Hamburg. Schüler werten Online-Anzeigen 2023 aus. In welchen Hamburger Stadtteilen man noch relativ günstig wohnen kann.

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Die Mieten in Hamburg steigen deutlich langsamer. So zumindest fällt das Ergebnis der jährlichen Untersuchung von Schülern des Gymnasiums Ohmoor aus. Mit 50 Cent pro Quadratmeter oder 3,6 Prozent mehr mussten Mieter Anfang 2023 bei einer Neuanmietung im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt rechnen.

Das ergab eine Auswertung von mehr als 8000 Wohnungsanzeigen in Hamburg und den Randkreisen auf der Online-Plattform immowelt.de sowie anderen Immobilienportalen. Als Untersuchungszeitraum nahmen die Schüler der Jahrgangsstufe elf des Wahlkurses Geografie dabei den gesamten Januar und Februar in den Blick. Ist damit also endlich die langersehnte Entspannung auf dem Hamburger Mietmarkt in Sicht?

Analyse zeigt: Hamburger Mieten steigen deutlich langsamer

„Nein“, sagt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Ganz im Gegenteil: „Mieter werden aktuell bei einer Neuanmietung doppelt belastet.“ Zum einen durch die gestiegene Nettokaltmiete und zum anderen durch die hohen Energiekosten. Denn auch wenn die Mietpreise in diesem Jahr um fast die Hälfte angestiegen seien als im vergangenen Jahr, sei das kein Grund zum Jubeln.

Und das zeigt auch der durchschnittliche Mietpreis, den die Schülerinnen und Schüler ermittelt haben. Mit 14,75 pro Quadratmeter ist dieser immer noch verhältnismäßig hoch. Zum Vergleich: 2015 lag er bei 11,79 Euro und 2021 mit 13,40 Euro noch unter 14 Euro. Außerdem gibt es laut der Auswertung kaum noch eine Möglichkeit, den hohen Mieten auszuweichen, da diese selbst in den Hamburger Umlandkreisen um satte 4,3 Prozent gestiegen sind.

War Hamburg vor zehn Jahren noch um die Hälfte teurer als das Umland, ist es jetzt nur noch ein Drittel. Auch hier liegt bis auf den Landkreis Stade die Miete pro Quadratmeter mit 10,96 Euro kalt im Durchschnitt nur knapp unter 11 Euro.

Höchste Mieten in der HafenCity

Spitzenreiter unter allen Hamburger Stadtteilen ist die HafenCity mit 24,09 Euro pro Quadratmeter, gefolgt von Harvestehude mit 19,78 und Hohenfelde mit 19,09 Euro. Die Schüler führten dies vor allem auf die bestehende oder geplante Infrastruktur mit Anbindung an Bus und Bahn sowie den Faktor Familienfreundlichkeit durch Bildungseinrichtungen und Museen zurück. Mit knapp 27 Prozent sei der Anteil an Haushalten mit Kindern in der HafenCity bereits verhältnismäßig hoch.

Eine Stagnation der Miete beobachteten die Schülerinnen und Schüler hingegen in den Stadtteilen Steilshoop mit 8,45 Euro und Wilhelmsburg mit 11,68 Euro. Dies sei vor allem auf den hohen Anteil an Sozialwohnungen und eine im Vergleich schlechte Infrastruktur durch fehlende Bus- und Bahnanbindung zurückzuführen.

Untersuchung nur bedingt repräsentativ?

Doch auch wenn der Anstieg geringer ausfiel als im vergangenen Jahr, mahnt Bosse: „Die Mietsteigerung läuft in den meisten Fällen der Lohnsteigerung davon.“ Deshalb, so der Vorsitzende des Mietervereins, müsse die Hamburger Politik endlich die Mietpreisbremse verschärfen und „wirksame Sanktionen“ einführen. Zudem müsse „dieser Verdrängung durch Schaffung von neuem und Erhalt des vorhandenen bezahlbaren Wohnraums entgegengesteuert werden“.

Darauf setzt auch Ulf Schelenz, Geschäftsführer des Grundeigentümerverbands Hamburg: „Ich bin überrascht, dass der Mietpreisanstieg so moderat ausfällt, da viele Faktoren wie die Inflation oder hohe Zinsen die Menschen zum Mieten anstatt Bauen zwingen.“ Hamburg müsse aber trotzdem alles daran setzen, mehr Wohnraumangebote durch Neubauten zu schaffen. Darüber hinaus sei die Studie der Schüler auch nur bedingt repräsentativ, da es ein Großteil der zu vergebenen Wohnungen nicht auf den offiziellen Wohnungsmarkt schaffe. „Oftmals werden freie Wohnungen intern auf dem privaten Markt bereits vergeben. Das spart den Vermietern Zeit und Geld.“

Wohnungsmarkt: Bauen als Lösung gegen Wohnungsmangel

Auch Oliver Schirg, Sprecher des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen, sieht Bauen als eine potenzielle Lösung im Kampf gegen den Wohnungsmangel an. Doch selbst wenn das funktioniere, sieht Schirg keine Entspannung bei den Preisen. „Ich fürchte, wir müssen uns an die hohen Mietpreise gewöhnen.“ Im Gegensatz zu Barcelona, Paris und London seien die Hamburger Mietpreise sogar noch „moderat, auch wenn 14 Euro bereits erschreckend viel klingen.“

Um den hohen Preisen zu entgehen, rät Schirg auf Stadtteile wie Wilhelmsburg oder Harburg im Hamburger Süden auszuweichen und sich bei städtischen Anbietern wie der SAGA oder Genossenschaften zu bewerben.

Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft sieht in den Mietpreisen eine verfehlte Wohnungspolitik der rot-grünen Koalition: „Wieder zeigt sich, dass der Hamburger Senat mit seinen Versprechungen scheitert. Es gibt keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt, freiwerdende Wohnungen werden teuer weitervermietet.“ Mit einem Wohnungsbauprogramm, das jährlich mehr als zwei Drittel teure Wohnungen im Neubau entstehen lässt, würden die Mieten in Hamburg weiter in die Höhe getrieben. Dies lasse der Linken-Politikerin zufolge für den im November 2023 erscheinenden neuen Mietenspiegel nichts Gutes erahnen.

Zudem, so Sudmann, werde durch eine steigende Zahl von Indexmietverträgen und teilmöblierten Mietwohnungen die Not der Wohnungssuchenden ausgenutzt. „Alle Versuche, mit Mietpreisbremsen, Kappungsgrenzen oder anderen Maßnahmen den Mietenmarkt zu bändigen, haben sich als zu schwach erwiesen. Wer zulässt, dass Wohnungen wie eine Marktware gehandelt werden können, akzeptiert das Auspressen der Mieterinnen und Mieter.“