Hamburg. Die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete gilt als isoliert, viele würden sie gern loswerden. Warum die 41-Jährige so mächtig ist.
Aus jeder anderen Partei wäre Olga Petersen vermutlich bereits rausgeflogen. Die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete liegt in zentralen politischen Fragen wie der Bewertung des russischen Angriffskriegs über Kreuz mit ihrem Landesverband und ignoriert einen wichtigen, sie betreffenden Beschluss des AfD-Landesvorstands. Und vor allem: Petersen kooperiert mit zwei Ex-AfD-Mitgliedern, von denen der eine ausgeschlossen wurde und der andere vor drei Jahren ausgetreten ist. Sie betreibt also gewissermaßen Oppositionspolitik gegen die eigene Partei.
Die 41 Jahre alte, im russischen Omsk geborene medizinische Fachangestellte, die der Bürgerschaft seit 2020 angehört, gilt mittlerweile als völlig isoliert in ihrer Fraktion. Vorläufiger Höhepunkt: Petersen kassierte eine Abmahnung des AfD-Landesvorstands. Grund war ein Interview, das die Russlanddeutsche dem russischen staatseigenen TV-Propaganda-Sender „Rossija-1“ gab.
AfD Hamburg: In der Fraktion gilt Olga Petersen als völlig isoliert
Die AfD-Abgeordnete warnte ihren Gesprächspartner, der für die Putin-Unterstützer-Partei „Einiges Russland“ in der Duma sitzt, sich nicht auf Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu verlassen, keine Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Petersen kritisierte auch die Strategie der Bundesregierung, auf russisches Gas zu verzichten. Wichtig sei es ihrer Ansicht nach, dass Deutschland Energie möglichst billig importiere, und verwies deswegen auf Gas aus Russland.
Petersen hatte ihre Fraktion nicht vorab über das Interview informiert. Die Abmahnung gründet sich darauf, dass sie als Bürgerschaftsabgeordnete nicht die Befugnis habe, sich zu außenpolitischen Angelegenheiten zu äußern. In der Abmahnung wurde aber auch auf die Beschlusslage der Bundes-AfD verwiesen, nach der das Vorgehen Russlands gegen die „territoriale Integrität der Ukraine“ uneingeschränkt verurteilt werde. Für mehr als Stirnrunzeln sorgte in der Fraktion auch, dass Petersen 2021 als Wahlbeobachterin nach Russland reiste und die „Transparenz“ der Duma-Wahl lobte.
Olga Petersen kassierte eine Abmahnung des AfD-Landesvorstands
Tiefgreifender ist ein weiterer Konflikt zwischen Olga Petersen auf der einen sowie der Parteispitze und der Fraktion auf der anderen Seite. Die Bürgerschaftsabgeordnete ist zusätzlich auch noch Mitglied der Bezirksversammlung Harburg. Solche Doppelmandate sind rechtlich zulässig, werden aber ausgesprochen selten wahrgenommen, schon wegen der zweifachen Arbeitsbelastung bei ernsthafter Ausübung.
Petersen rückte im Februar 2021 für ein AfD-Mitglied, das sein Mandat aus beruflichen Gründen niedergelegt hatte, in die Bezirksversammlung nach. Nun wird die Geschichte etwas kompliziert, muss aber erzählt werden: In der bestehenden, nunmehr vierköpfigen AfD-Fraktion gab es keine Mehrheit für die Aufnahme des AfD-Mitglieds Olga Petersen. Schon damals gab es die Querelen zwischen ihr und der Bürgerschaftsfraktion. Entscheidend war aber ein anderer Punkt: Petersens Nähe zum rechtsextremistischen AfD-Fraktionschef im thüringischen Landtag, Björn Höcke.
AfD-Abgeordnete wird wegen ihrer Nähe zum Rechtsextremisten Höcke kritisiert
Petersen war mehrfach mit der Hamburger Frontfrau des einstigen Höcke-“Flügels“, Nicole Jordan, zusammengekommen und hatte Bilder der Treffen gepostet. Sie gab im Dezember 2020 einem weiteren, früheren Hamburger „Flügel“-Mann, Peter Wolfslast, ein langes Interview und ebenso dem rechtsextremistischen Online-Portal „PI-News“. Im August 2020 nahm die Abgeordnete an dem Aufmarsch in Berlin teil, bei dem versucht wurde, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Mit dabei waren „Reichsbürger“, Neonazis und NPD-Mitglieder.
„Wir wollen mit Leuten, die hinter Björn Höcke herlaufen, in Harburg nichts zu tun haben“, begründet der AfD-Bezirksabgeordnete Matthias Arft den damaligen Schritt. Petersen blieb also fraktionslos, bis sich die Lage Mitte 2021 radikal änderte: Die AfD-Abgeordneten Harald Groterjahn und Andreas Rüdiger traten aus der AfD-Fraktion aus. Und Groterjahn und Rüdiger, der der AfD nicht einmal mehr angehörte, taten sich ausgerechnet mit Olga Petersen zusammen. Zu dritt konnten sie eine Fraktion bilden mit Groterjahn als Vorsitzendem mit dreifacher Aufwandsentschädigung – etwa 1700 Euro monatlich steuerfrei.
Petersen folgte der Aufforderung der Parteispitze nicht, ihr Bezirksmandat niederzulegen
Die „alten“ AfD-Abgeordneten Ulf Bischoff und Arft waren nun fraktionslos, während die drei Dissidenten Groterjahn, Rüdiger und Petersen ihre Fraktion „AfD Neu“ nannten. Im Juli 2022 verbot der AfD-Landesvorstand dem Trio, den Parteinamen zu benutzen. Ohne Erfolg: Auf der Website der Bezirksversammlung wird weiterhin die „AfD-Fraktion Neu“ geführt. In der AfD ist mittlerweile davon die Rede, Groterjahn, Rüdiger und Petersen, die als nicht übermäßig fleißig gelten, hätten eine „Beutegemeinschaft“ gebildet, um Diäten zu kassieren.
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Groterjahn ist mittlerweile rechtskräftig aus der AfD ausgeschlossen worden. Und Olga Petersen? Im Februar 2023 forderte der AfD-Landesvorstand sie auf, ihr Bezirksmandat niederzulegen. Ebenfalls ohne Erfolg. „Ich habe nicht vor, mein Bezirksmandat niederzulegen. Ich bin von den Bürgern gewählt“, sagt Petersen im Gespräch mit dem Abendblatt. Dass sie der AfD durch ihre Beteiligung an der AfD-Abspaltung schade, sieht sie nicht. „Mir ging es darum, dass es weiterhin eine Fraktion mit dem Namen AfD gibt“, sagt Petersen. Sie würde sich freuen, wenn die beiden fraktionslosen AfD-ler mit der „AfD Neu“ wieder eine Fraktion bilden würden. Das ist allerdings kaum vorstellbar.
AfD Hamburg: Wenn Petersen ausgeschlossen würde, verlöre die AfD Fraktionsstatus
Und ihr Verhältnis zum Rechtsausleger Höcke? „Björn Höcke ist ein Mitglied unserer Partei wie viele andere auch. Er kümmert sich um Thüringen, ich bin in Hamburg politisch aktiv. Im Übrigen äußere ich mich nicht über andere Parteikollegen“, sagt Petersen. Distanzierung klingt anders. Die vierfache Mutter steht in den Augen vieler AfD-ler außerhalb des bürgerlich-konservativen Spektrums, dem sich die Rechtspopulisten in Hamburg gern zurechnen.
Die Spitzen von Partei und Fraktion äußern sich nicht zum Fall Olga Petersen. Das seien interne Angelegenheiten, heißt es. Die 41 Jahre alte Politikerin hat Macht, und sie weiß das. Hinter ihr steht die russlanddeutsche Community, die für die AfD wichtig ist. Aber noch entscheidender ist: Wenn Petersen aus der sechsköpfigen Bürgerschaftsfraktion ausgeschlossen würde, verlöre die AfD den Fraktionsstatus. Weniger Geld und weniger politische Präsenz wären die Folgen. So kann Petersen wohl weiterhin im Rathaus in den Reihen der AfD sitzen und in Harburg gegen ihre Partei Politik machen. „Bei uns in der AfD ist einiges möglich“, sagt ein Insider.