Hamburg. Anstieg um Hunderte Fälle im vergangenen Jahr. Vor allem bei Demonstrationen in der Pandemie gab es Übergriffe.

Der Fall der 90 Jahre alten Hamburgerin, die zwischen die Fronten von Querdenkern und Gegendemon­stranten geriet und schwer verletzt wurde, ist bezeichnend für einen traurigen Trend im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK): Nur einer von Hunderten Fällen in Hamburg, die im Zusammenhang mit dem aufgeheizten gesellschaftlichen Klima während der Corona-Pandemie stehen.

Am 18. Dezember 2021 prallte ein Gegendemon­strant einer Versammlung von Corona-Leugnern auf dem Jungfernstieg bei der Flucht gegen die 90-Jährige. Beide stürzten. Während der Täter sich aus dem Staub machen konnte, blieb die Frau auf der Straße liegen: Sie kam mit einer schweren Beinfraktur ins Krankenhaus.

Kriminalität: viele Fälle „nicht zuzuordnen“

Die Ermittlungen führt der Staatsschutz der Hamburger Polizei, das LKA 7. Anders als Taten mit eindeutig linker oder rechter Urheberschaft passen die meisten Fälle im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, wenngleich auch sie politisch motiviert sind, in keine ideologische Schublade – sie lassen sich „nicht zuordnen“. Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Innenexperten Dennis Gladiator hervorgeht, hat die Polizei in der Kategorie „nicht zuzuordnen“ im Vorjahr 462 Taten erfasst.

Im ersten Corona-Jahr waren 292 Taten diesem diffusen Spek­trum zugerechnet – also noch 170 Taten und fast 60 Prozent weniger. Allein 91 der diesjährigen 462 Taten stuften die Behörden als „extremistisch“ ein. „Die deutliche Steigerung der politisch motivierten Kriminalität im Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Maßnahmen ist ein Alarm­signal“, sagt CDU-Mann Gladiator.

Insgesamt weniger hochkritische Straftaten

„Die signifikanten Anstiege“, so der Senat, „ergeben sich überwiegend durch Straftaten im Bereich der Gegendemonstrationen im Zusammenhang mit dem Protestgeschehen gegen die Corona-Maßnahmen.“ In ganz Deutschland hat die politisch motivierte Kriminalität 2021 mit 47.303 Delikten den höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001 erreicht. Zwar stieg die Gesamtzahl dieser Straftaten in Hamburg mit 11,86 Prozent etwa doppelt so stark wie auf Bundesebene.

In den einzelnen Phänomenbereichen – abgesehen von jenen Fällen, die sich nicht zuordnen ließen – verzeichnete die Behörde allerdings nur moderate Schwankungen. Bemerkenswert: In der Summe gingen alle hochkritischen Deliktsarten zurück. So erfasste die Polizei mit 158 politisch motivierten Gewalttaten 103 weniger als 2020; die Zahl der extremistischen Delikte sank von 680 auf 553, die der extremistischen Gewaltdelikte ging von 203 auf 67 zurück.

Kaum Veränderungen aus dem linken und rechten Spek­trum

Die Zahl politisch motivierter Taten aus dem linken Spektrum stieg leicht von 706 auf 727, aus dem rechten Spektrum erfassten die Behörden im Vorjahr zwei Fälle weniger als 2020, nämlich 542, darunter 47 Gewaltdelikte. Die Zahl der Straftaten im Bereich der „religiösen Ideologie“ sank um drei auf 27 Fälle. Von den 1837 Fällen insgesamt hat die Polizei 597 aufgeklärt, was einer Quote von 32,5 Prozent entspricht.