, Dr. Parichehr Shamsrizi, sagte, das müsse sich auch bei Hausärztinnen und Hausärzten festsetzen.

Dr. Charlotte Schubert (UKE) sagte, Patienten mit Vorerkrankungen wie Demenz, Parkinson oder Multipler Sklerose litten besonders an diesen Hitze-Ausschlägen nach oben. Die Weltgesundheitsorganisation habe zuletzt von 15.000 zusätzlichen Hitzetoten gesprochen. „Bei Überwärmung wird der Körper vor Herausforderungen gestellt, das Herz, die Nieren, die Gefäße. Das Blut sackt in die Peripherie, der Körper versucht dagegen anzugehen. Da wird an anderen Orten gespart. Wir sehen, dass die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle steigt.“

Ihr UKE-Kollege Prof. Götz Thomalla (Neurologie) sagte, man habe sich darauf eingerichtet, in bestimmten Zeiten ein höheres Patientenaufkommen zu haben. Er und Schmidt-Chanasit wiesen darauf hin, dass man sich um sozial Schwache besonders kümmern müsse, denn bei ihnen sei diese für alle Individuen unselige Botschaft des Klimawandels oft noch nicht angekommen. „Wenn wir diese Menschen in der Notaufnahme sehen, ist es zu spät“, so Thomalla.

Notaufnahme am UKE: Wie beim Marathon oder Schlagermove

Mittlerweile habe sich das UKE darauf eingestellt, dass an Hitzetagen die „Kundschaft“ immer größer werde. „In der Notaufnahme sieht es dann aus wie beim Marathon, wenn die Hobbyläufer kollabieren, oder wie beim Schlagermove.“ Für ihn sei es eine banale, wenn auch keine allgemein akzeptierte Erkenntnis: „Die Luft wäre besser, wenn wir ein Tempolimit hätten. Und dann wäre die Gesundheit vieler Menschen besser.“

Vom großen Ganzen des Klimawandels bis zur Verhaltensänderung Einzelner ist der Schritt augenscheinlich größer, als man zugeben mag. Beim schon buchstäblichen Flug nach Bali und der Doppelmoral mutmaßlicher Klima-Aktivisten oder dem Verteidigen eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen mögen einige ins Grübeln kommen. Kommunikations-Expertin Shamsrizi berichtete von ihrer Arbeit in einer Impfeinrichtung. Dort hätten Patienten gesagt, für eine der angebotenen Impfungen aus Altersgründen kämen sie nicht in Frage. „Wir sind doch noch nicht alt.“ Sie habe entgegnet: „Meinen Sie nicht, mit Mitte 80 könnten Sie jetzt darüber nachdenken?“

Die Diskussion der Akademie der Wissenschaften zur zeitgemäßen medizinischen Versorgung angesichts des Klimawandels ist am Freitag ab 21 Uhr bei NDR Info zu hören.