Hamburg. Gehwege sind zu schmal, Radwege zu nah am Autoverkehr. Nun will die Stadt neue Pläne erarbeiten – das Prinzip ist bereits klar.
Es ist die zahlenmäßig größte Gruppe an Verkehrsteilnehmern, fast alle Hamburgerinnen und Hamburger zählen dazu – und dennoch werden sie oft etwas stiefmütterlich behandelt und haben vergleichsweise wenig Mitspracherecht – die Fußgänger. Doch das soll sich nun ändern. Der rot-grüne Senat will sein seit 2016 bestehendes „Bündnis für den Radverkehr“ künftig als „Bündnis für den Rad- und Fußverkehr“ fortsetzen. Das kündigte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Montag an.
Konkrete Pläne sollen zwar erst erarbeitet werden, wenn das neue Bündnis auch mit den sieben Bezirken und weiteren Interessengruppen abgestimmt ist, was bis zum Frühjahr erfolgen soll. Aber das Prinzip ist bereits klar: Bei der Planung und Gestaltung von Radwegen soll künftig überall dort, wo es möglich ist, die bauliche Trennung von Rad- Fuß- und Kfz-Verkehr angestrebt werden, kündigte Tjarks an.
Verkehr: Hamburg will Rad- und Gehwege möglichst trennen
Er verwies auf Umfragen aus Hamburg und anderen Städten wie Berlin, die einhellig ergeben hätten, dass sich alle Verkehrsteilnehmer am sichersten fühlen, wenn sie ihre eigene „Spur“ haben und nicht mit anderen ins Gehege kommen können. Als positive Beispiele nannte er die Umgestaltung von Ballindamm, Jungfernstieg und Esplanade, wo jeweils nicht nur breite und zum Teil baulich abgetrennte Radwege („Protected Bikelanes“) angelegt wurden, sondern auch die Fußgänger deutlich mehr Platz erhalten haben – und vor allem einen eigenen Raum, in dem sie nicht mehr fürchten müssen, dass es zu Konflikten mit Radfahrern kommt.
„Das Bündnis für den Radverkehr ist eine echte Erfolgsgeschichte“, sagte Tjarks. „Es hat dem Ausbau und der Stärkung des Radverkehrs in Hamburg einen richtigen Schub verliehen und maßgeblich dazu beigetragen, dass wir 2020 einen neuen Rekordwert bei den sanierten und neu gebauten Radwegen erreicht haben.“ In dem Jahr wurden 62 Kilometer an Radwegen neu angelegt oder instandgesetzt, gut 60 Prozent mehr als im Vorjahr.
„Dennoch wollen wir den Blickwinkel des Bündnisses künftig erweitern“, so Tjarks. Der Umweltverbund aus Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV-Nutzern sei immer dann am stärksten, wenn er vernetzt gedacht, geplant und umgesetzt werde „Hierfür wird das Bündnis für den Rad- und Fußverkehr auch in den kommenden Jahren eine elementare Rolle spielen.“
Gemischte Verkehrsführung in Hamburg ein Problem
Dem Bündnis unter Federführung der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende sollen insgesamt 28 Partner angehören, darunter alle Bezirke, sieben Behörden, die Senatskanzlei und der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). Weitere Verbände, Initiativen und Organisation sollen noch einbezogen werden.
Einer davon ist die Hamburger Ortsgruppe von Fuss. e.V., dem bundesweit aktiven Fachverband für Fußverkehr. Dessen Landessprecherin Sonja Tesch zeigte sich erfreut, auch wenn sie noch nicht offiziell vom Senat kontaktiert worden sei. Die geplante stärkere Trennung von Fuß- und Radverkehr begrüße sie. „Das fordern wir seit Jahren.“ Es gebe zwar schon einige gute Beispiele, aber insgesamt sei die gemischte Verkehrsführung noch an vielen Stellen ein großes Problem.
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Insbesondere Fußwege, die per Verkehrsschild auch für den Radverkehr freigegeben sind, seien dem Verein ein Dorn im Auge, so Tesch: „Dieses Verkehrsschild lehnen wir ab.“ Oft seien Gehwege zu schmal, aber ebenso oft sei das Problem ein anderes: „Viele Gehwege wären breit genug – wenn dort nicht halbseitig Parken erlaubt wäre.“ Generell sehe Fuss e.V. Radwege auf dem Niveau von Gehwegen kritisch: „Wir finden, die Radfahrer gehören auf die Straße“, so Sonja Tesch.
Mobilitätswende in Hamburg soll inklusiv sein
„Wir wollen die Mobilität in Hamburg so verbessern, dass sie allen Menschen zu Gute kommt. Es soll im wahrsten Sinne des Wortes eine inklusive Mobilitätswende sein“, sagte Kirsten Pfaue, die städtische Koordinatorin der Mobilitätswende. Sie verwies darauf, dass es in einigen Bezirken bereits Beauftragte für den Fußverkehr gebe, die in die Arbeit des Bündnisses mit einbezogen würden. Dabei gehe es darum, mit möglichst wenigen Mitteln möglichst viel zu erreichen.
Manchmal reiche es schon, einen Bordstein etwas abzusenken, um eine Hürde zu beseitigen. Der erweiterte Blickwinkel des Bündnisses werde auch helfen, eine zentrale Zielvorgabe der Mobilitätswende zu erreichen: Bis 2030 will Hamburg den Anteil des Umweltverbundes an allen Wegen von 64 Prozent auf 80 Prozent erhöhen.
Verkehr: Hamburg will "Kopenhagener Radwege"
Tjarks kündigte an, dass man das Bedürfnis aller Verkehrsteilnehmer nach Sicherheit auch beim Bau von Radwegen künftig noch stärker beachten werde. Außer den baulich geschützten sollen auch „Kopenhagener Radwege“ errichtet werden. Diese liegen gut zehn Zentimeter höher als die Straße und sind nur durch diesen Niveau-Unterschied vom Kfz-Verkehr getrennt. Das spare etwa 50 Zentimeter gegenüber den abgetrennten Radwegen und sei für enge Straßen geeignet, etwa die Elbchaussee oder die Max-Brauer-Allee.
„Nach vielen Jahren erkennt der Senat endlich, dass auch Fußgänger zum Verkehr in Hamburg gehören“, sagte Richard Seelmaecker, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Damit besteht immerhin die Hoffnung, dass der bisher in Teilen beklagenswerte Zustand der Hamburger Gehwege und vor allem deren Ausleuchtung nun auch endlich verbessert werden soll.“ Er frage sich allerdings: „Wieso setzt man nicht gleich auf ein generelles Bündnis für gute Verkehrspolitik, denn daran mangelt es in Hamburg seit Jahren.“