Hamburg. Das Förderprogramm „Sprach-Kita“ läuft Ende des Jahres aus. Senat: Anschlussfinanzierung kaum möglich. Das fordert der Paritätische.
In den mehr als 1150 Hamburger Kindertagesstätten ist dieser Tage ein wenig Ruhe eingekehrt: Viele Kinder und Erzieherinnen sind in den Ferien, manche Kita schließt daher sogar für ein oder zwei Wochen. Doch im Gegenzug sorgt nun eine Nachricht aus Berlin für Unruhe: Der Bund lässt sein Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ zum Ende dieses Jahres auslaufen.
Darauf hat nun der Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg hingewiesen, und nicht nur dort ist das Unverständnis groß. Denn gerade in einer Großstadt wie Hamburg ist der Anteil an Kindern, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse in die Betreuung kommen, groß.
Kita Hamburg: Viele Kinder haben von Sprachförderung profitiert
„In Hamburg haben mehr als 40 Prozent der Kita-Kinder eine Migrationsgeschichte und nur in gut einem Drittel dieser Familien wird zuhause vorrangig Deutsch gesprochen“, sagt Jan Gloystein, Leiter des Fachbereichs Frühe Bildung beim Paritätischen in der Hansestadt. „Diese Kinder profitierten in den letzten Jahren ganz besonders von dem Bundesprogramm. Es ermöglichte den beteiligten Kitas, durch speziell geschulte Sprachfachkräfte alltagsintegrierte Sprachförderung einzuführen, anzuwenden und ins ganze Team und somit auf jedes Kind und jede Familie auszurollen.“
Das 2016 gestartete Bundesprogramm richtet sich laut Bundes-Familienministerium gezielt an Kitas, „die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden“. Aus den Mitteln konnten die Kitas eine zusätzliche Fachkraft einstellen, die nicht in den täglichen Betreuungsdienst eingeteilt ist, sondern sich gruppenübergreifend um die Sprachförderung kümmert. Etwa jede achte Kita bundesweit sei eine „Sprach-Kita“, mehr als 500.000 Kinder und ihre Familien hätten davon profitiert, so das Ministerium.
Kita Hamburg: 350 halbe Stellen für Sprachförderung und Fachberatung
In Hamburg wurde das Programm sogar noch viel stärker in Anspruch genommen. Nach Angaben der Sozialbehörde wurden an 287 „Sprach-Kitas“ – das ist etwa jede vierte in der Hansestadt – insgesamt mehr als 350 halbe Stellen für Sprachförderung und Fachberatung daraus finanziert. Bei den Elbkindern, dem mit 187 Kitas größten Träger der Stadt, der auch viele Einrichtungen in weniger begüterten Stadtteilen betreibt, profitiere sogar rund jede zweite Kita, wie James Desai, Leiter der Beratungsabteilung, dem Abendblatt sagte. Mehr als 100 Halbtagsstellen habe man für die Sprachförderung schaffen können.
Für diese Fachkräfte habe man auch weiterhin Verwendung, unklar sei jetzt erstmal nur, wie man sie künftig einsetzen kann und wie das finanziert werde. Dass das Bundesprogramm endlich sei, sei den Kitas immer klar gewesen, so Desai. Man habe aber gehofft, dass es fortgesetzt wird.
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Liegt an den Ländern, ob sie die Sprachförderung streichen
Auch das Bundesfamilienministerium betonte auf Abendblatt-Anfrage, dass das mit zuletzt rund 200 Millionen jährlich ausgestattete Programm „von Anfang an als befristetes Modellprojekt“ gedacht war, so eine Sprecherin. Denn für Kindertagesbetreuung und frühkindliche Bildung seien die Länder zuständig. Wenn sie die aufgebauten Strukturen weiter nutzen wollten, müssten sie diese auch finanzieren: „Es liegt an den Ländern, welche Priorität sie im Bereich der frühkindlichen Bildung setzen und ob sie die Sprachförderung streichen oder nicht“, so die Sprecherin. Dabei gebe auch die Möglichkeit, Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz zu nutzen. Dafür stelle der Bund weiterhin zwei Milliarden Euro pro Jahr bereit.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat nun die Erwartung an die Stadt, die Förderung fortzusetzen. In Hamburg komme dafür vor allem das städtische Programm „Kita-Plus“ in Frage: Darüber werden rund 330 Kitas gefördert, „die aufgrund der sozialen oder kulturellen Heterogenität in ihren Einrichtungen besonders herausgefordert sind“, so die offizielle Beschreibung. Allerdings geht es dabei nicht allein um Sprachförderung, sondern generell um eine verbesserte Personalausstattung.
Paritätische fordert Senat auf, Kita-Plus deutlich auszuweiten
Rund 20 Millionen Euro jährlich stellt die Stadt dafür bereit – zusätzlich zu den mehr als eine Milliarde Euro für die Kindertagesbetreuung. Das bleibt auch so: Im Haushalt 2023/24 sind nach Angaben der Sozialbehörde jeweils gut 21 Millionen Euro pro Jahr für „Kita-Plus und intensivierte Sprachförderung“ eingeplant.
Aus Sicht des Paritätischen ist das jedoch nicht ausreichend. „Sowohl der Bund als auch die Stadt Hamburg haben in den letzten Jahren erkannt, wie wichtig alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita ist“, sagt Jan Gloystein. „Doch es sind keine regulären Ressourcen dafür vorgesehen.“ Kita-Plus einfach nur fortzusetzen, sei zu kurz gedacht und erreiche viel zu wenige Kitas.
„Wir brauchen mindestens in den Kitas mit hohem Migrationsanteil spezielle Sprachfachkräfte. Mit ein, zwei Fortbildungen für die Kita-Teams ist es hier nicht getan.“ Daher fordere der Paritätische den Senat auf, Kita-Plus deutlich auszuweiten und zu verstetigen. Andernfalls sei zu befürchten, dass zukünftig zahlreiche Kinder spätestens in der Vorschule nachmittags zusätzlichen Sprachförderunterricht erhalten müssten. „Das ist gefühltes Nachsitzen und belastet die Kinder, die es sowieso schon aufgrund der sprachlichen Probleme schwerer haben, zusätzlich“, so Gloystein.
Kita: Hamburgs Sozialsenatorin bezeichnet Kürzungen als ungeschickt
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) ärgert sich dagegen über die Entscheidung aus Berlin: „Dass der Bund ausgerechnet in der derzeitigen Lage Kürzungen bei der Sprachförderung vornehmen will, ist sehr ungeschickt“, sagte sie auf Abendblatt-Anfrage. Hinsichtlich der Forderung nach mehr Geld für Kita-Plus oder andere Förderprogramme gab sie sich skeptisch: „Die Herausforderungen sind nicht kleiner geworden, die Länderhaushalte hingegen schon jetzt extrem unter Druck. Wegfallende Bundesförderungen werden wir ohne weiteres kaum kompensieren können.“ Dabei geht es „nur“ um knapp sieben Millionen Euro, die Hamburg zuletzt für Sprach-Kitas erhielt.
Insa Tietjen, kitapolitische Sprecherin der Links-Fraktion in der Bürgerschaft, fordert Senatorin Leonhard daher auf, sich auf Bundesebene für geeignete Alternativen einsetzen: „Alles andere bedeutet de facto einen Stellenabbau und eine geringere Kita-Qualität in Hamburg.“