Zustimmung für die Fortsetzung der Senatskoalition – parteiinterne Kritik mussten Sozialdemokraten wie Grüne einstecken.
Von acht SPD-Posten im neuen Hamburger Senat sollen nur zwei auf Frauen entfallen – dieser Vorschlag von SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher hatte für Ärger in seiner Partei gesorgt. Manche Mitglieder spekulierten, der Wahlsieger könne am Sonnabend einen „Denkzettel“ bekommen bei der Online-Abstimmung über das geplante Personaltableau und über den neuen Koalitionsvertrag mit den Grünen.
Nun liegt das Ergebnis vor, wie die SPD am frühen Abend mittteilte. Es zeigt eine deutliche Diskrepanz: Von 312 SPD-Delegierten stimmten 288 für den Koalitionsvertrag, bei 18 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Das entspricht einer Zustimmung von 92,3 Prozent. Für Tschentschers Personalvorschlag hingegen gab es 238 „Ja“-Stimmen, bei 60 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen. Das entspricht einer Zustimmung von 76,3 Prozent.
Tschentscher spricht von Zustimmung "mit großer Mehrheit"
Tschentscher sprach gleichwohl davon, dass die Zustimmung „jeweils mit großer Mehrheit erfolgt“ sei und bedankte sich für die Unterstützung. „Hamburg steht in der Corona-Krise weiterhin vor großen Herausforderungen, die wir mit Zuversicht angehen und erfolgreich bewältigen wollen“, sagte Tschentscher, der am 10 Juni erneut zum Ersten Bürgermeister gewählt werden kann, da auch die Hamburger Grünen am Sonnabend einer Neuauflage der Koalition zugestimmt haben (siehe unten).
Kritik an dem Senatstableau hatte im Vorfeld etwa Sandra Goetz geäußert, die Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). Goetz stimmte am Sonnabend trotzdem dem Vorschlag zu, forderte allerdings: „Peter Tschentscher muss nachjustieren – so schnell wie möglich. Wir können keine vier bis fünf Jahre warten.“ Damit spielte sie darauf an, dass Tschentscher in Videokonferenzen und im SPD-Landesvorstand erklärt habe, dass er im Fall einer Vakanz im künftigen Senat diesen Posten mit einer Frau besetzen würde.
Kritik an Senatsvorschlag: "etliche kompetente Frauen in der Hamburger SPD"
Zu den SPD-Mitgliedern, die zwar dem Koalitionsvertrag zustimmten, aber das Senatstableau ablehnten, gehört Laura Wohnrath, stellvertretende Vorsitzende der Hamburger Jusos und Abgeordnete in der Bergedorfer Bezirksversammlung. "Als SPD setzen wir uns für Gleichstellung und Gleichberechtigung an“, sagte Wohnrath. „Dafür habe auch ich im Wahlkampf bei Wind und Wetter an den Infoständen geworben, ich wollte möglichst viele Hamburger von unserer Partei überzeugen. Nun ist es sehr enttäuschend, dass der Eindruck vermittelt wird, SPD-Frauen könnten nicht durch die Krise führen, es brauche vor allem Männer im Senat. Da stellt sich die Glaubwürdigkeitsfrage."
Zwar hätten die SPD-Senatsmitglieder bisher eine „großartige Arbeit geleistet“, sagt Wohnrath. „Aber es gibt mit Sicherheit etliche kompetente Frauen in der Hamburger SPD, die Senatsposten übernehmen könnten. Es muss mehr dafür getan werden, diese Frauen in der ersten Reihe sichtbar zu machen.“
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Grünen-Parteitag: viel Kritik, aber auch viel Zustimmung
Auch bei den Hamburger Grünen stießen die Pläne für eine Neuauflage von Rot-Grün längst nicht bei allen Parteimitgliedern auf ungeteilte Zustimmung. Die grüne Parteispitze und die Verhandlungsführer der Ökopartei mussten sich am Sonnabend zunächst viel Kritik anhören in einer fast dreistündigen Debatte mit Delegierten über den neuen Koalitionsvertrag mit der SPD.
Trotzdem gab es bei dem Sonder-Landesausschuss am Ende ein starkes Votum für eine Fortsetzung der rot-grünen Partnerschaft: 30 von 34 Grünen-Delegierten stimmten am frühen Abend in der Medienschule Wandsbek mit „Ja“ – das entspricht einer Zustimmung von rund 88 Prozent. Drei Grünen-Delegierte stimmten gegen den neuen Koalitionsvertrag und das geplante Senatstableau, wonach die Grünen künftig vier statt drei Senatsmitglieder stellen sollen. Es gab eine Enthaltung. Ein Delegierter nahm an der Abstimmung nicht teil.
Grüne hatten ihre Ergebnis mehr als verdoppelt
Zum Vergleich: Bei der Abstimmung über den rot-grünen Koalitionsvertrag 2015 hatten damals von rund 300 anwesenden Grünen-Mitgliedern rund 70 Prozent für den Koalitionsvertrag gestimmt.
Bei der Wahl zur neuen Bürgerschaft am 23. Februar 2020 hatten die Grünen 23,2 Prozent der Stimmen gewonnen und damit ihr Ergebnis von 2015 fast verdoppelt. Entsprechend selbstbewusst traten die Grünen dann bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD in den vergangenen Wochen auf.
Fegebank: "Koalitionsvertrag mit deutlicher grüner Handschrift"
Bei dem Sonder-Landesausschuss am Sonnabend ging es nun darum, ob die Parteimitglieder den Verhandlungsführerinnen um Grünen-Landeschefin Anna Galina und der Zweiten Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank folgen würden. Wegen der Corona-Beschränkungen war ein normaler Parteitag nicht möglich. Stattdessen hatten der grüne Landesvorstand, die Fraktion, die grünen Kreisverbände und die grüne Jugend eine repräsentative Delegation zu der Abstimmung in Wandsbek entsandt.
Zu Beginn warb Anna Gallina für die Annahme der Vereinbarungen mit der SPD. „Wir haben heute einen deutlich besseren Koalitionsvertrag als vor fünf Jahren.“ Katharina Fegebank rief die Partei zur Geschlossenheit auf. Es gebe genügend Gründe zur Freude: „Das ist ein Koalitionsvertrag mit einer deutlichen grünen Handschrift“, sagte Fegebank. Sie hob etwa das Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen und zur Verkehrswende in Hamburg hervor. Zudem reklamierte Fegebank die vereinbarte „autoarme“ Innenstadt und die aufgestockte Finanzierung der staatlichen Hochschulen als Erfolge für die Grünen.
Fehlendes Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2035 sorgt für Kritik
Fegebank räumte allerdings ein, dass die Grünen längst nicht all ihre Verhandlungsziele erreicht hätten. Die SPD habe sich genauso wie die Grünen als Wahlsiegerin gefühlt. Deshalb seien die Verhandlungen ein „hartes Ringen“ gewesen.
Die Kritik etlicher Delegierter entzündete sich insbesondere daran, dass die Grünen nicht ihr Ziel erreicht haben, im Koalitionsvertrag festschreiben zu lassen, dass Hamburg bis 2035 klimaneutral werden soll. Insbesondere aus diesem Grund hatte die Grüne Jugend schon am Freitag erklärt, dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen zu wollen.
Vier statt fünf Senatorenposten sorgen für Unmut
Für Unmut gesorgt hat auch, dass die Grünen nur vier statt der anstrebten fünf Senatorenposten bekommen werden. Zudem bemängelten mehrere Delegierte, dass in dem neuen Koalitionsvertrag nicht festgelegt wurde, wie von den Grünen gefordert jährlich 100 Kilometer an neuen Radwegen zu schaffen, sondern dass es zunächst 60 bis 80 Kilometer pro Jahr sein sollen.
Enttäuscht zeigten sich einige Delegierte auch darüber, dass die Grünen „bittere Pillen“ wie den Bau der A26-Ost schlucken müssen. In den meisten kritischen Wortbeiträgen wurde allerdings darauf hingewiesen, dass die Grünen auch künftig unbedingt mitregieren sollten in Hamburg.