Hamburg. 673 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben. Neuverschuldung steigt auf Rekordniveau. Welche Zukunftsprojekte geplant sind.

„Wir werden nicht gegen die Krise ansparen“, hatten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und sein rot-grüner Senat immer wieder betont. Am Dienstag ließen Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Verkehrssenator Anjes Tjarks und Umweltsenator Jens Kerstan (beide Grüne) der Ansage Taten folgen und präsentierten einen Nachtragshaushalt für 2020, der zusätzliche Ausgaben von 673 Millionen Euro vorsieht. Die Summe enthält erste Bausteine des Hamburger Konjunktur- und Wachstumsprogramms und soll vor allem in „Zukunftsaufgaben“ wie Klimaschutz und Mobilitätswende fließen.

Von dem Geld stammen 120 Millionen aus Bundesmitteln (etwa Kita-Zuschüsse und höhere Umsatzsteueranteile) und 160 Millionen aus Kreditaufnahmen. Der größere Teil wird dagegen im Haushalt umgeschichtet. So kann der Ansatz für Zinsausgaben um 100 Millionen Euro gesenkt und eine Vorsorge für konjunkturelle Risiken in Höhe von 150 Millionen Euro aufgelöst werden.

Und wo fließt das Geld hin? „Der größte Posten ist der Schnellbahnausbau“, kündigte der Finanzsenator an. 255 Millionen Euro sollen als Kapitaleinlage in das Sondervermögen zur Finanzierung des Schnellbahnausbaus fließen. Das ist eine Art Sparbuch, das vor allem der Finanzierung der neuen U-Bahn-Linie 5 dienen soll.

1,5 Millionen Menschen pro Tag im Nahverkehr unterwegs

Verkehrssenator Tjarks stellte fest: „Wir machen ernst mit den Themen Klimaschutz und Mobilitätswende. Etwa die Hälfte des Geldes fließt in die Mobilitätswende. Wir wollen mehr Druck auf die Segel bekommen.“ Man werbe Mittel ein für die Planung der S 32 und der U 5 Mitte West, zusammen etwa 30 Millionen Euro. Trotz einer „Coronadelle“, die inzwischen teilweise wieder überwunden sei, „denn 1,5 Millionen Menschen pro Tag“ nutzten inzwischen wieder den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), werde man weiterinvestieren. „Wir wollen 50 Prozent mehr Fahrgäste bis 2030 befördern“, sagte Tjarks und betonte: „Wir machen mit dem Ausbau des ÖPNV ernst.“

Für den Ausbau des Radverkehrs gibt es 30 Millionen Euro zusätzlich, was Tjarks besonders freute: „Noch nie wurden so viele Haushaltsmittel für den Radverkehr bereitgestellt – diese haben sich im Vergleich zu 2017 vervierfacht. Und die Investitionen, die wir beim ÖPNV vereinbart haben, liegen in 2020 um fast 70 Prozent höher als vor zwei Jahren. Das ist eine gute Grundlage, um die Mobilitätswende zu beschleunigen.“ Die Ausgaben für den Radverkehr seien seit 2015 von 15,2 Millionen Euro auf 69 Millionen Euro in 2020 gestiegen. Betrachte man allein die Ausgaben für die Infrastruktur (also ohne Bike+Ride, StadtRad, Reinigung und Winterdienst), so gebe es eine Steigerung von 12,7 Millionen Euro (2015) auf 60 Millionen im laufenden Jahr. Damit seien es pro Einwohner jetzt 36 Euro im Jahr.

Investitionen für klimafreundlichen Verkehr

Neben den Investitionen für klimafreundlichen Verkehr und Infrastruktur stellt der Senat nach Angaben von Jens Kerstan (Grüne) zusätzlich 25 Millionen Euro für Maßnahmen aus dem im Dezember 2019 beschlossenen Klimaplan bereit. „Wir haben ein ehrgeiziges und wirksames Klimagesetz und viele neue Verabredungen zum Klimaschutz im Koalitionsvertrag“, sagte Kerstan.

Bis 2030 wolle man den CO2-Ausstoß halbieren und dann so schnell wie möglich zur klimaneutralen Stadt werden. Mit dem zusätzlichen Geld sollen beispielsweise mehr Ladesäulen für Elektroautos gebaut werden, neue Straßenbäume gepflanzt werden und klimafreundliche Gebäude gefördert werden. Die Bezirke erhalten für Klimaschutz 1,2 Millionen Euro. „Wir wollen mit diesen Maßnahmen den Corona-Schock überwinden“, so der Umweltsenator. Das Geld sei gut investiert, denn Klimaschutz sei in vielen Fällen auch Konjunkturhilfe. „Kluge Investitionen in klimafreundliche Gebäude, Technik oder In­frastruktur schaffen und sichern Arbeitsplätze“, so der Umweltsenator.

Als weitere Zukunftsprojekte nannte Dressel die Aufstockung des Lehrpersonals und eine Anschubfinanzierung für die Reform der Lehrerbildung (115,4 Millionen Euro), 33,4 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Einrichtungen (Clubhaus Wilhelmsburger Ruderclub, Quartierssporthaus Hamburg Towers, Sportzentrum Habichtstraße, Clubhaus Farmsener TV, Sportpark Hagenbeckstraße, Kulturzentrum Motte). Die Digitalisierungsanstrengungen der Stadt sollen mit 50 Millionen Euro gestärkt werden. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) in den Bezirken soll 26 Vollzeitkräfte dazu bekommen (zwei Millionen Euro). Für die gesetzlichen Leistungen und Hilfen zur Pflege, die im Zuge der Krise kräftig ansteigen, werden 130 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Die Justiz bekommt als Ausgleich für verminderte Erlöse der Justizkasse 15 Millionen Euro.

Fehlbetrag im Haushalt: 3,2 Milliarden Euro

Der Einbruch der Steuereinnahmen auf der einen und höhere Ausgaben auf der anderen Seite führen auch zu einem nie dagewesenen Loch im Haushalt. Auf voraussichtlich 3,2 Milliarden Euro werde sich der Fehlbetrag im Haushalt am Jahresende belaufen, sagte Dressel. Geplant sei daher eine Nettokreditaufnahme von 2,56 Milliarden Euro, „um unseren Beitrag dazu zu leisten, dass der Laden wieder ins Laufen kommt“, so der Finanzsenator.

Zum Vergleich: Das wäre eine um 1,5 Milliarden Euro größere Kreditaufnahme als in der Finanzkrise vor zehn Jahren. Kleiner Trost: Nachdem die Stadt in den vergangenen Jahren stets große Überschüsse erwirtschaftet hatte, kann sie knapp 1,5 Milliarden aus der „Konjunkturposition“ entnehmen – das sind quasi angesparte Kreditermächtigungen. Dass sie eine weitere Milliarde zur „Finanzierung einer Notsituation“ aufnehmen muss, war bereits bekannt.

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Bei der CDU stieß der Nachtragshaushalt auf Kritik. „Insgesamt will der rot-grüne Senat in diesem Jahr neue Schulden von über 2,5 Milliarden aufnehmen. Das ist ein absolutes Rekordniveau und lässt sich nur bedingt mit Konjunkturmaßnahmen erklären“, sagte Finanzexperte Thilo Kleibauer. „An manchen Stellen bekommt man eher den Eindruck, dass die Koalition bislang immer mehr versprochen hat als der Haushaltsplan ermöglichte. Mehrbedarfe für die Schulen und die schon lange versprochene HVV-Angebotsoffensive müssen dauerhaft in der Haushaltsplanung berücksichtigt werden.“