Hamburg. Wer für die Stadt arbeitet, muss nach Tarif bezahlen. DGB fürchtet Aushebelung durch neues Gesetz. Was der Senat sagt.

Zwischen dem rot-grünen Senat und den DGB-Gewerkschaften ist ein heftiger Streit um die Frage entbrannt, inwiefern städtische Auftragnehmer ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen müssen. In einer gemeinsamen Mitteilung werfen die Gewerkschaften dem Senat vor, diese „Tariftreue“ mit einem neuen Vergabegesetz zu unterlaufen.

Die Hamburger DGB-Vorsitzende Tanja Chawla kritisiert insbesondere, dass in dem am Dienstag beschlossenen „Vorschaltgesetz zum Vergabegesetz“ festgelegt werde, dass erst ab Auftragssummen von 100.000 Euro für Dienstleistungen und 150.000 Euro für Bauleistungen das Vergabegesetz überhaupt greifen soll. „Die Festlegung von diesen Vergabegrenzen ist aus unserer Sicht ein No-Go, denn sie sind derart hoch, dass sie das Vergabegesetz quasi direkt wieder aushebeln“, sagt Chawla.

Gewerkschaften: Senat mogelt mit neuem Gesetz bei der Tariftreue

„Wir fordern, dass Hamburg sich an den bundesweiten Schwellenwerten orientiert, die sich im unteren fünfstelligen Bereich bewegen. Nur so können soziale und nachhaltige Kriterien ernsthaft verfolgt werden“, so die Vorsitzende des DGB Hamburg.

Auch Silke Kettner von der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) ging hart mit Rot-Grün ins Gericht: „Bleibt die Latte für die öffentliche Auftragsvergabe bei 100.000 Euro plus X liegen, macht der Senat damit eines deutlich: Soziale und ökologische Kriterien sind der Hamburger Regierung völlig egal.“

Aus Sicht von Frank Maur, Geschäftsstellenleiter der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), ist das ganze Vorschaltgesetz überflüssig. Auch Sandra Goldschmidt, Landesleiterin der Gewerkschaft ver.di, sagt, sie könne auf dieses Gesetz „gut verzichten“.

Alexander Kahl, Mitglied im Bezirksvorstand der IG BAU, ging noch weiter: „Wir lehnen das sogenannte Vorschaltgesetz strikt ab. Das Argument des Bürokratieabbaus ist nur vorgeschoben, stattdessen soll doch nur versucht werden, die hohen Schwellenwerte durch die Hintertür ins Vergabegesetz zu mogeln.“

Hamburg schreibt jährlich Liefer- und Dienstleistungsaufträge über 340 Millionen Euro aus

Aus der Finanzbehörde heißt es hingegen, es handele sich um ein Missverständnis. Das Vorschaltgesetz solle nur kurzfristig helfen, die Handlungsfähigkeit der städtischen Vergabe-Dienststellen sicherzustellen, nachdem sich die Anzahl der Vergabeverfahren mit einem Auftragswert ab 100.000 Euro von 2014 bis 2020 fast verdoppelt habe.

„Um die Vergabedienststellen zu entlasten, ziehen wir nun in einem Vorschaltgesetz Erleichterungen vor und entbürokratisieren im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen unter 100.000 Euro“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „In einer Zeit, in der wir als Stadt auch unter Auftragnehmer-Mangel leiden, ist das besonders wichtig.“ Hamburg schreibe jährlich Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Volumen von 340 Millionen Euro aus.

Diese Erleichterungen seien aber „explizit keine Präjudizierungen für die geplanten Tariftreue-Regelungen“, so Dressel. Diese wolle man „gemeinsam mit den Gewerkschaften im Herbst noch in das Vergaberecht einfügen. Das Thema Tariftreue habe man in diesem Gesetz bewusst ausgeklammert, da man auf eine angekündigte Regelung des Bundes warte, um „eine möglichst bundeseinheitliche Lösung“ zu finden.