Hamburg. An der Binnenalster bekommen Radfahrer und Fußgänger deutlich mehr Platz. Der Verkehrsraum wird völlig neu aufgeteilt.
Noch ist der Status dieses Streifens etwas unklar. Wer sich als Fußgänger oder Radfahrer darauf wagt, wird schnell von Autofahrern belehrt, dass dies ihr Revier ist. Doch damit ist es im Herbst vorbei. Denn wenn die Bauarbeiter abrücken, wird das, was derzeit am Ballindamm noch die rechte Fahrspur ist, zu Hamburgs breitestem Radweg: 2,75 Meter – und das nur für den stadtauswärts radelnden Verkehr. In der Gegenrichtung wird ein ebenso breiter Radweg entstehen.
„Wir bauen den Radweg am Ballindamm in einem XXL-Format, das es so noch nicht gegeben hat“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Donnerstag bei einer Baustellenbesichtigung. „Der Straßenraum wird an dieser Stelle endlich gerechter aufgeteilt, und dem gerade an dieser Stelle zunehmenden Radverkehr wird der Platz zugestanden, der für eine sichere Fahrt auf zwei Rädern benötigt wird.“
Radwege in Hamburg werden meist 2,25 Meter breit gebaut
Früher seien Radwege standardmäßig 1,85 Meter breit gewesen, inzwischen plane man meistens mit 2,25 Metern, so Tjarks. Aber 2,75 Meter – das sei für Hamburg derzeit Rekord. Der enorm gestiegene Radverkehr, der jeden Morgen auf beiden Seiten der Außenalster Richtung Innenstadt strebt und abends wieder zurück, rechtfertigt aus Sicht der Planer diese Breite. Zudem sei die Zahl der Kraftfahrzeuge zwischen 2014 und 2017 von 19.000 pro Tag auf rund 13.500 zurückgegangen.
Für die Stadt besonders erfreulich: Der ganze Umbau des Ballindamms kostet sie am Ende nur noch rund zwei Millionen Euro. Denn von den Gesamtkosten von 8,8, Millionen Euro übernehmen nicht nur die in einem Business Improvement District (BID) zusammengeschlossenen Anlieger 1,2 Millionen, sondern nun auch der Bund weitere 5,7 Millionen – das wurde am Donnerstag bekannt.
Hamburg hatte sich um Mittel aus dem neuen Topf „zur Förderung innovativer Projekte zur Verbesserung des Radverkehrs in Deutschland“ beworben – und jetzt den Zuschlag erhalten. Damit sei die Hansestadt das erste Bundesland in Deutschland, das diese Förderung erhalte, so Tjarks.
Droßmann: „Der Bund fördert keinen Unfug“
„Mut lohnt sich“, lobte Falko Droßmann (SPD), Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte, in dessen Regie die Bauarbeiten laufen, seine Planer. „Der Bund fördert keinen Unfug, die haben sich die Planung sehr genau angeschaut.“ Auch in Berlin sei das Projekt offensichtlich als modellhaft eingestuft worden und solle nun Strahlkraft auf Großstädte mit vergleichbaren Problemen entwickeln.
Die Arbeiten am Ballindamm gehen weit über die Verbreiterung der Radwege hinaus: Der gesamte, 33 Meter breite Raum zwischen Binnenalster und der Bebauung wird völlig neu gestaltet. Gab es bislang für den motorisierten Verkehr je Richtung zwei Fahrspuren, aber nur handtuchbreite, rumpelige Radwege, in der Mitte der Straße auf halber Länge einen Parkstreifen und auf der Alsterseite zudem nur einen sehr schmalen Fußweg, wird dieser Raum nun komplett anders verteilt: Künftig gibt es je Richtung nur noch eine Fahrspur, einen XXL-Radweg sowie deutlich mehr Platz für Fußgänger.
„Kommen einer autoarmen Innenstadt ein Stückchen näher“
„Auch die Fußgängerinnen und Fußgänger erhalten hier an einem der schönsten Plätze Hamburgs mehr Aufenthaltsqualität und müssen nicht auf geparkte Autos schauen“, sagte Tjarks. „Mit dieser Maßnahme kommen wir dem Wunsch nach einer neuen Verteilung von Verkehrsflächen und nach einer autoarmen lebendigen Innenstadt ein Stückchen näher.“
Wenn es nach dem Verkehrssenator geht, sollte der Ballindamm viel stärker als Promenade wahrgenommen werden. Schließlich sei das „die gute Stube der Stadt“, wo die Hamburger und ihre Gäste die Abendsonne über der Binnenalster genießen könnten.
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Die 45 Parkplätze in der Mitte der Straße entfallen, aber es bleiben 38 am Straßenrand. Hinzu kommen 68 Fahrradstellplätze, neue Sitzmöglichkeiten und eine „Promenadenbeleuchtung“. Für die Umgestaltung nehmen die Planer auch in Kauf, dass entlang der 700 Meter langen Straße einige Bäume weichen müssen. Die charakteristische Doppelbaumreihe aus Linden bleibe aber erhalten und am Nordende durch Neuanpflanzungen sogar verlängert, so Droßmann. „Es wird besser aussehen, obwohl es einige Bäume weniger sind.“
Bald Busverkehr am Ballindamm?
Droßmann betonte zwar auch, dass es ihm nicht darum gehe, „die verschiedenen Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen“. Aber klar ist bereits: Wenn als Nächstes der angrenzende Jungfernstieg für den motorisierten Individualverkehr gesperrt wird, wird der Ballindamm im Prinzip zu einer Anliegerstraße, die vor allem die Zufahrt zu Tiefgaragen und Parkhäusern in der Innenstadt sicherstellt. Möglicherweise wird es dort künftig auch Busverkehr geben. Aber die Zeiten, in denen Autoposer vor der Europa Passage oder der Hapag-Lloyd-Zentrale die Motoren aufheulen ließen, dürften dann vorbei sein.
Die exakte Planung für den Umbau des Jungfernstiegs steht zwar noch aus. Doch Droßmann machte bereits deutlich, dass er sich schon mit Blick auf das Stadtbild eine „bauliche Ähnlichkeit“ wünsche – was also die Aufteilung des Straßenraums, die Pflasterung der Gehwege, die „Möblierung“, die Beleuchtung oder die Bepflanzung betreffe. Und natürlich, so ergänzte Tjarks, werde es auch am Jungfernstieg breite Radwege geben.
Das Vorzeigeprojekt Ballindamm, das im November 2020 fertig sein soll, kann er im April 2021 bereits auf dem „Nationalen Radverkehrskongress“ vorstellen – der findet nämlich in Hamburg statt. Auf Einladung des Bundesverkehrsministeriums werden sich dann Experten aus dem In- und dem Ausland über Chancen und Potenziale des Radverkehrs austauschen. Tjarks: „Wir werden Hamburg als fahrradbegeisterte Metropole präsentieren.“