Hamburg. Stichproben der Behörde zeigen: In manchen Schulen ließ sich fast jeder dritte Pädagoge vom Unterricht befreien.
Nach den Sommerferien wird in Hamburg der reguläre und komplette Unterricht ohne Abstandsregeln in den Grundschulen und wohl mindestens auch in den fünften und sechsten Klassen der weiterführenden Schulen wieder starten. Das hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) im Gleichklang mit den Kultusministern von sieben weiteren Ländern angekündigt.
Neben organisatorischen Herausforderungen geht es jetzt vor allem darum, sicherzustellen, dass eine ausreichende Zahl von Lehrern zur Verfügung steht, um den Präsenzunterricht wieder aufnehmen zu können. „Alle Länder sorgen sich darum, dass zum neuen Schuljahr alle Lehrkräfte an Bord sein müssen. Deshalb wird jetzt in allen Ländern die Attestpflicht eingeführt, auch Hamburg wird diesen Schritt gehen“, sagte Rabe dem Abendblatt. Baden-Württemberg hat bereits angekündigt, die Attestpflicht für Lehrer zum 29. Juni einzuführen.
Zählen 30 Prozent der Lehrer zur Risikogruppe?
Bislang müssen Lehrer in Hamburg nur gegenüber dem jeweiligen Schulleiter erklären, dass sie einer Covid-19-Risikogruppe angehören, um vom derzeit eingeschränkt stattfindenden Präsenzunterricht in der Schule befreit zu werden. Zudem sind die Kriterien für eine Befreiung relativ weit gefasst.
In Hamburg wird die Zahl dieser „Krankmeldungen“ nicht zentral erfasst. Laut Schulbehörde haben Stichproben an zehn Schulen einen Anteil von bis zu 30 Prozent Befreiungen ergeben. Kultusminister anderer Länder befürchten, dass sich zwischen 20 und 30 Prozent der Lehrkräfte den Risikogruppen zurechnen könnten. Um möglichen Ängsten vor einer Infektion zu begegnen, will Rabe Visiermasken an Lehrkräfte verteilen und kostenlose Testungen anbieten.
Wie momentan unterrichtet wird
Bis zu den Sommerferien, die in der kommenden Woche beginnen, findet an den Schulen coronabedingt ein eingeschränkter Präsenzunterricht in Lerngruppen mit höchstens 15 Schülern statt. Gleichzeitig sind nur 20 bis 25 Prozent der Schüler in der Schule – mit einem entsprechend niedrigeren Bedarf an Lehrern in der Schule.
Der „Ergänzende Muster-Corona-Hygieneplan für alle staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg“ regelt, unter welchen Voraussetzungen sich Lehrerinnen und Lehrer derzeit vom Präsenzunterricht in der Schule befreien lassen können. Zu den Risikogruppen zählen Lehrkräfte mit „Herzerkrankungen (z. B. koronare Herzerkrankungen, Herzklappenfehler, Bluthochdruck), Erkrankungen oder chronischen Erkrankungen der Lunge, der Leber, der Niere, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen, einem geschwächten Immunsystem“.
Befreien lassen können sich auch Lehrer, die 60 Jahre und älter sind. „Beschäftigte, die einer der Risikogruppen angehören, können auf eigenen Wunsch auf der Grundlage eines ärztlichen Attests oder einer plausiblen Erklärung gegenüber der Schulleitung im Homeoffice bleiben“, heißt es im Corona-Hygieneplan.
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Bilden sich Lehrer ein, zur Risikogruppe zu zählen?
Wenn der Regelbetrieb an den Grundschulen und mindestens auch in den fünften und sechsten Klassen der weiterführenden Schulen in vollem Umfang nach den Sommerferien wieder aufgenommen wird, werden „Ausfälle“ von 20 bis 30 Prozent nicht zu verkraften sein. Deswegen wird Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Hürden für eine Befreiung vom Präsenzunterricht erhöhen.
Laut Rabe haben Gespräche mit Schulleitungen ergeben, dass der Anteil der über 60-jährigen Lehrer, die unter den Corona-Bedingungen nicht in die Schule zurückkehren wollen, eher gering ist. Rund dreiviertel aller Pädagogen im siebten Lebensjahrzehnt zog es nach der coronabedingten Pause zurück in die Schule. Der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtlehrerschaft beträgt in Hamburg acht Prozent.
Eine niedergelassene Ärztin aus dem Großraum Hamburg berichtet, dass sich überdurchschnittlich viele Lehrer krankschreiben lassen wollen, weil sie Angst hätten, sich anzustecken und sich für Risikopatienten hielten, ohne es in Wahrheit zu sein. Ein Krankenhausarzt berichtet, dass Lehrer ihm „die Bude einrennen, um mit banalsten Gründen eine Bescheinigung zu erhalten, dass sie Risikopersonen seien“.
Die GEW-Landeschefin Anja Bensinger-Stolze nannte die Rückkehr in den Regelbetrieb nach den Sommerferien „wünschenswert, aber leichtfertig“.