Hamburg. Bei der FDP in Hamburg ging es am Landesparteitag hoch her. Die neue Chefin geht ihre Aufgabe „wild entschlossen“ an.

Eines dürfte feststehen: Es ist keine leichte Aufgabe, die Sonja Jacobsen da angenommen hat. Doch das dürfte die 51-Jährige gewusst haben, als sie vor knapp drei Wochen ihre Kandidatur für den Parteivorsitz verkündete. Schließlich war sie da bereits Vizelandesvorsitzende.

Jetzt ist das „Vize“ Geschichte. Mit einer klaren Mehrheit von 147 der insgesamt 247 abgegebenen Stimmen wählten die Elbliberalen sie zu ihrer neuen Chefin.

„Ich bin wild entschlossen, dieses in mich gesetzte Vertrauen nun auch umzusetzen“, sagte Jacobsen dem Abendblatt am Sonnabend kurz nach der Wahl. Und das muss die bis dato Vizelandesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der Bergedorfer Bezirksfraktion auch sein, wie sich im Gebäude der Kassenärztlichen Vereinigung in Barmbek-Süd deutlich zeigte. Auch wenn die FDP ohnehin als eine der streitfreudigsten in der Hamburger Parteienlandschaft gilt, war die Debatte der Mitglieder zwischenzeitlich so aufgeheizt, dass sich die Mehrheit der Anwesenden spontan darauf verständigte, die Zeit der Redebeiträge einzugrenzen.

FDP Hamburg hat mit Sonja Jacobsen eine neue Landesvorsitzende

Schon die Begrüßung durch den bisherigen Landesvorsitzenden Michael Kruse ließ erahnen, dass der Tag keineswegs langweilig werden würde: „Mögen die Spiele beginnen“, sagte Kruse schmunzelnd zum Ende seiner Ansprache hin. Der 39-Jährige lobte die Entwicklung der Partei innerhalb der vergangenen zwei Jahre und ihr Anwachsen auf die „größte Hamburger FDP seit Anfang der 1980er-Jahre“.

„Wir haben einen Landesverband übernommen, der nach der vergangenen Bürgerschaftswahl etwas demoralisiert war und der neue Perspektiven brauchte. Wegen der Bundestagswahl hatten wir wenig Zeit, uns einzuarbeiten, und wir hatten uns große Ziele gesetzt“, so Kruse. Der Landesverband habe es aber geschafft, zwei Bundestagsabgeordnete zu stellen und dadurch Gestaltungsräume in der Bundesregierung dieses Landes zu bekommen. Dafür sei der 39-Jährige dankbar. Gleichzeitig verkündete Kruse aber auch, nicht mehr in die Landespolitik zurückkehren zu wollen – zu groß sei der aktuelle Zeitaufwand seines Bundestagsmandats als energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Innerparteiliche Querelen bestimmten Parteitag

Und das scheinen einige Mitglieder offenbar zu begrüßen. Während des Tagesordnungspunkts der Aussprache ergriffen zahlreiche Parteikollegen das Wort. Fast keiner ließ dabei aus, seine Unzufriedenheit über den Umgang mit innerparteilichen Querelen auszudrücken. So etwa über den Umgang mit der Auseinandersetzung zwischen vier Jungliberalen (JuLis) um den Ex-JuLi-Landeschef Carl Cevin-Key Coste und dem Landesvorstand mit Parteichef Michael Kruse, der in den Medien wochenlang für negative Schlagzeilen sorgte.

Nils Knoben, Vorstand der JuLis, attestierte dem gesamten Präsidium etwa, es nicht geschafft zu haben, den Hamburgerinnen und Hamburgern mit der FDP „eine echte liberale Perspektive aufzuzeigen – nicht inhaltlich, nicht organisatorisch und auch nicht kommunikativ.“ Deshalb, so Knoben, könne es „doch nicht die Lösung sein, einfach weiterzumachen, als wäre nichts passiert.“ Besonders im Hinblick auf die anstehenden Bezirks-, Europa- und Bürgerschaftswahlen brauche die Partei nun einen Neuanfang – sowohl personeller als auch inhaltlicher Natur.

Jacobsen setzte sich gegen Daniel Oetzel durch

Auch die fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein äußerte sich zu Wort. „Schön, dass wir uns hier wieder alle so gut verstehen“, meinte sie ironisch. Auf einem Wahlparteitag könne es zwar auch mal kritisch zugehen, ihrer Meinung nach werde die Hamburger FDP aber durch die FDP im Bund „an Rückenwind gewinnen“. Für die künftige Zusammenarbeit mit dem neuen Landesverband wünsche sich die Abgeordnete, dass es eine „etwas proaktivere, konstruktivere und ehrliche Zusammenarbeit wird“.

Neben Sonja Jacobsen hatte sich erneut auch Daniel Oetzel aus dem Bezirk Altona zur Wahl gestellt. Der 35-Jährige ist verheiratet, Lehrer an einer Stadtteilschule, war bis 2020 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Elbliberalen in der Bürgerschaft und verwies auf seine jahrelange Erfahrung im FDP-Landesvorstand. Oetzel fokussierte sich bei seiner Rede um den Vorsitz vor allem auf das Thema Bildungspolitik und appellierte, das liberale Profil der Partei „mit ihrer totalen sozialen Mobilität“ und „Selbstbestimmtheit aller Menschen“ zu schärfen.

Gegen Bewohnerparken und für schnelleren Wohnungsbau

Doch es reichte offenbar nicht. Auch wenn Oetzel im Vergleich zu seiner vergangenen Kandidatur gegen Kruse vor zwei Jahren auf einen höhren Stimmanteil kam, setzte sich Jacobsen am Ende gegen ihn durch. Auch die zweifache Mutter will sich für Chancengleichheit in der Bildung einsetzen, machte daneben aber ihren Standpunkt zum Thema Energiesicherheit, Wohnen, Klimaschutz und Wirtschaft klar.

Konkret stellte Jacobsen sich dabei etwa gegen die Position des rot-grünen Senats, Bewohnerparkzonen einzuführen, und kritisiert das Nicht-Vorankommen beim Wohnungsbau. „Wir müssen schneller und günstiger bauen, denn in Baugenehmigungen kann man nun mal nicht wohnen“, sagte sie. Auch sei es wichtig, Klimaschutz zu betreiben und CO2 einzusparen, entscheidend sei „aber doch nicht wo und wie.“

Darüber hinaus will Jacobsen sich als „passionierte Radfahrerin“ für den Ausbau und die Sanierung von Radwegen einsetzen.

Und auch für den Umgang mit den aktuellen und künftigen innerparteilichen Konflikten hat Jacobsen bereits eine genaue Vorstellung: „Ich habe mich gerade auf dem Weg durch die Gratulanten auf bestimmt fünf Bier verabredet mit Menschen, die mich wahrscheinlich nicht gewählt haben“, sagte Jacobsen. Es sei entscheidend, miteinander zu reden, um Konflikte zu lösen. „Wer mich kennt, weiß, dass ich sehr nahbar bin.“ Pflicht der Parteiführung sei es Jacobsen deshalb nach, „proaktiv zum Telefon zu greifen, wenn man Unzufriedenheit innerhalb der Partei registriert“.

Kruse zeigte sich mit der Wahl zufrieden. „Mit Sonja haben wir eine Frau mit enormer Führungsstärke im Vorstand, die auch das Potenzial hat, uns 2025 in Fraktionsstärke zurück in die Bürgerschaft zu führen.“

Als stellvertretende Vorsitzende wählten die Liberalen erneut Katharina Blume, Ria Schröder und Andreas Moring sowie erstmalig den Bürgerschaftsabgeordneten Sami Musa. Zum Schatzmeister wurde Gert Wölmann gewählt.