Hamburg. Seit wann kannte Behörde Ergebnisse? CDU und Linke fordern Klarheit über weitere Pläne für Schulen. Kritik aus den eigenen Reihen.
Nach dem Bekanntwerden einer Studie zum Corona-Ausbruch an der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude hat die Opposition scharfe Kritik an Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) geübt. Wie berichtet, hatte der Senat auf eine Anfrage nach dem Transparenzgesetz mitgeteilt, dass der Ausbruch, bei dem im September fast 40 Schüler und Lehrer infiziert wurden, „in der überwiegenden Mehrzahl … höchstwahrscheinlich auf eine einzige Infektionsquelle zurückzuführen“ sei.
„Die Möglichkeit, dass der Ausbruch aus unabhängigen Einträgen resultiert, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden“, heißt es in der aus der Sozialbehörde stammenden Antwort auf der Internetseite „Frag den Staat“. Das sei das Ergebnis einer Untersuchung durch Heinrich-Pette-Institut und UKE.
Corona-Schulstudie: CDU kritisiert Rabe
„Schulsenator Rabe hat den Hamburgern immer wieder versichert, dass Schulen sichere Orte seien. Das ist durch die Studie an der Heinrich-Hertz-Schule widerlegt“, sagte CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver. „Es stellt sich die Frage, seit wann der Schulsenator dies wusste und ob er bewusst Tatsachen verheimlicht hat. Außerdem erhöhen diese neuen Erkenntnisse den Druck auf die Frage, wie es nun weitergeht.“
Rabe habe signalisiert, „dass die Schulbehörde über drei Szenarien nachdenke, wie der Unterricht an Hamburgs Schulen nach den Weihnachtsferien weitergehen könne“, sagte Stöver. „Anstatt hier über unterschiedliche Szenarien zu diskutieren, sollte sich der Schulsenator zu einem stringenten Vorgehen durchringen und bereits jetzt einen Fahrplan bis Ende Januar 2021 vorlegen. Eltern, Schüler und Lehrkräfte benötigen hier schnellstmöglich Klarheit.“
Linke: Was wusste Rabe die ganze Zeit?
Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus sagte, „die Mär des Schulsenators von den Schulen als sicheren Orten“ sei „endgültig widerlegt“. Das hätten „eh schon lange alle wissenschaftlichen Spatzen von den Dächern“ gepfiffen, sagte Boeddinghaus. „Nur der Schulsenator hielt stur an seinem Unsinn von den infektionsfreien Schulen fest. Und selbst diese Studienergebnisse wurden jetzt offenbar noch zurückgehalten aus Furcht vor dem zu Recht großen öffentlichen Interesse.“
Sie habe nun eine Schriftliche Kleine Anfrage an den Senat gestellt, so die Linken-Politikerin. „Dabei ist mir eine Frage ganz besonders wichtig: Hatte Senator Rabe bereits am 19. November Kenntnis von den Resultaten dieser Studie, als er seine eigenen Zahlen zum Infektionsgeschehen an den Hamburger Schulen im Rahmen einer Pressekonferenz vorstellte? Sollte das zutreffen, wäre das ein ungeheuerlicher Vorgang und Rabe hätte ein gewaltiges Problem“, sagte Boeddinghaus.
Und weiter: „Ich erwarte vom Senator nun, dass er seiner Verantwortung endlich nachkommt: Wir brauchen transparente Aufklärung und die Schulen brauchen noch in diesem Jahr Planungssicherheit mindestens bis zum Halbjahresende."
Corona an Schulen: Rabe kontert Kritik
Schulsenator Rabe wies die Kritik zurück. „Es ist absolut unverständlich, dass Hamburgs CDU und Linke den Senat ständig auffordern, die gemeinsame Linie aller Bundesländer zu verlassen und einen Sonderweg zu Lasten der Eltern und Kinder zu gehen“, sagte Rabe dem Abendblatt. „Nicht einmal die von CDU und Linke regierten Bundesländer tun das, was die CDU und die Linke in Hamburg fordern.“
Die Schulbehörde habe von Anfang an und mehrfach öffentlich dargestellt, dass es an der Heinrich-Hertz-Schule eine größere Zahl schulinterne Infektionen gegeben habe, teilte der Senator mit. „Wir waren bisher von bis zu 34 schulinternen Infektionen an der Heinrich-Hertz-Schule und bis zu 80 an allen Schulen in der Zeit zwischen den Sommer- und den Herbstferien ausgegangen, insofern sind die 25 nachgewiesenen Infektionen keine Überraschung.“
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Information Teil der Entscheidungsgrundlage
Bisher wurden die Ergebnisse der Untersuchung allerdings offenbar nicht veröffentlicht. Darüber gibt es nun auch innerhalb der rot-grünen Koalition Unmut. Es interessiere auch die Regierungsabgeordneten, seit wann die Studienergebnisse der Schulbehörde bekannt gewesen seien, kommentierte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Michael Gwosdz bei Facebook.
Auch er wolle wissen, „mit welcher Begründung die Behörde das so zurückgehalten hat“, so Gwosdz weiter. „Schließlich war die Information, dass es aus unterschiedlichen Familien kam, Teil der Entscheidungsgrundlage für das weitere Handeln.“
Kritik an Rabe sogar von SPD-Politiker
Implizite Kritik an der bis kurz vor Weihnachten verfolgten Linie des SPD-Schulsenators kommt mittlerweile auch aus dessen eigener Fraktion. SPD-Rechtspolitiker Urs Tabbert kommentierte am Montagabend bei Facebook: „Ich bin weiterhin für Wechselunterricht oder andere Möglichkeiten, wie man den Schülern zumindest teilweise Unterricht in den Schulen ermöglicht, aber mit hinreichendem Abstand. Das Infektionsrisiko ist mit Volllast des Schulbetriebes –Maskenpflicht hin oder her – beim derzeitigen Infektionsgeschehen nicht vertretbar, finde ich. Weder gegenüber den Schülern noch gegenüber den Lehrern.“
Nirgendwo sonst werde es Menschen zugemutet, „stunden- und tagelang so eng nebeneinander zu sitzen“, so Tabbert. „Dann wird, wie ich es über meine Kinder mitbekomme, argumentiert: mit x,y,z kann ich mich privat auch ohne Maske treffen und auch dort übernachten, denn wir hätten uns in der Schule als Nebensitzerinnen ja ohnehin schon längst angesteckt.“ Hinzu komme „die neue Mutation und die wohl medizinische Erkenntnis, dass ein hohes Infektionsgeschehen Mutationen begünstigt“, schreibt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete. „Da kann man doch nicht weiterhin den Glaubenssatz vom Präsenzunterricht vor sich her beten.“