Hamburg. Um mehr Transparenz zu ermöglichen, könnte die Warburg-Bank den Senat von der Schweigepflicht entbinden. Es geht um 47 Millionen Euro.

In der Auseinandersetzung um die umstrittenen Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank denkt der Hamburger Senat auch über eine Aufhebung des Steuergeheimnisses nach. Zu einer entsprechenden Forderung der Grünen sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag am Rande der Landespressekonferenz im Rathaus: „Auch die SPD-Senatoren sind der Meinung, dass das ein Weg sein könnte. Aber er muss absolut rechtlich sauber sein. Denn wir haben ein Steuergeheimnis – und dieses Steuergeheimnis ist ein sehr sehr scharf bewachtes Gut, das kein Senator oder Bürgermeister mal eben durchbrechen kann.“

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sagte, dass die Grünen das Thema Cum-Ex im Senat angesprochen hätten, man sei „in der Sache aber nicht viel weitergekommen, weil dem in Teilen das Steuergeheimnis entgegen steht“. Daher habe man Finanzsenator Andreas Dressel und Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) darum gebeten, „eine Situation herbeizuführen, damit wir in einem Sonderausschuss oder in einem anderen Rahmen über diese Themen reden“, so Kerstan, der betonte: „Dazu wird es notwendig sein, von Warburg eine Erlaubnis zu bekommen über das Steuergeheimnis hinaus Aussagen treffen zu können. Weil in der Tat es im Interesse aller ist, dass die aufgeworfenen Fragestellungen jetzt auch beantwortet werden können.“

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bestätigte dem Abendblatt, dass man sich mit der Frage beschäftigen werde: „Wir prüfen weiter alle Maßnahmen, um für noch mehr Transparenz sorgen zu können.“

Cum-Ex-Skandal bringt Scholz und Tschentscher in Bedrängnis

Bei Cum-Ex geht es um inzwischen verbotene Transaktionen, bei denen mehrere Beteiligte Aktienpakete rund um den Dividendenstichtag so schnell hin und herschieben, dass das Finanzamt den Überblick verliert und die Kapitalertragssteuer mehrfach erstattet. Wie berichtet, steht der Vorwurf im Raum, dass Hamburg in dem Zusammenhang 2016 darauf verzichtet hat, 47 Millionen Euro zu viel erstattete Steuern von der Warburg-Bank zurückzufordern.

Zusätzliche Brisanz bekam die Angelegenheit erstens, nachdem kürzlich bekannt wurde, dass es Ende 2017 ein Gespräch zwischen dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Warburg-Inhaber Christian Olearius gegeben hatte – was der Senat erst vor wenigen Monaten auf Anfrage der Linkspartei noch verneint hatte. Und zweitens hatte das Abendblatt aufgedeckt, dass aus dem Warburg-Umfeld 2017 gut 45.000 Euro Spenden an die SPD geflossen waren.

Scholz und Tschentscher hatten jegliche politische Einflussnahme auf Entscheidungen der Steuerverwaltung vehement zurückgewiesen, konnten sich aber unter Hinweis auf das Steuergeheimnis bislang nicht zu dem Einzelfall äußern. Aus dem Grund lehnt die SPD auch die von CDU, FDP und Grünen geforderte Sondersitzung des Haushaltsausschusses bislang ab: Er verspreche sich davon nichts Neues, da der Senat sich ja zu Details weiterhin nicht äußern dürfe, so der Ausschuss-Vorsitzende Mathias Petersen (SPD).

Aufhebung des Steuergeheimnisses in dem Fall noch vor der Wahl?

Daher hatte der Haushaltsexperte der Grünen, Farid Müller, die Aufhebung des Steuergeheimnisses ins Spiel gebracht. „Es ist der Eindruck der politischen Einflussnahme auf Steuerstrafverfahren entstanden, der dringend ausgeräumt werden muss“, so Müller. Damit Bürgermeister und die SPD für Klarheit sorgen können, müsse „das Steuergeheimnis vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte mit Blick auf diesen Fall neu bewertet werden“.

Müller hatte auch auf den entsprechenden Absatz im Paragraf 30 der Abgabenordnung hingewiesen, wo es heißt: „Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht.“ Das wiederum sei gegeben, „wenn die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern“. Die Formulierung wirkt wie maßgeschneidert für den aktuellen Fall.

Schulsenator Rabe sagte, dass SPD und Grüne daher inzwischen die „gemeinsame Auffassung“ hätten, „dass wir hier Warburg hier bitten könnten, dass wir hier freigestellt werden vom Steuergeheimnis. Dann wäre das ein möglicher Weg, aufzuklären.“ Wenig Hoffnung habe er aber, dass das noch vor der Wahl geschehen könnte.

Das Bankhaus M.M. Warburg wollte sich auf Anfrage des Abendblatts nicht zu Forderungen aus dem politischen Raum äußern. Die Anwälte der Eigentümer hatten die im Raum stehenden Vorwürfe als „gehaltlose Unterstellungen“ zurückgewiesen.