Hamburg. Start der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen. Die Parteien zeigen sich optimistisch, aber es gibt auch Streitpunkte.

In Coronazeiten läuft alles anders – auch die Bildung der neuen Hamburger Regierung. Unter den derzeit gängigen Abstandsregeln haben sich SPD und Grüne mit einigen Wochen Verspätung am Donnerstag nun erstmals zu offiziellen Koalitionsgesprächen getroffen – im Großen Festsaal des Rathauses, der ja besonders viel Platz bietet. Natürlich stand der Auftakt der Gespräche dabei auch inhaltlich voll im Zeichen der Coronakrise. Denn diese bestimmt nicht nur dies Politik dieser Wochen und Tage – ihre Auswirkungen werden auch die kommenden Jahre deutlich prägen.

Man sei auch finanziell jetzt in einer ganz anderen Situation als vor der Krise, betonte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in seiner Stellungnahme nach Ende der ersten Verhandlungsrunde am Donnerstagnachmittag. „Am Anfang der Koalitionsverhandlungen macht man sich ein Bild von den finanziellen Möglichkeiten“, sagte Tschentscher. Und da sehe es heute ganz anders aus als vor zwei Monaten. Während man damals noch Überschüsse im Haushalt erwirtschaft habe, sei man angesichts der „erheblichen Millionen bis Milliardenbeträge“, die man für die Krisenbewältigung ausgebe, nun in einer ganz anderen Lage.

Tschentscher verspricht Milliarden gegen Krise

Die Coronakrise werden sich gleich dreifach auf den Haushalt auswirken, so der Bürgermeister. Erstens habe man hohe Ausgaben für die Hilfsmaßnahmen, zweitens werde die Krise die Sozialsysteme stark belasten – und drittens werde es eine „erhebliche Minderung der Einnahmenbasis“ geben. Das werde spätestens die Mai-Steuerschätzung allen klar vor Augen führen. Man werde daher viele der bisherigen Pläne auf den Prüfstand stellen müssen, so Tschentscher. Gleichwohl bleibe man bei der geplanten Schwerpunktsetzung in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur, Klimaschutz, Bildung und Kitabetreuung.

„Wir werden wahrscheinlich mit einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise zu tun haben, der wir auch begegnen müssen“, sagte Tschentscher. Das solle durch ein „umfassendes Investitionsprogramm“ geschehen. Dafür seien die Grundlagen bereits gelegt, etwa durch die Programme im Schul- und Hochschulbau und in den Verkehrs- und Infrastrukturprojekten. Diese hätten eine „erhebliche Größenordnung“ von 20 Milliarden Euro für die kommenden 20 Jahre. Diese Pläne sollten auch als Konjunkturprogramm „unbedingt aufrecht erhalten“ werden. Daher müsse man „sehr kritisch in anderen Bereichen prüfen, welche Ausgaben wir zusätzlich uns noch leisten können“. Trotz der Krise bleibe Hamburg dabei seinen Haushalt auf Basis doppischer Kalkulation bis 2024 strukturell auszugleichen. Auch der neue Senat werde „sehr solide mit dem Geld der Steuerzahler umgehen“.

Fegebank will "20 Milliarden plus X bis 2040"

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) betonte, dass die Gespräche „atmosphärisch sehr angenehm“ gelaufen seien und es eine „große Einigkeit“ gegeben habe, zumal SPD und Grüne bereits „gute Erfahrungen in einer sehr zuverlässigen Partnerschaft gemacht und auch schon Krisen gemeinsam bewältigt“ hätten.

Einig sei man sich, dass man „nicht in die Krise hineinsparen“ wolle. Das Investitionsprogramm solle nicht nur genutzt werden, „um aus der Coronakrise gut herauszukommen, sondern zugleich auch die Klimakrise und die Wirtschaftskrise mit starken Investitionsimpulsen zu kontern“, so Fegebank. Schwerpunkte seien die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Innovation und eine Mobilitätswende. Mit dem Programm „20 Milliarden plus X bis 2040“ könne man „zuversichtlich und mit ganz viel Kraft in die nächsten Jahre gehen“.

Verhandlungen unter "völlig anderen Vorzeichen"

Auch SPD-Chefin Melanie Leonhard sprach von „völlig anderen Vorzeichen“. Man könne derzeit noch nicht genau sagen, wann man welche Themenbereiche verhandeln werde. Angesichts der besonderen Lage werde man jeweils von Termin zu Termin entscheiden, wann man welche Themen bespreche.

„Uns hilft in dieser Situation sehr, dass wir bereits über fünf Jahre einen guten, vertrauensvollen Umgang miteinander hatten“, so Leonhard. „So sind wir heute auch sehr gut über mehrere Stunden miteinander im Einvernehmen gewesen.“ Gemeinsames Ziel sei „eine zukunftsfeste Metropole unter dem Gesichtspunkt Kampf gegen den Klimawandel aber auch Hamburg als eine Stadt für alle“. Gleichzeitig müsse man sich verständigen, was die „vordringlichen Maßnahmen sind, um alle Menschen hier gut durch die Coronakrise zu bringen“ – „damit die Hamburgerinnen und Hamburger zusammen mit uns zuversichtlich in die Zukunft gucken können“.

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Grünen-Chefin Anna Gallina sagte, sie sei sehr froh, dass man sich in den Verhandlungen mit den zwei Krisen beschäftigt habe: der Corona- und der Klimakrise. „Um den gesellschaftlichen Frieden und die Wirtschaftlichkeit zu erhalten wird es nötig sein, dass man das möglichst gut zusammenbringt in den nächsten Jahren“, so Gallina. Denn die notwendigen Investitionen stünden ja nicht zweimal zur Verfügung. Deswegen müsse man sehr intelligente Programme auflegen, die beides zusammenbrächten. Zugleich müsse man auf die „dynamische Entwicklung in den kommenden Jahren dynamisch reagieren“.

Die zweite Verhandlungsrunde ist für den kommenden Montag angesetzt. Die weiteren Termine sollen danach jeweils kurzfristig anberaumt werden

Wo SPD und Grüne uneins sind

Wenngleich es in vielen Themenbereichen eine grundsätzliche Einigkeit zwischen SPD und Grünen gibt, weichen die Positionen hier und da auch deutlich voneinander ab. So wollen die Grünen Hamburg bereits 2035 mit deutlich radikaleren Maßnahmen zur „klimaneutralen Stadt“ machen; die SPD hat das für 2050 geplant.

Auch bei der Verkehrswende haben die Grünen ehrgeizigere Ziele. Sie streben eine flächendeckend „autoarme“ Innenstadt an, während die SPD sich das nur punktuell vorstellen kann. Die Grünen wollen künftig 100 Kilometer neue Radwege pro Jahr bauen, der SPD dagegen reichen die bisher veranschlagten 50 Kilometer. Aus Sicht der Grünen ist es unsinnig, mit der geplanten Autobahn 26-Ost und dem nötigen Ersatzbau für die marode Köhlbrandbrücke zwei extrem teure Querungen über den Köhlbrand zu finanzieren. Die SPD hält an beiden Projekten fest. Die Grünen lehnen zudem die geplante Kapazitätserweiterung des Flughafens ab. Streit über Fluglärm dürfte dieser Tage aber wohl kein vordringliches Thema sein.