Hamburg. Stadt geht einen Sonderweg. Finanzsenator stellt Einzelheiten vor. Beispiele für Einfamilienhäuser und Büro- und Wohngebäude.
Der Hamburger Senat will von 2025 an ein stark vereinfachtes Grundsteuermodell einführen. Nachdem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kürzlich durchblicken ließ, dass die Stadt nicht dem Reformvorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) folgen wird, hat Finanzsenator Dressel (SPD) am Dienstag erstmals Details der geplanten Hamburger Regelung vorgestellt.
Demnach soll die Grundsteuer künftig 0,02 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche und 0,40 Euro pro Quadratmeter Gebäudefläche betragen. Dabei sollen Gebäudeflächen, die zu Wohnzwecken genutzt werden, eine Begünstigung von 50 Prozent erhalten. Wie angekündigt, wird außer den Flächen nur die Lage der Immobilie berücksichtigt. Dabei soll es lediglich zwei Lagefaktoren geben: 1 für gute Lagen und 0,75 für normale Lagen. Die Einstufung orientiert sich am Hamburger Wohnlageverzeichnis.
Hamburger Grundsteuermodell: Zustimmung von vielen Seiten
Das kommt auch nicht alle Tage vor. Nachdem Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Dienstag erstmals Eckpunkte für eine Grundsteuerreform vorgestellt hat, gab es Zustimmung aus ganz unterschiedlichen Lagern: Vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) ebenso wie von der Handelskammer, von der oppositionellen CDU ebenso wie von den Regierungsparteien SPD und Grüne.
Lob gibt es vor allem für zwei Punkte. Erstens: Hamburg will sich gegen das von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagene Modell entscheiden, das im Kern eine Neubewertung aller Immobilien in Deutschland vorsieht – was in einer Großstadt mit stark steigenden Immobilienpreisen die Grundsteuer massiv nach oben getrieben hätte. Die Stadt nutzt stattdessen die eigens im Gesetz geschaffene „Öffnungsklausel“ und entwickelt ein eigenes „Wohnlagemodell“. Auch Bayern, Hessen und Baden-Württemberg gehen Sonderwege.
Das Wohnen in Hamburg soll nicht verteuert werden
Zweitens wird begrüßt, dass der Senat ein möglichst einfaches System anpeilt und sich klar dazu bekennt, dass das Wohnen dadurch insgesamt nicht verteuert werden soll – denn die Grundsteuer betrifft alle Immobilieneigentümer ebenso wie alle Mieter über die Nebenkosten. Inwiefern dieses Ziel flächendeckend erreicht wird, ist zwar noch offen. Wie schon Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) betonte auch Dressel erneut, dass es natürlich Gewinner und Verlierer der Reform geben werde, die ab 2025 greifen soll. Er habe zwar das Ziel, dass die Mehrbelastung fünf Euro pro Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteige. Eine „Kappungsgrenze“ sei aber steuerrechtlich nicht erlaubt
Verschiebungen in beide Richtungen lassen sich auch gar nicht vermeiden, da das Bundesverfassungsgericht die bisherige Grundsteuer explizit mit der Begründung gekippt hatte, dass sie auf völlig veralteten Immobilienwerten beruht und daher zu höchst ungerechten Ergebnissen führt. Mit anderen Worten: Wer bislang profitiert und sehr wenig Steuern gezahlt hat, muss künftig vermutlich mehr zahlen – das wird vor allem ältere Immobilien betreffen, deren Wert nie aktualisiert wurde. Wer dagegen bislang überdurchschnittlich viel Grundsteuer zahlt, kann sich auf eine geringere Belastung freuen – das wiederum trifft vor allem auf neuere Gebäude zu.
Jeder Hamburger kann ausrechnen, was auf ihn zukommt
Da das Gesetzgebungsverfahren erst im Herbst startet und erst ab 2022 probeweise Daten erhoben werden sollen, auf deren Grundlage noch an der einen oder anderen Stellschraube gedreht werden könnte, ist zwar noch nichts in Stein gemeißelt. Aber zumindest im Grundsatz zeichnet sich jetzt ab, wie die Grundsteuer in Hamburg künftig berechnet wird – sodass jeder Bürger sich schon grob ausrechnen kann, was auf ihn zukommt.
Demnach werden künftig zwei Cent pro Quadratmeter Grundstücksfläche und 40 Cent pro Quadratmeter Gebäudefläche fällig – wobei Wohngebäude eine Begünstigung von 50 Prozent erhalten. Daneben wird nur noch die Lage der Immobilie berücksichtigt. Hier hätten die Experten der Finanz- und der Stadtentwicklungsbehörde lang hin- und her überlegt, wie viele Faktoren angebracht sind, sagte Dressel. Am Ende habe man sich für die einfachste Lösung entschieden, die sich zudem beim Mietenspiegel bewährt habe.
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Es wird lediglich zwei Lagefaktoren geben
Es wird lediglich zwei Lagefaktoren geben: 1 für gute Lagen und 0,75 für normale Lagen – die Einstufung orientiert sich am Hamburger Wohnlageverzeichnis.
Einige Rechenbeispiele aus der Finanzbehörde:
- 1.) Einfamilienhaus, „gute“ Wohnlage, mit 1000 Quadratmetern Grundstücksfläche und 100 Quadratmetern Wohnfläche: Für diese Immobilie würden künftig 400 Euro Grundsteuer im Jahr fällig, die sich so berechnen: 20 Euro für das Grundstück (1000 mal 0,02 Euro) plus 20 Euro für das Gebäude (100 mal 0,40 Euro mal 50 Prozent mal Lagefaktor 1) – macht insgesamt 40 Euro. Die Summe muss nur noch mit dem Grundsteuerhebesatz von 1000 Prozent multipliziert werden – ergibt 400 Euro.
- Ob der Hebesatz künftig wirklich 1000 Prozent betragen wird, ist noch offen. Aber klar ist: Der bisherige Hebesatz von 540 Prozent wird im neuen Modell angehoben, damit das Grundsteueraufkommen neutral bleibt: Es soll weder steigen noch sinken – das ist das gemeinsame Ziel aller Bundesländer. Hamburg nimmt knapp 500 Millionen Euro im Jahr an Grundsteuer ein, bundesweit sind es 14 Milliarden Euro.
- 2.) Das gleiche Haus wie im ersten Beispiel, aber in „normaler“ Lage: Hier sind nur 350 Euro Grundsteuer im Jahr fällig, weil sich der Lagefaktor auswirkt. Die 20 Euro für das Gebäude werden dabei nicht mit 1, sondern mit 0,75 multipliziert – macht also 15 Euro. Am Ende sind 1000 Prozent von 35 Euro zu zahlen – also 350 Euro.
- 3.) Ein unbebautes, aber nicht baureifes Grundstück mit 1.000 Quadratmetern Grundstücksfläche, normale Lage: Hier wird schlicht die Quadratmeterzahl mal 0,02 Euro gerechnet, ergibt also 20 Euro. Darauf 1000 Prozent macht 200 Euro. Da kein Gebäude auf dem Grund steht, wirkt sich der Lagefaktor nicht aus.
- 4.) Das gleiche Grundstück, aber baureif: Hier schlägt die neue „Grundsteuer C“ zu, mit der der Senat Bodenspekulation unterbinden will. Statt 1000 könnten 2000 Prozent Hebesatz angesetzt werden, sodass dieses Grundstück 400 Euro Grundsteuer kosten würde. Die Details dazu stehen noch nicht fest, aber das Ziel ist klar: „Wir wollen dadurch Wohnungsbaupotenziale aktivieren“, sagte Dressel und appellierte an Eigentümer von baureifen Grundstücken. „Nutzen Sie die nächsten fünf Jahre!“
- 5.) Büro- und Wohngebäude, normale Wohnlage, Grundstücksfläche: 1.000 Quadratmeter, Wohnfläche 200, Nutzfläche 600: Hier wird es etwas komplizierter. Für das Grundstück sind wieder 20 Euro fällig (1.000 mal 0,02 Euro). Im Gebäude kommen 30 Euro für den Wohnbereich hinzu (200 mal 0,40 Euro mal 50 Prozent mal Lagefaktor 0,75) sowie 240 Euro für die Nutzfläche (600 mal 0,40 Euro). Ergibt insgesamt 290 Euro. Darauf 1000 Prozent führt zu einer jährlichen Grundsteuer von 2.900 Euro. Diese könnte der Eigentümer auf die verschiedenen Mieter und Nutzer umlegen. Nach diesem Prinzip könnten sich auch Mieter in größeren Wohngebäuden ihre künftige Grundsteuer berechnen – Beispielrechnungen dazu hat der Senat noch nicht vorgelegt.
- 6.) Industriebetrieb, 10.000 Quadratmeter Grundstück, 5000 Quadratmeter Nutzfläche: Hier schlägt der Grund und Boden mit 200 Euro zu Buche (10.000 mal 0,02 Euro) und die Nutzfläche mit 2000 Euro (5000 mal 0,40 Euro), zusammen also 2200 Euro. 1000 Prozent davon sind 22.000 Euro.
„Eine neue Grundsteuer muss mehrere Kriterien erfüllen: einfach zu administrieren, klare und folgerichtige Belastungsentscheidungen, aufkommensneutral und für alle nachvollziehbar“, sagte Dressel und betonte: „Wir wollen Verwerfungen am Hamburger Wohnungsmarkt vermeiden, der Segregation in unserer Stadt entgegenwirken und erhebliche Mehrbelastungen für Steuerpflichtige vermeiden.“ Entlang dieser Vorgaben sei ein Wohnlagemodell sinnvoll, und zudem sei es sehr unbürokratisch, so Dressel: „Es werden nur wenige und einfach ermittelbare Angaben der Steuerpflichtigen benötigt, was wiederum technisch wenig Aufwand und im Ergebnis geringere Kosten bedeutet.“
"Grundsteuermodell von Olaf Scholz für uns keine Lösung"
Aus der CDU kam Zustimmung zu den Senatsplänen: „Es ist gut, dass jetzt auch der Hamburger Senat erkannt hat, dass das Grundsteuer-Modell von Olaf Scholz für unsere Stadt keine Lösung ist“, sagte Finanzexperte Thilo Kleibauer. „Wir unterstützen den Weg einer eigenen Landesregelung bei der Grundsteuer. Die neue Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke sehe er allerdings skeptisch: „Dies ist eine Alibi-Lösung, die schon einmal gescheitert ist.“
Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), sagte: „Der Hamburger Weg ist klug, einfach und überzeugend. Damit weicht er diametral von dem Scholzschen-Reformvorschlag ab. Das ist gut so, denn dieser ist kompliziert, teuer und ungerecht.“