Hamburg. Der Kanzlerkandidat spricht beim Europaabend über die Probleme der CDU/CSU, Corona, Einwanderung und einen möglichen Linksrutsch.

Beim Europaabend des AGA Unternehmensverbandes hatte Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider die Gelegenheit, Kanzlerkandidat Armin Laschet vor Publikum zu befragen. Es ging um die Probleme der CDU/CSU und den Ton im Wahlkampf, um Corona, Einwanderung und einen möglichen Linksrutsch. Und natürlich um Angela Merkel, Olaf Scholz, Christian Lindner und Markus Söder.

Das sagt Armin Laschet über …

… den Wahlkampf und die Probleme der CDU:

„Der jetzige Wahlkampf ist etwas eigenartig, weil er sehr von außen beeinflusst ist. Normalerweise würde man einen Wahlkampf anderthalb Jahre vorbereiten. Ich habe mich im Februar 2020 im Team mit Jens Spahn um den CDU-Vorsitz beworben, der hätte im April entschieden sein sollen, und dann hätten wir den Wahlkampf vorbereitet. Aber uns hat das ganze Jahr 2020 eher und zu Recht die Pandemie beschäftigt als der Wahlkampf. Es war ein Vorteil für die Grünen, weil sie nicht in Regierungsverantwortung waren und ihr Wahlprogramm vorbereiten konnten.

Wir hatten bis Januar nicht mal eine Führung. Dann musste der Kanzlerkandidat gefunden werden, was auch nicht ein ganz so flüssiger Prozess war … Insgesamt ist das ein besonderer Wahlkampf, weil die Zeit eine besondere ist. Ich habe den Wahlkampf im Juni/Juli abgesagt, weil die Flutkatastrophe war. Ich konnte nicht im Schwarzwald einen Waldwipfelpfad besuchen und in Heidelberg das Schloss, wenn in Nordrhein-Westfalen die Menschen vor dem Nichts stehen. Also musste der Wahlkampf zurückstehen. Das waren Momente, die nicht einfach waren.“

… den Umgang der Kanzlerkandidaten untereinander:

„Ich finde, dass wir im persönlichen Umgang in Deutschland uns eine Kultur bewahrt haben, dass man nicht persönlich attackiert, auch wenn es manchmal Tiefschläge gibt. Wir werden nicht, wie in den USA, nach der Wahl ein gespaltenes Land haben, das total verfeindet ist. Das ist mir wichtig.“

… ein umstrittenes Interview mit Kinderreportern in der TV-Sendung „Late Night Berlin“:

„Das kann einen nur ärgern. Ich rede gern mit Kindern. Ich habe ein anderes Format gemacht, eine Diskussion mit einer Schulklasse, die Kinder waren natürlich auch vorbereitet. Aber das waren Kinder und die stellten auch Kinderfragen. Hier war das so, dass ich mit dem Kind sprach, das hatte einen Knopf im Ohr, und wenn ich gefragt hätte, ob es heute ein Eis gegessen hat, hätte das Kind nicht geantwortet. Sondern es hätte ihm einer eingesagt: Ja, ich habe ein Eis gegessen. Das Kind, ein Elfjähriger, hat mich dann gefragt, ob meiner Meinung nach Hans-Georg Maaßen ein Nazi oder ein Rechter ist. Und dann habe ich gesagt: „Oh, du kennst Hans-Georg Maaßen.“ Pause, Pause, Pause, dann kommt die nächste Frage: „Sie waren doch 2017“, sagt der Elfjährige, „bei der gleichgeschlechtlichen Ehe skeptisch.“ Ich sage: „Wie kommst du denn da drauf?“ „Ja, das stand im Spiegel.“ So sprechen Kinder nicht. Ich habe versucht, freundlich zu sein, aber es ist ein spezielles Format gewesen.“

… Bürokratieabbau und Klimawandel:

„Wenn wir alle sagen, dass ein klimaneutrales Industrieland unsere Zukunft ist, dann geht das nicht mit dem Tempo, in dem wir im Moment arbeiten. Plan- und Genehmigungsverfahren und alles, was daran hängt, dauern zu lange. Wenn aber alle erkennen, dass die Klimakrise so gravierend ist, dann hoffe ich, dass auch die Grünen, die da immer am meisten bremsen, bereit sind, Verfahren zu verkürzen und Instanzenwege abzuschneiden.“

… die Impfquote:

„Wir sind auf einem guten Weg. Aber die Frage ist: Wollen wir mehr Zwang machen? Ich war letzte Woche bei Frankreichs Präsident Macron, der verpflichtet bestimmte Berufsgruppen zum Impfen und hat damit eine Impfquote von 80 Prozent erreicht. Ich will keine Impfpflicht. Ich glaube, dass es am Ende eine höhere Akzeptanz gibt, wenn die Menschen das frei entscheiden. Sie merken doch, wie aufgewühlt unsere Gesellschaft ist. Deshalb finde ich: überzeugen, gute Argumente nennen, aber keine Impfpflicht.“

… die Frage, ob man Leuten, die sich nicht impfen lassen, sagen muss, dass es das Risiko gibt, das sie den Herbst oder Winter nicht überleben:

„Das muss man sagen. Aber es gibt so viele Lebensrisiken, wenn sie die alle verhindern wollen, dann sind wir ein anderes Land. Es gibt auch das Recht zu sagen: Ich will mich nicht impfen lassen. Mit dem Risiko, das man dann selbst trägt. Aber der Staat wird nicht jedem Menschen jedes Risiko abnehmen können.“

… 2G, also die Möglichkeit, nur Genesene und Geimpfte in Restaurants, Theater etc. einzulassen:

„Es ist in Ordnung, dass Hamburg das macht. Wir in Nordrhein-Westfalen machen es nicht, und wir stehen nicht viel schlechter da.“

… das Aussetzen der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte, die in Quarantäne müssen:

„Das wird kommen. Es wird am 11. Oktober kommen, weil dann die Finanzierung der Tests ausläuft und das in einem gedanklichen Zusammenhang steht.“

… Einwanderung nach Deutschland:

„Wir brauchen qualifizierte Einwanderung, und wir müssen darum werben. Ich bin nicht sicher, ob unsere kollektive Körpersprache so ist, dass, wenn ein qualifizierter Arbeitnehmer irgendwo auf der Welt in ein Konsulat geht und sagt, ich möchte nach Deutschland kommen, man dann sagt: Sehr gut, kommen Sie rein, Sie kriegen einen Kaffee. Oder ob man sagt: Hier ist ein Berg von Formularen, und eigentlich willst du dich nur ins Land schleichen. Die erste Frage ist, ob wir ausstrahlen: Wir wollen, dass ihr kommt. Oder strahlen wir aus: Bloß nicht. Ich fürchte, Letzteres stimmt, auch wenn es besser geworden ist. Wir müssen denen, die nicht in die Sozialsysteme einwandern, sondern die ihren Beitrag in unserem Land leisten wollen, klarmachen, dass es sich lohnt, nach Deutschland zu gehen. Was ohnehin schwierig ist, weil die englischsprachigen Länder natürlich eher ausgewählt werden. Wer zu uns kommt, muss ja erst mal Deutsch lernen, was schon anspruchsvoll genug ist.“

… einen möglichen Linksruck in Deutschland und Europa:

„Die Bedrohung des europäischen Projekts ging bisher eher von den Rechten als von den Linken aus. Deren Einfluss schmilzt aber. Klar ist: Wenn in Frankreich Frau Le Pen die Wahl gewinnen würde, wäre das ein anderes Europa. Wenn in Deutschland eine Linke mitregiert, ist das eine extreme Gefahr für das europäische Projekt.“

… die Möglichkeit einer Großen Koalition mit der CDU als Juniorpartner:

„Rechnen kann ja jeder. Aber gut wäre das nicht. Ich schließe aus, dass wir mit der Linken oder der AfD gehen. Punkt. Ansonsten müssen Demokraten sich jetzt einfach noch mal ein paar Tage gedulden und dann sehen, was geht. Wir haben letztes Mal erlebt, dass die SPD keine Große Koalition wollte. Dann ist Jamaika gescheitert, und nur durch den Einsatz des Bundespräsidenten war überhaupt eine Regierungsbildung in Deutschland möglich.“

… Ausschließen von Koalitionen:

„Ausschließen ist Quatsch, ich erwarte auch von Christian Lindner nicht, dass er die Ampel ausschließt. Aber bei der Linken ist das etwas anderes. Olaf Scholz erwartet ja auch von mir, dass ich eine Koalition mit der AfD ausschließe. Und natürlich gibt es einen Unterschied zwischen den beiden: Die AfD gehört ganz aus den Parlamenten raus. Aber bei der Linken kann man doch inhaltlich sagen: Einer, der jeden europäischen Integrationsschritt ablehnt, der aus der Nato rauswill und über Enteignung philosophiert, kann doch nicht in einer deutschen Regierung sitzen. Das sind meine Bedenken, nicht, ob einer früher mal in der SED war, das ist 30 Jahre her. Aber was die Linken heute an politischen Positionen vertreten, gefährdet Deutschland. Und Scholz sagt das indirekt auch, indem er all die Themen benennt, aber er schließt es nicht aus. Das haben seine Vorgänger bei früheren Bundestagswahlen klipp und klar gemacht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Olaf Scholz nach der Wahl noch den Einfluss in der SPD hat oder ob nicht ganz andere, die seit Monaten dieses Bündnis in kleinen Runden vorbereiten, in den Räumen des Bundestages, ob die dann nicht am Ende bestimmen, wie die Koalition aussieht.“

… die Frage, ob 16 Jahre Angela Merkel als Kanzlerin am Ende der CDU auch geschadet haben:

„Bin ich nicht sicher. Da kommt eine Menge zusammen, auch Fehler in der Wahlkampagne. Meine Auftritte waren auch nicht nur glücklich in der Zeit.“

… die Plakate der CDU/CSU, die Christian Lindner als „ältlich“ bezeichnet:

„Der Christian Lindner macht auf seinen Plakaten auf supercool, das ist nun nicht wie ein CDU-Kanzlerkandidat auftritt. Jeder hat seinen Stil, ich finde unsere Plakate gar nicht so schlecht. Finden Sie diese ganz roten der SPD toll oder die ganz grünen der Grünen? Die Plakate der FDP sprechen zehn Prozent der Bevölkerung an, und das reicht für die FDP. Eine Volkspartei muss aber eine ganze Breite ansprechen, von Ostdeutschland bis Westdeutschland, sogar in Bayern werden die geklebt. Ich finde unsere Plakate nicht mittelmäßig, ich finde die supercool.“

… die Lage von Christian Lindner:

„Christian Lindner ist jetzt auch in einer schwierigen Lage. Die SPD will ja lieber Linke statt Lindner. Natürlich ist das Programm der SPD und das der Grünen eher bei den Linken als bei der FDP. Christian Lindner hält uns schon für zu links, deshalb kann ich mir gar nicht vorstellen, wie das gehen soll, eine Ampel. Er kann innerlich nur darauf hoffen, dass die CDU/CSU auf Platz eins liegt, ohne Scherz. Denn dann wäre eine Jamaikakoalition, die ich Stand jetzt für eine gute hielte, möglich. Wenn nicht, muss er erklären, warum er mit seinen FDP-Positionen in eine rot-grüne Koalition als drittes Rad geht. Ich spreche ihn ab und an, und ich habe ihm erklärt, dass er mit seiner Zweitstimme CDU wählen soll, und ich denke, das macht er auch.“

… die Frage, ob er sich nach der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden im Bundestag wählen lässt:

„Wir gucken am Sonntag, wie die Lage ist, und wir hätten auch für den Posten des Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen mehrere gute Leute.“

… die Frage, ob Markus Söder oder Olaf Scholz der härtere Gegner war:

„Das kann man nicht sagen. Es ist eine ganz andere Frage, ob man innerparteilich etwas klärt oder ob man in einem großen Wettbewerb steht. Ich finde es wichtig, dass wir persönlich nicht so verletzlich einen Wahlkampf führen, sodass man danach nicht mehr miteinander reden kann. Das ist bei der Aggression, die wir in der Gesellschaft haben, wichtig, auch in Deutschland.“