Hamburg. CDU und Linke wollen Sondersitzung des Schulausschusses. Rot-Grün lehnt ab. Familien-Initiative schreibt an Bürgermeister.

Der Streit über den Umgang von Hamburger Senat und Schulsenator Ties Rabe (SPD) mit der Corona-Pandemie wird immer schärfer geführt. Die CDU forderte am Mittwoch eine Sondersitzung des Schulausschusses, um zu klären „warum die Ergebnisse der Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und des Heinrich-Pette-Instituts zum Superspreader-Event an der Heinrich-Hertz-Schule so lange von Schulsenator Rabe zurückgehalten wurden“. Außerdem müssten die „Konsequenzen daraus für den Schulalltag unter Coronabedingungen“ diskutiert werden.

„Bereits seit Anfang Oktober sollen die eindeutigen Ergebnisse der Untersuchung zum Corona-Ausbruch an der Heinrich-Hertz-Schule dem Gesundheitsamt vorgelegen haben“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Demnach löste eine Person dort ein Superspreader-Event aus.

Und trotz dieser Erkenntnis behauptete Hamburgs Schulsenator mit Unterstützung des Ersten Bürgermeisters bis zuletzt und offensichtlich wider besseres Wissen, dass Hamburgs Schulen sichere Orte seien. Senator Rabe muss jetzt umgehend aufklären, seit wann er die Ergebnisse der Untersuchung kennt und warum er diese Ergebnisse gegenüber der Öffentlichkeit und der Bürgerschaft zurückgehalten hat.“

Linke: monatelange Untätigkeit der Schulbehörde

Auch Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus forderte eine Sondersitzung des Schulausschusses. Sie begrüßte zwar, dass der Senat am Dienstag entschieden hatte, die Präsenzpflicht an Schulen zunächst bis 17. Januar auszusetzen. Leider wälze Senator Rabe „aber weiterhin die Verantwortung auf die Eltern ab“. Damit erzeuge er „genau die Situation, die er doch selbst angeblich unter allen Umständen vermeiden wollte: dass nämlich der Zugang zu den Bildungsangeboten abhängt von den individuellen Möglichkeiten des Elternhauses".

Das Vorgehen zeuge „von monatelanger Untätigkeit seiner eigenen Behörde und leider auch der versammelten Kultusministerkonferenz“. Lehrkräfte, Schüler und ihre Eltern seien „zum Opfer geworden von Legendenbildung und Zahlenspielereien“, so Boeddinghaus. „Deshalb brauchen wir jetzt eine Sondersitzung des Schulausschusses, in der wir Aufklärung und Transparenz erwarten - sowohl über die Studienergebnisse zum Infektionsgeschehen an der Heinrich-Hertz-Schule, als auch über kurz-, mittel-, und längerfristige Strategien im Umgang mit der Pandemie bis zu den Sommerferien.“

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SPD und Grüne verteidigen das Vorgehen

SPD und Grüne wiesen die Forderung nach einer Sondersitzung zurück. Aus ihrer Sicht ist der Senat transparent mit den Daten der Untersuchung zur Heinrich-Hertz-Schule umgegangen. Die Zahlen seien in eine Präsentation einer größeren Erhebung von Senator Rabe im November eingegangen. Dass sie nicht separat veröffentlicht worden seien, liege daran, dass die Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei.

"Wir befinden uns in der schwersten Gesundheitskrise seit der Spanischen Grippe und arbeiten mit allen verfügbaren Kräften daran, die Schulen am Laufen zu halten“, sagte SPD-Schulpolitiker Kazim Abaci. „Es ist nicht lange her, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft verkündete ,Hanseaten halten zusammen'. Stattdessen müssen wir nun erleben, wie die CDU nach jedem Strohhalm greift, um parteipolitisch zu punkten.“ Dass „dabei Eltern, Schülerinnen und Schüler verunsichert werden“, nehme sie „billigend in Kauf“, so Abaci. „In der Corona-Krise sind wir fortlaufend in der Verantwortung, die aktuelle Situation jeden Tag neu zu bewerten.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Grünen-Fraktionsvize Maryam Blumenthal sagte: "Es bleibt ein Fakt, dass Schulen nicht übermäßig am Infektionsgeschehen beteiligt sind. Und sie sind enorm wichtige Orte des sozialen Lernens miteinander und voneinander. Deshalb war und ist es wichtig, dass der Schulbetrieb soweit irgend möglich im Präsenzbetrieb bleibt.“ Schulen offen zu halten heiße auch, „dass berufstätige Eltern ihrem Job nachgehen können“, so Blumenthal. „Es bedeutet, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in dieser Ausnahme-Zeit aufzufangen. Präsenz sicherzustellen, ohne Gesundheit zu gefährden, und eine verständliche Stufenregelung für die Pandemiezeit zu entwickeln, bleibt eine entscheidende Aufgabe in den kommenden Monaten.“

Eltern-Initiative appelliert an Bürgermeister in einem Brief

Die Hamburger Vorsitzende der Eltern-Initiative „Familien in der Krise“, Anna-Maria Kuricová, übte derweil in einer Mail an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Senator Rabe Kritik an der Entscheidung des rot-grünen Senats, die Präsenzpflicht bis 17. Januar auszusetzen. Dies sei „enttäuschend“, zumal „die Aussetzung der Präsenzpflicht in Hamburg dazu geführt hat, dass in vielen Schulen kein Unterricht mehr vor Ort stattfindet und lediglich eine Notbetreuung angeboten wird“, so Kuricová in der Mail, die dem Abendblatt vorliegt. Damit seien „de facto alle Schüler im Distanzunterricht – mit allen Belastungen, die das für Kinder und Eltern mit sich bringt“.

Das stehe „im krassen Widerspruch zum bisher gut begründeten Kurs, so viel Präsenzunterricht wie möglich anzubieten und bei der Planung von Distanzunterricht und Wechselmodellen auch das Alter der Schüler mit einzubeziehen“. Auch in Hamburg sei „Wechselunterricht bislang nur für die älteren Jahrgänge ab Klasse 8 bei hoher Inzidenz vorgesehen gewesen, die jüngeren Kinder sollten weiter in die Schule kommen“.

Die Initiative fordere ein „pädagogisches Konzept“ und „Bildungsgerechtigkeit“ auch für die Pandemiezeit, so Kuricová weiter. Ihre Mail an Tschentscher und Rabe schließt mit einem dringenden Appell: „Bitte setzen Sie sich für funktionierende Wechselunterricht-Konzepte der Schulen und für ausreichenden Infektionsschutz wie z.B. Luftfilter und Schnelltests und ähnliches im Januar ein!“