Hamburg. Senat will Vergaberecht ändern. Unternehmen sollen zur Zahlung von Tariflöhnen verpflichtet werden. Was Gewerkschaften noch fordern.

Straßen neu asphaltieren, Brücken reparieren, Schulgebäude bauen oder Polizeiautos anschaffen – die Stadt Hamburg und ihre öffentlichen Unternehmen vergeben jedes Jahr Aufträge in Milliardenhöhe. Allein der „Kleinkram“ wie Sicherheits- und Reinigungsleistungen oder Bestellung von Bürobedarf belief sich zuletzt auf 340 Millionen Euro im Jahr.

Dabei soll künftig noch stärker darauf geachtet werden, dass die beauftragten Firmen ihre Mitarbeiter auch ordentlich bezahlen – konkret: nach Tariflohn. Dafür hat der Senat am Dienstag eine Reform des Vergabegesetzes beschlossen, die nun mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften diskutiert werden soll. Ziel ist es, dass das neue Gesetz noch dieses Jahr in Kraft tritt.

Wer öffentliche Aufträge will, soll nach Tarif bezahlen

„Unsere Erwartung ist damit im Grundsatz klar: Wer öffentliche Aufträge will, soll nach Tarif bezahlen“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Was einfach klingt, stellt sich in der Praxis jedoch als kompliziert heraus. Denn wie der promovierte Jurist Dressel erläuterte, dürfe die Stadt nicht einfach ihren Auftragnehmern vorschreiben, wie sie ihre Mitarbeiter zu entlohnen haben. Ebenso wenig dürfe sie Bieter aus solchen Gründen von Vergabeverfahren ausschließen.

Daher gehe man einen Umweg und nehme „Mindestentgelte“ in die Vergabeverordnung auf. Die Regelungen aus Tarifverträgen, wie welche Leistung zu entlohnen ist, werden also in die Verordnungen der Stadt übertragen – was auch bedeutet, dass diese regelmäßig angepasst werden müssen, wenn sie die Tarifverträge ändern.

Nur gut jedes vierte Unternehmen in Deutschland zahlt noch nach Tarif

Dennoch erhofft sich der Senat davon mehr Wirkung als von der bisherigen „Tariftreueerklärung“, mit der Bieter erklären müssen, dass sie sich an Tarifverträge oder aber – falls es keine gibt – an den bundesgesetzlich festgesetzten Mindestlohn halten.

„Wir müssen die Tarifflucht stoppen“, sagte Dressel, „dabei muss der Staat als Vorbild vorangehen.“ Das sehen die Gewerkschaften naturgemäß ähnlich. Auch Hamburgs neue Ver.di-Vorsitzende Sandra Goldschmidt hatte kürzlich im Abendblatt-Gespräch die schwindende Tarifbindung beklagt. Gemessen an den Beschäftigten ging sie in den vergangenen beiden Jahrzehnten von knapp 70 auf nur noch gut 50 Prozent zurück. Gemessen an den Betrieben von 44 auf 26 Prozent. Nur gut jedes vierte Unternehmen in Deutschland zahlt also noch nach Tarif.

Stadt will mehr Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderung vergeben

Das neue Hamburger Vergabegesetz solle zudem sozialer, effizienter und krisensicherer werden, sagte Dressel. Ziel sei unter anderem, dass mehr Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderung vergeben werden und Aufträge im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen mit einem Wert von weniger als 100.000 Euro unbürokratischer vergeben werden können. Im Gegenzug werden die bisherigen vier zentralen Vergabestellen und 22 Beschaffungsstellen zu fünf „Beschaffungs- und Vergabecenter“ zusammengefasst.

Auf Gewerkschaftsseite stößt der Senatsbeschluss auf Zustimmung: „Es ist wichtig und richtig, dass sich der Senat die Tariftreue bei seinen öffentlichen Vergaben explizit ins Gesetz schreibt“, sagte Tanja Chawla, Vorsitzende des DGB Hamburg. „Es darf nicht länger sein, dass Kollegen und Kolleginnen auf öffentlichen Baustellen nur den Mindestlohn bekommen und nicht Löhne entsprechend der gültigen Tarifverträge. Die Lohnhöhe darf nicht zum Wettbewerbskriterium werden und damit Standards unterhöhlen.“

DGB: Tarifverträge dürfen nicht zum Spielball werden

Allerdings forderte sie den Senat auf, einige Gesetzesformulierungen deutlich schärfer zu fassen: „Insbesondere die Anwendung der branchenspezifischen Tarifverträge muss fest verankert werden und die Gefahr ausschließen, je nach politischer Konstellation zum Spielball zu werden.“