Hamburg. Beim Hamburger Landesparteitag kritisieren die Jungen Liberalen unter anderem Landeschef Michael Kruse – und scheitern mit diversen Anträgen.
Das Aus für Moorburg ist eigentlich längst beschlossene Sache. Anstelle des stillgelegten Hamburger Steinkohlekraftwerks soll künftig eine Elektrolyse-Anlage „grünen“ Wasserstoff erzeugen, mithilfe von Wind- und Solarstrom. Dennoch fordert die Hamburger FDP nun, den Rückbau zu stoppen und einen Kraftwerksblock wieder zu ertüchtigen, um diesen bei Energie-Engpässen als Reserve nutzen zu können. Dafür votierte am Sonnabend eine Mehrheit der Delegierten auf dem Landesparteitag der Liberalen in der Neustadt, der im Zeichen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stand.
Der Moorburg-Passus war allerdings umstritten. Die Jungen Liberalen (Julis) wollten den Absatz streichen lassen. An anderen Stellen ging ihnen der Leitantrag mit dem Titel „Hamburgs Antwort auf den Ukraine-Krieg“ nicht weit genug, den der Landesvorstand um Hamburgs FDP-Chef Michael Kruse vorgelegt hatte. So forderten die Julis in einer mehrstündigen, emotional geführten Debatte etwa, dass die Bundesregierung am freien Markt zusätzliche Waffen für die Ukraine kaufen und an das Land liefern sollte. Außerdem plädierte die Nachwuchsorganisation der Hamburger FDP für einen sofortigen Stop des Imports von Gas, Kohle und Öl aus Russland – ein Anliegen, bei dem die Hamburger FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein den Julis zur Seite sprang. Doch eine Mehrheit lehnte auf dem Parteitag die Änderungsanträge ab.
FDP-Landesparteitag: Schlagabtausch zwischen Julis und Landeschef
Vor der Debatte über den Leitantrag war es zu einem Schlagabtausch zwischen einigen Jungliberalen und FDP-Landeschef Michael Kruse gekommen. Die letzten Tage hätten gezeigt, „dass unsere Außendarstellung binnen weniger Tage durch einzelne Personen ramponiert werden kann“, erklärte Kruse in seiner Eingangsrede. Er rate den Mitgliedern: „Lassen sie es nicht zu, wenn einzelne Personen ihr Ego und ihre Befindlichkeiten über die Interessen unserer Partei stellen.“
Der Hintergrund: Kruse hatte via Pressemitteilung angekündigt, dass er gegen die vom rot-grünen Senat in Gang gesetzte Hotspot-Regelung für Hamburg klagen werde, auch wenn die Bürgerschaft diese Regelung beschließen werde (was das Landesparlament dann am vergangenen Mittwoch tat). Dabei äußerte er sich ausdrücklich als FDP-Landesvorsitzender.
Kritik vom rechtspolitischen Sprecher
Kruse habe damit den Eindruck erweckt, die FDP unterstütze geschlossen als Partei ein juristisches Vorgehen gegen den Bürgerschaftsbeschluss, kritisierte Carl Cevin-Key Coste, rechtspolitischer Sprecher der FDP und Ex-Vorsitzender der Julis — und formulierte vor dem Parteitag einen Dringlichkeitsantrag. Darin hieß es etwa: „Nicht alle Ideen der politischen Mitbewerber sind rechts- oder verfasssungswidrig, nicht auf jeden Zug müssen wir aufspringen und Klagen als PR-Aktionen sind für eine Rechtsstaatspartei unwürdig.“ Klagen dürften „nicht als Mittel der allgemeinen Pressearbeit“ missbraucht werden.
Am Freitag erklärte Coste zwar, sein Antrag habe sich inhaltlich erledigt, da Michael Kruse im Nachhinein klargemacht habe, als Privatperson klagen zu wollen. Am Sonnabend legte Coste auf dem Parteitag allerdings nach: „Das Ziel Hamburger Liberaler sollte nicht sein, den Hamburger Senat erfolglos zu verklagen, sondern den Senat zu stellen.“ An Kruse gewandt fügte er hinzu: „Geh nochmal in dich oder überleg, ob Du nicht der AfD allein überlassen möchtest, spätestens vor dem OVG zu scheitern.“ Dafür erntete Coste einige Buhrufe; später warfen ihm mehrere Rednerinnen und Redner vor, der FDP zu schaden – und stärkten Kruse den Rücken, der erklärte, er habe viel Zuspruch für seine Ankündigung bekommen.
Juli-Vorsitzender: "Bedenkliche Diskrepanz zwischen Worten uns Taten"
Mit Blick auf die Lage in der Ukraine sagte Kruse auf dem Parteitag, die FDP werde nicht ruhen, bis dieser Krieg vorbei sei. Dem stellvertretenden Juli-Vorsitzenden Nils Knoben reichte das nicht: Es gebe eine „bedenkliche Diskrepanz zwischen Worten und Taten“, sagte er. Die neue Juli-Chefin Theresa Bardenhewer kritisierte, in dem vom Landesvorstand vorgelegte Leitantrag gehe es vor allem um Hamburgs Sicherheit, aber zu wenig um Hilfe für die Ukraine.
Die Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein kam auf die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag zu sprechen, nach der das deutsche Parlament ohne weiteres in den Regelbetrieb übergegangen war. „Ich habe mich für mein Land, für meine Regierung so unfassbar geschämt“, sagte sie. Sie hätte auch von der FDP-Fraktion im Bundestag erwartet, aufzustehen und auf die Rede zu reagieren. Gerichtet an Michael Kruse und die stellvertretende Hamburger FDP-Vorsitzende Ria Schröder, beide Mitglieder des Bundestags, rief Treuenfels: „Ich fordere euch auf, beim nächsten Mal steht ihr auf!“
Ria Schröder wehrte sich gegen Kritik
Ria Schröder entgegnete, sie und Michael Kruse seien aufgesprungen, zu ihrem Fraktionsvorstand gegangen und hätten erklärt: „Wir müssen hier doch etwas tun, es muss doch etwas passieren.“ Kruse erklärte, er habe in einer Rede drei Debatten später im Bundestag gesagt, dass ihn „die Sprachlosigkeit an dieser Stelle sprachlos macht“.
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Zur Ablehnung des Juli-Antrags für einen sofortigen Importstopp von Energie aus Russland sagte der Hamburger FDP-Chef, Sanktionen müssten Russland härter treffen als Deutschland. Das wäre aber nicht der Fall bei einem kurzfristigen Importstopp – im Gegenteil. „Wenn wir heute oder morgen die Energie-Importe aus Russland stoppen, dann geht es gar nicht mehr darum, wie hoch der Energiepreis sein wird. Dann geht es innerhalb weniger Tage und Wochen darum, ob wir überhaupt noch Energie haben“, so Kruse. „Dann bricht in diesem Land sehr viel zusammen.“