Hamburg. Ihr Anteil steigt auf 28,8 Prozent. Jedes zweite Kind hat einen Migrationshintergrund. Wie die Schulbehörde sie gezielt fördert.
Für das Hamburger Schulsystem bedeutet dies eine besondere Herausforderung: Eine Auswertung der neuen Schuljahresstatistik 2021/22 hat ergeben, dass der Anteil der Erstklässler mit Migrationshintergrund in Hamburg erneut gestiegen ist – ebenso wie der Anteil der Familien, in denen kein Deutsch gesprochen wird.
So hat derzeit jede zweite Grundschülerin und jeder zweite Grundschüler in der Hansestadt einen Migrationshintergrund (50,9 Prozent), wie die Schulbehörde errechnet hat. Vor zehn Jahren, im Schuljahr 2011/12, waren es noch 41,5 Prozent. Ähnlich hoch ist der Anteil in der gesamten Schülerschaft der Hansestadt (50,8 Prozent), hier waren es vor zehn Jahren 34,8 Prozent.
Vielleicht noch entscheidender für den Bildungserfolg dieser Kinder ist eine andere Zahl: 28,8 Prozent der Schülerinnen und Schüler spricht zu Hause nicht oder nicht überwiegend Deutsch. Diese Quote ist laut Schulbehörde in den vergangenen Jahren merklich gestiegen. Vor einem Jahr lag der Anteil bei 28,1 Prozent, im Schuljahr 2013/14 nur bei 21,7 Prozent. Beide Anteile sind neue Höchstwerte, sie steigen seit einem Jahrzehnt sukzessive an, heißt es aus der Schulbehörde.
Schule in Hamburg: 28,8 Prozent der Schüler sprechen zu Hause kein Deutsch
Die Zahlen sind insofern bedeutsam, als gute Sprachkompetenzen als ein wichtiger Schlüssel für den Schulerfolg gelten. „Wer in der Schule gut lernen will, muss gut sprechen, verstehen, lesen und schreiben können“, sagt Bildungssenator Ties Rabe (SPD). Seine Behörde habe sich deshalb auf die Herausforderung eingestellt.
„Die Grundlage bietet das seit 15 Jahren erfolgreiche Hamburger Sprachförderkonzept, das alle Aktivitäten zur Sprachförderung bündelt. Bereits mit viereinhalb Jahren werden alle Hamburger Kinder zu einem verpflichtenden Sprachtest in die Grundschule eingeladen. Wer noch nicht gut sprechen kann, muss bereits mit fünf Jahren die Vorschule besuchen und bekommt dort gezielt zusätzliche Sprachförderung“, so Rabe. „Viele Schulen ergänzen die Sprachförderung durch ein besonderes Lesetraining ab Klasse 1: Aktuell nehmen bereits 70 Schulen an einer systematischen Leseförderung in der Grundschule teil, mehr als 50 Schulen setzen die Sprachförderung erfolgreich im Fachunterricht um.“
Hamburger Sprachförderkonzept: Bundesweit Vorbildcharakter
Die Schulbehörde erwartet, dass die Corona-Pandemie auch den Anteil der Kinder im vorschulischen Alter, die einen ausgeprägten Sprachförderbedarf haben, erneut hat ansteigen lassen, da viel vorschulische Sprachförderung aufgrund der Corona-Schließzeiten in Kitas und Grundschulen ausgefallen ist und Kontakte zu anderen Kindern oder Erwachsenen seit Beginn der Pandemie sehr eingeschränkt sind. Doch: Wer die Sprache nicht sicher beherrscht, kann keine Arbeitsaufträge verstehen, Sachverhalte analysieren oder sich am Unterricht beteiligen.
Die Stadt habe mit einem langjährig erprobten und nachgewiesenermaßen erfolgreichen Modell der Sprachförderung vorgebaut, so Rabe. Das „Hamburger Sprachförderkonzept“ habe bundesweit Vorbildcharakter. Trotz schwieriger Voraussetzungen habe es herausragende Arbeit geleistet, wie Ergebnisse des Sprachfördermonitorings, der Ländervergleiche und Bildungstrends des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zeigten.
Sprachförderkonzept in Hamburg werde weiterentwickelt
Ein wichtiger Baustein ist die verpflichtende Vorstellung eines Kindes mit 4 ½ Jahren in der Schule. Wird hier ein ausgeprägter Sprachförderbedarf festgestellt, muss das Kind verpflichtend im letzten Jahr vor der Einschulung an Sprachförderung teilnehmen, damit es fit wird für den Schulanfang und dem Unterricht folgen kann. Praktisch ist dies eine vorgezogene Schulpflicht, denn meist findet die Sprachförderung in einer Vorschulklasse statt.
Die Vorschule ist derzeit für rund 3000 Schülerinnen und Schüler verpflichtend, sie machen etwa ein Viertel der Vorschulkinder aus, drei Viertel nehmen freiwillig teil. Die Tendenz ist steigend: Besuchten 1980 noch 4000 Kinder die Vorschule, waren es 2020 schon 9200. Für das Schuljahr 2022/23 gibt es für die staatlichen Vorschulklassen rund 10.638 Anmeldungen.
Hamburg führte Sprachförderkonzept 2005 ein
2005 hatte Hamburg als erstes Bundesland ein neues Sprachförderkonzept eingeführt, das erstmals alle Maßnahmen im Bereich der Sprachbildung und –förderung miteinander verzahnte und sich wie ein roter Faden durch die gesamte Schullaufbahn zieht. Dafür setzt die Schulbehörde derzeit 671 zusätzliche Lehrerstellen ein.
Das Konzept werde ständig weiterentwickelt, sagt Rabe. „Dazu gehören beispielsweise zahlreiche Förder- und Lernangebote, die wir im Rahmen des Bund-Länder-Vorhabens ‚Bildung durch Sprache und Schrift‘ (BISS) entwickelt haben. Diese Strategie führen wir in den nächsten Jahren fort. So arbeiten wir beispielsweise in diesem Schuljahr mit unseren universitären Partnern an der Konzeption eines Schreibtrainings. Ein weiteres aktuelles Vorhaben ist die Verankerung der Sprachbildung in den Bildungsplänen.“
Pro Schuljahr profitieren insgesamt rund 20.500 Schülerinnen und Schüler von den Maßnahmen. Wer Sprachförderbedarf hat, wird auch während des Schulbesuchs in den Klassen 1 bis 10 zusätzlich gefördert. Die Schulen stellen Fördergruppen mit Schwerpunkten wie Leseförderung, Rechtschreibung oder Deutsch als Zweitsprache zusammen.
Vorbereitungsklassen für zugewanderte Schüler
Zugewanderte Kinder und Jugendliche, die die deutsche Sprache beherrschen, werden in eigens eingerichteten Vorbereitungsklassen systematisch gefördert. Nach rund einem Jahr in der so genannten „Internationalen Vorbereitungsklasse“ (IVK) wechseln sie in eine Regelklasse und erhalten dort für weitere zwölf Monate zusätzliche Förderung.
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Derzeit gibt es in Hamburg rund 150 Vorbereitungsklassen. Da das Erlernen der Herkunftssprache und das Erlernen der deutschen Sprache eng miteinander verzahnt sind, werden die Schülerinnen und Schüler auch beim Erlernen der Herkunftssprache unterstützt.