Hamburg. Volksinitiative legt Unterschriften zur Enteignung von Wohnungsfirmen vor. Doch Rot-Grün hat einen anderen Plan, um Mieter zu entlasten.

Es sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze, aber beide haben eines gemeinsam: Sie wollen dafür sorgen, dass das Wohnen auch in Hamburg bezahlbar bleibt. SPD und Grüne wollen dafür die erlaubten Mieterhöhungen weiter begrenzen – und haben dafür jetzt einen gemeinsamen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht.

Die Volksinitiative „Hamburg enteignet“ dagegen will erreichen, dass „die Wohnungsbestände (also der Grund und Boden mitsamt Gebäuden) großer Immobilienunternehmen in Hamburg zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum übergeführt werden“, sprich: Die Wohnungen großer privater Anbieter sollen verstaatlicht werden.

Mieten in Hamburg begrenzen: So soll es gehen

Die erste Hürde zu einem möglichen Volksentscheid hat die Initiative jetzt erreicht. Am Montagnachmittag übergaben ihre Vertreter nach eigenen Angaben mehr als 18.000 Unterschriften im Rathaus an die Senatskanzlei – deutlich mehr als die 10.000, die für den Start einer Volksinitiative nötig sind.

Die Initiatoren halten die „Wohnungspolitik des Hamburger Senats, die auf Neubau und Kooperation mit den Konzernen gesetzt hat“, für gescheitert. Die großen Wohnungsbauunternehmen seien keine zuverlässigen Partner.

„Mieten stark gestiegen, Zahl der Sozialwohnungen extrem geschrumpft“

„Seit 1999 sind die Mieten um fast 60 Prozent angestiegen. Die Anzahl an Sozialwohnungen hingegen ist seit den 1980er-Jahren um etwa 75 Prozent geschrumpft“, heißt es in der Begründung der Volksinitiative.

„Viele Immobilien in Hamburg liegen in den Händen privater Unternehmen, die mit steigenden Mieten und Spekulation mit Grund und Boden hohe Profite erzielen. Dieses Verhältnis kann durch Neubau allein nicht verändert werden. Damit der Wohnraum nicht mehr den Profitinteressen privater Unternehmen unterworfen ist, soll er unter demokratische Kontrolle gebracht werden.“

Die Bürgerschaft hat nun vier Monate Zeit, das Anliegen zu prüfen und ggfs. zu übernehmen – andernfalls kann die Initiative den Anlauf zur zweiten Hürde nehmen: dem Volksbegehren. Dafür müssten fünf Prozent aller Wahlberechtigten unterschreiben, derzeit um die 66.000.

Ist das Vorhaben der Initiative mit der Verfassung vereinbar?

Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass es so weit kommt. Der Senat dürfte zunächst vom Hamburger Verfassungsgericht prüfen lassen, ob das Volksbegehren mit der Verfassung vereinbar ist. Das gilt unter Experten als höchst fraglich – weil die Enteignung in dieser Form erstens Grundrechte berühren könnte. Zweitens müssten für die Verstaatlichung und die Folgekosten so viel Geld bewegt werden, dass damit massiv in das Haushaltsrecht der Bürgerschaft eingegriffen würde.

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte, man teile zwar mit der Initiative das Ziel, „Wohnen in Hamburg bezahlbarer zu machen“. Enteignungen seien dafür aber nicht das richtige Instrument.

„Aufgrund der gestiegenen Immobilienpreise würde statt für den dringend benötigten Wohnungsneubau sehr viel Geld für Bestandsimmobilien ausgegeben, ohne dass hierdurch eine einzige neue Wohnung entstehen oder das Mietniveau positiv beeinflusst würde“, so Kienscherf. Und das würde zulasten der betroffenen Mieter und des Haushalts der Stadt gehen.

SPD, Grüne und CDU sind gegen Enteignungen

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. „So schafft man keinen zusätzlichen Wohnraum, auch der hohe Nachfragedruck wird nicht nachlassen“, so Lorenzen. Hamburg sei mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga überdies ganz anders aufgestellt als Berlin. In Hamburg gehörten ein Drittel der Wohnungen entweder der Saga oder einer Genossenschaft.

CDU-Stadtentwicklungspolitikerin Anke Frieling lehnte die Idee der Verstaat­lichung ebenfalls ab. „All das wird nicht für den notwendigen Neubau von günstigen Wohnungen sorgen, und wo diese Art von Wohnungsbaupolitik hinführt, kann man in vielen sozialistischen Ländern beobachten­“, so Frieling. Linken-Mietenpolitikerin Heike Sudmann dagegen gratulierte der Initiative. „Abzocker“ und „Spekulanten“ müssten jetzt „zu Recht Enteignung fürchten“, sagte Sudmann.

Mieten: SPD und Grüne haben einen anderen Plan zur Begrenzung

Bessere Chancen als die Volksinitiative dürfte der Plan von SPD und Grünen haben, die Mieterhöhungen stärker zu begrenzen. In einem gemeinsamen Antrag für die Bürgerschaftssitzung am 29. März fordern die beiden Koalitionspartner den Senat auf, sich im Bund dafür einzusetzen, dass die im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigte Senkung der Kappungsgrenze auf elf Prozent nun auch bald umgesetzt wird. Die Kappungsgrenze legt fest, um wie viel Prozent die Miete binnen drei Jahren maximal erhöht werden darf.

Nach der gültigen Regelung im Bundesgesetzbuch (BGB, § 558) liegt dieser Satz im Normalfall bei 20 Prozent. Wenn aber die „Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen“ gefährdet ist, können die Länder die Kappungsgrenze für bestimmte Gemeinden per Rechtsverordnung auf 15 Prozent absenken. Dies hat Hamburg 2018 getan. Nun aber läuft die Regelung im August aus. SPD und Grüne fordern den Senat daher auf, sie zu verlängern.

Bezahlbares Wohnen soll als Grundrecht in die Hamburger Verfassung

„Gerade in Zeiten extrem steigender Heizkosten ist es noch drängender, Erhöhungen der Kaltmiete zu begrenzen“, sagte Grünen-Wohnungsbaupolitiker Olaf Duge. „Mit unserem Antrag wollen wir neuen Wind in den Prozess bringen.“ Da die Grundlagen für solche Regelungen allerdings auf Bundesebene beschlossen würden, sei der Spielraum für Hamburg begrenzt. „Unsere Verantwortung liegt vor allem darin, an die Gremien zu appellieren, die hier Handlungsmacht besitzen.“ Die Mietkosten in großen Städten seien so explodiert, dass man alles tun müsse, um Mieterinnen und Mieter zu schützen.

SPD-Wohnungsbaupolitikerin Martina Koeppen betonte, dass bezahlbares Wohnen ein Grundrecht sei, das „zügig“ in die Hamburgische Verfassung aufgenommen werden solle. Zudem fordere Rot-Grün, dass FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann „zügig die im Ampel-Koalitionsvertrag getroffene Verabredung gesetzlich umsetzt, die Kappungsgrenze auf elf Prozent zu senken“.

In der Regierungskoalition rechnet man angesichts der extrem gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten mit einem Einbruch beim Wohnungsbau. Kürzlich hatten sich SPD und Grüne auch beim Thema Wohnen öffentlich gestritten.