Hamburg. Die Regierungsmitglieder zieht es im Sommer nach zwei Jahren Krisenmodus in die weite Welt – das sind die Ziele der Politiker.
Auf der Zielgeraden ging es noch mal ordentlich zur Sache. Neuordnung des S-Bahn-Netzes, Streit um den Fernbahnhof Diebsteich und die Bildungspläne, eine sehr lebhafte Bürgerschaftssitzung zu Rekord-Inflation und Energiekrise, Chaos am Flughafen, 70 Jahre Hamburgische Verfassung, Konferenzen der Länder-Gleichstellungsministerinnen und der Gesundheitsministerinnen, jede Menge Empfänge, Reden, Grußworte, Grundsteinlegungen – ach ja, die Storchenbilanz wurde auch vorgestellt, in Anwesenheit des Bürgermeisters ...
Fast schien es in den vergangenen Tagen so, als wenn alle mehr oder minder wichtigen Themen in der letzten Woche vor den Hamburger Sommerferien noch einmal auf die Tagesordnung drängten, während gleichzeitig der Senat alles nachholen wollte, was in den vergangenen Pandemie-Monaten nicht möglich war.
Sommerferien: Hier machen Hamburgs Politiker Urlaub
Daher und nach zweieinhalb Jahren Dauerkrisenmodus mit sehr wenig Urlaub sind viele Rathaus-Protagonisten reif für die Insel. Und Klima- oder Energiekrise hin oder her – wenigstens einen kleinen Urlaub gönnen sich fast alle Regierungsmitglieder in den kommenden Wochen. An den Senatssitzungen können sie in dieser Zeit dennoch teilnehmen – die finden in den Ferien wieder digital statt.
Den Anfang hat Wirtschaftsenator Michael Westhagemann (parteilos) gemacht. Er ist schon Anfang der Woche mit der Bahn nach Sylt gereist. Treffen mit den Punks in Westerland sind dabei zumindest nicht geplant. „Wir machen einen Familienurlaub mit meinen Töchtern und den beiden Enkelkindern“, sagte der 64-Jährige dem Abendblatt. „Ich freue mich darauf, mit ihnen am Strand zu spazieren, gemeinsam zu kochen und einfach Zeit zu haben.“ Und vielleicht bringt er dabei die eine oder andere Anregung der erfolgreichen Sylt-Werber mit – schließlich ist der Wirtschaftssenator auch für den Tourismus in Hamburg zuständig.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in Österreich
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird zunächst noch die Stellung in Hamburg halten, bevor er sich in der zweiten Ferienhälfte eine Auszeit nimmt: „Wir sind mit dem Auto Richtung Österreich unterwegs, um uns in den Bergen zu erholen“, teilte Tschentscher mit. Die Alpen sind schon seit einigen Jahren bevorzugtes Urlaubsziel des Bürgermeisters.
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) bleibt dagegen im Norden: „Eine Woche Harz, eine Woche Ostsee. Ich mag es, wenn man an unterschiedlichen Orten ist“, berichtet sie. Daher plane sie zudem auch wieder einige Tagesausflüge ins Hamburger Umland – „meistens mit dem ÖPNV oder mit dem Fahrrad“, so Fegebank. Als Mutter von dreijährigen Zwillingsmädchen setzt die 45-Jährige naturgemäß auf viel Bewegung: „Wir wollen ganz viel draußen sein – an der frischen Luft und in der Natur. Die Mädchen sind im Fahrradfahren-Lernen- und Schwimmen-Lernen-Alter, und das steht bei uns oben auf der Agenda.“
Schleswig-Holstein für Dorothee Stapelfeldt (SPD)
Auch Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) bleibt im Land, genau genommen in Schleswig-Holstein. Was sie dort vorhat? „Für die Urlaube suche ich immer vorher neue Bücher aus. Und ich möchte einfach eine schöne, ruhige Zeit im Garten verbringen“, sagt die 65-Jährige. Ob das mal klappt? Denn Stapelfeldt verbringt den Urlaub gemeinsam „mit allen sechs Enkelkindern“, wie sie sagt – die haben möglicherweise andere Pläne als eine ruhige Zeit im Garten.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) setzt ebenfalls auf Mehr-Generationen-Urlaub: Er lädt seine 86 Jahre alte Mutter auf eine Ostsee-Kreuzfahrt ein. Die Einladung stammte noch aus Vor-Corona-Zeit und musste wie so viele Reisen verschoben werden – jetzt kann sie endlich nachgeholt werden. Außerdem hat der 61-Jährige sich vorgenommen, seine Terrasse in Bergedorf zu renovieren und einen Chopin-Walzer am Klavier einzuüben.
Andreas Dressel: Ostsee-Kreuzfahrt wegen Kniescheibenbruch
Aufs Schiff zieht es auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), etwas notgedrungen. „Da wegen meines Kniescheibenbruchs Wander- und Badeurlaub leider noch ausscheiden, haben sich die Kinder eine Ostsee-Kreuzfahrt gewünscht“, so Dressel. Der 46-Jährige hatte sich Anfang April bei einem Sturz schwer am Knie verletzt und läuft noch etwas unrund. Da bietet es sich an, die einwöchige Schiffsreise mit einen anderen Verkehrsmittel zu kombinieren: „Als Eisenbahnfan freue ich mich, diesen Trip auch für eine Fahrt mit der weltberühmten Bergen-Bahn ab Oslo zu nutzen.“
Noch mehr Pech als Dressel hatte zuletzt nur Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Der kämpfte Anfang des Jahres (erfolgreich) gegen eine Krebserkrankung, und kaum war er wieder an Bord, brach er sich bei einem Sturz den Ellenbogen. Zur Erholung geht es auf seine Lieblingsinsel Mallorca. Was dort ansteht, liegt auf der Hand: „Ganz klar, Batterien aufladen unter balearischer Sonne. Die erste Jahreshälfte hatte es in sich und ich muss unbedingt wieder fitter werden“, so der 56-Jährige. „Morgens schwimmen, nachmittags Nordic Walking – für den lädierten Ellenbogen –, das ist mein Tagesprogramm.“ Lesen gehört natürlich auch dazu: „Einen Krimi von Adler Olsen habe ich mir vorgenommen – dazu komme ich im Hamburger Alltag zu selten.“
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Dass ein Kultursenator nicht nur im Urlaub viel liest, versteht sich eigentlich von selbst. Insofern stellt sich nur die Frage, wohin Carsten Brosda (SPD) seine Lektüre verfrachtet. Antwort: Es geht mit der Familie nach Südfrankreich. „In der Provence wollen wir Ausflüge nach Aix, Avignon und Arles machen, vor allem aber gemütlich in der französischen Landschaft sitzen und die Bücherstapel kleinlesen“, so der 47-Jährige. Anders als seine Senatskollegen will er nicht nur Gedrucktes konsumieren, sondern – mal wieder – etwas erschaffen: „Ich suche auch die Muße, selber was zu schreiben.“
Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) hat sich noch nicht entschieden, ob und, falls ja, wohin sie verreisen wird. Unabhängig davon hat sie sich aber bereits Bücher bereitgelegt: Kurt Krömers „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ steht ebenso auf der Liste der 39-Jährigen wie „Utopia for Realists“ von Rutger Bregman. „Ich kann beim Lesen am besten abschalten“, sagt Gallina. „Und darum geht es ja im Urlaub, zumindest so gut es eben bei einem Senatsmitglied geht.“ Bis zum Sommerurlaub würden sich die Bücher immer stapeln. „Dieser Stapel wird dann angegangen, egal, wo ich bin.“
Andy Grote (SPD) fährt an die Nordsee
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) verbringt den Urlaub wie in den Vorjahren „im Inland“, – ohne das näher einzugrenzen. Klar ist: Die Sozial- und Gesundheitssenatorin muss auch in den Ferien jederzeit mit Anrufen rechnen – vor allem, wenn die ungewöhnliche Sommer-Corona-Welle sich noch weiter auftürmen sollte. Aber erstmals freue sie sich darauf, „viel Zeit gemeinsam mit meiner Familie zu verbringen“, so die 44-Jährige. „Wir werden draußen an der frischen Luft unterwegs sein.“
Innensenator Andy Grote (SPD) zieht es mal wieder in die alte Heimat an die Nordsee. Der 54-Jährige ist in Büsum aufgewachsen und hat auch später als Marinesoldat viel Zeit an der Küste verbracht. Entspannung und Familie sind auch bei Grote angesagt – das konkrete Programm dürfte aber vor allem sein knapp fünfjähriger Sohn diktieren.
Grüner Verkehrssenator Tjarks fliegt nach New York
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), sonst ein Fan ausgedehnter Radtouren, hat für diesen Sommer ganz andere Pläne: Der 41-Jährige, Vater von drei Söhnen, reist mit seiner Familie in die USA. Er werde dort alte Freunde treffen, aber auch New York besuchen. Da könnte der Urlaub schnell zur Fortbildungsreise werden: „Es ist natürlich so eine Art ‚Berufskrankheit‘, dass ich mir in New York auch die Verkehrsinfrastruktur anschauen werde“, sagt Tjarks. „Es interessiert mich, wie eine Millionen-Metropole ihre Verkehre abwickelt und welche möglicherweise auch nachhaltigen Mobilitätsangebote sie den vielen Menschen macht.“ Dass die US-Metropole seit einigen Jahren ihr Herz für Fußgänger und Radfahrer entdeckt hat, dürfte das Interesse steigern. Dass sie dabei auch Anregungen von dänischen Verkehrsplanern umsetzt, ebenfalls – die hatte Tjarks nämlich auch schon in Kopenhagen besucht.