Hamburg. 20.000 Impfungen haben die Ärzte dort bereits verabreicht. Die Leiterin kritisiert fehlende Unterstützung – und macht neue Pläne.

Zu den anhaltend hohen Zahlen an Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Hamburg kommt eine an vielen Stellen stotternde Impfkampagne. Nach wie vor ist der Impfstoff von Biontech ein rares Gut – was vor allem das Boostern jüngerer Menschen erschwert. Das reichlich verfügbare Moderna soll nach einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission erst für Menschen ab 30 Jahren verwendet werden. Während die PCR-Tests zum sicheren Nachweis einer Infektion rationiert werden, sprechen sich Politiker für das Aussetzen der Präsenzpflicht an Schulen aus.

Das Impfzentrum oberhalb der Landungsbrücken am Stintfang steht möglicherweise vor dem Aus. Grund ist der fehlende Nachschub an Biontech. Wie die verantwortliche Ärztin Dr. Annett Wittig dem Abendblatt sagte, herrsche akuter Impfstoffmangel.

Corona Hamburg: Dem Impfzentrum am Stintfang fehlt Biontech

Die Stadt Hamburg und die Sozialbehörde unterstützten das von der niedergelassenen Orthopädin und ihrem Team betriebene Impfzentrum nicht. Dabei, so Wittig, habe man seit Mitte Dezember von morgens bis abends geöffnet. Impfkandidaten können ohne Termin in das Jugend- und Kulturzentrum kommen und sich gegen das Coronavirus immunisieren lassen. Dass dieses Angebot gut angenommen werde, belegten 20.000 Impfungen bislang. Die Behörde antwortete ihr, sie könne Wittig nicht beauftragen. Das setze ein „sehr komplexes und langwieriges Vergabeverfahren“ voraus.

Der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich, erklärte dem Abendblatt, grundsätzlich teilten die Landesregierungen den Ärzten keinen Impfstoff zu. Die Niedergelassenen können bei Apotheken bestellen. Allerdings kommt zurzeit von fünf bestellten Vials Biontech (30 Dosen) meist nur eins pro Arzt an. Ärztin Wittig hatte die Möglichkeit, auf Bestellungen von Kollegen zurückzugreifen.

Behördensprecher Helfrich sagte, der Senat begrüße das Engagement. Aber: „Auch Impfungen werden, wie andere medizinische Leistungen, vorrangig durch die Ärzteschaft im niedergelassenen Bereich vorgenommen.“ Hamburg mache denjenigen weitere Angebote, „die vom Regelsystem nicht oder nicht ausreichend erreicht werden“.

Hamburg: Neues Corona-Impfzentrum im EEZ geplant

Wittig stellt das nicht zufrieden. Sie vermutet, dass ihr Angebot ausgebremst werden soll. Sie plant nun mithilfe des Betreibers ECE und der Otto Group eine Impfeinrichtung im Elbe-Einkaufszen­trum. Sie sagte, im Westen Hamburgs gebe es ohnehin zu wenige Angebote. Die Öffnungszeiten sollen sich nach den Läden richten. Start sei am 1. Februar, die Familie Otto unterstütze sie. „Wir können nur hoffen, dass wir ausreichend Impfstoff haben.“

Angesichts der deutlich gestiegenen Infektions- und Quarantänezahlen bei Kindern, Jugendlichen und Lehrkräften hat die Linken-Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Sabine Boeddinghaus, die Aufhebung der Präsenzpflicht an Schulen gefordert. „Mir ist schleierhaft, worauf Senator Rabe noch wartet. Ich erwarte von ihm, sich endlich vom Dogma der Präsenzpflicht zu lösen und die Voraussetzung für ihre Aussetzung zu schaffen“, sagte Boeddinghaus.

Dazu gehöre auch, dass die Schulgemeinschaften selbst mehr Gestaltungsspielraum im Umgang mit der Pandemielage erhielten, um in Distanz- oder Wechselunterricht übergehen und verstärkt außerschulische Lernorte nutzen zu können.

Hamburger Senat hält an Präsenzpflicht in Schulen fest

„Selbstverständlich bleibt die Schule weiterhin geöffnet, ganz besonders für Schülerinnen und Schüler, die direkte Unterstützung und Begleitung benötigen“, sagte Boeddinghaus. Darüber hinaus wären halbierte Klassen und versetzte Unterrichtszeiten wichtige Bausteine zur Verringerung von Kontakten. „Das Festhalten an der Präsenzpflicht an den Schulen ist zu einem Zwang zur Infektion geworden.“

Während die Berliner Schulverwaltung am Montag bekannt gab, die Präsenzpflicht bis Ende Februar auszusetzen, hält Schulsenator Ties Rabe (SPD) an diesem Grundsatz und der Öffnung der Schulen fest. „Für mich zählt jedes Kind. Deshalb denke ich auch daran, dass Schulschließungen oft schlimme Folgen für die Bildung, die psychische Entwicklung und die Gesundheit der Kinder haben“, sagte Rabe dem „Spiegel“. Allerdings gibt es, wie berichtet, innerhalb des rot-grünen Bündnisses auch Stimmen wie die der Grünen-Bürgerschafts-Fraktionschefin Jennifer Jasberg, die für eine Aussetzung der Präsenzpflicht sind.

Aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Infektionen und Quarantänen wird es erst am Donnerstag geben. Die bisherige Praxis, am Montag die Daten zur vorangegangenen Woche mitzuteilen, habe das Institut für Hygiene und Umwelt in Abstimmung mit der Sozialbehörde aufgegeben, hieß es aus der Schulbehörde.

Grünen-Abgeordneter Steffen plant Impfpflicht mit Bußgeld

Der Eimsbütteler Bundestagsab­geordnete und frühere Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat zusammen mit sechs weiteren Parlamentariern von SPD, Grünen und FDP angekündigt, einen Gesetzentwurf zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht von 18 Jahren an vorzulegen. „Wir haben die Sorge, dass nach einem relativ entspannten Sommer die Zahlen im Herbst und Winter wieder dramatisch ansteigen. Das kann nur mit einer höheren Impfquote verhindert werden“, sagte Steffen.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Um das zu erreichen, sei eine breit aufgestellte Impfkampagne erforderlich und am Ende eine Impfpflicht, die auch mit einem Bußgeld ausgestattet sei. „Unsere Motivation liegt vor allem darin, langfristig mit Blick auf die kommende Herbst- und Winter-Saison vorbereitet zu sein und eine Überlastung des Gesundheitssystems auch in zukünftigen Infektionswellen zu vermeiden“, heißt es in einem Schreiben der sieben Abgeordneten an alle Mitglieder des Bundestages.

Corona: Soldaten unterstützen Hamburg bei Kontaktnachverfolgung

100 Soldatinnen und Soldaten aus Husum werden die Sozialbehörde auch weiterhin bei der Kontaktnachverfolgung unterstützten. Das teilte das Landeskommando der Bundeswehr am Montag mit. Die Soldaten hatten bereits am 4. Januar den Amtshilfeeinsatz an der Billstraße und am Friedrich-Ebert-Damm angetreten und arbeiten sieben Tage die Woche. Verlängert wurde ihr Einsatz nun bis zum 22. Februar.

Am Montag meldete die Sozial­behörde 4613 Corona-Neuinfektionen. Damit steigt die Sieben-Tage-Inzidenz weiter an und liegt nun bei 1881,9. Aktuell werden in den Krankenhäusern 460 Corona-Patienten behandelt. 73 von ihnen werden intensivmedizinisch versorgt. Die Hamburger Hospitalisierungsinzidenz, also die Zahl der in Krankenhäusern neu aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche, stieg von 4,64 am Freitag auf 6,42 am Montag.