Hamburg. Unterschriften-Aktion startet: Außer mehr Sozialwohnungen wird gefordert, dass die Stadt keine Grundstücke mehr verkaufen darf.

Acht Wochen nachdem sie mit ihrer Ankündigung für Aufsehen gesorgt hatten, sind die beiden Volksinitiativen zur Wohnungspolitik am Mittwoch offiziell an den Start gegangen. Vor dem Rathaus haben ihre Vertreter bei strahlend blauem Himmel mit der Sammlung von Unterschriften begonnen. Sechs Monate haben sie Zeit, um im ersten Schritt 10.000 Stimmen von wahlberechtigten Hamburgern zu sammeln – gelingt das, muss sich die Bürgerschaft mit den Anliegen befassen.

Darum geht es: Die Initiative „Neubaumieten auf städtischem Grund. Für immer günstig“ fordert, dass auf städtischen Grundstücken nur noch Sozialwohnungen entstehen dürfen oder solche, deren Miete der einer Sozialwohnung entspricht (derzeit 6,60 Euro nettokalt pro Quadratmeter). Die Forderung ist eine Reaktion auf die seit Jahrzehnten rückläufige Zahl an Sozialwohnungen.

Von 2011 bis 2018 ist sie von 99.000 auf 80.000 gesunken – obwohl in dem Zeitraum 15.000 neue Sozialwohnungen gebaut wurden. Grund ist, dass mehr alte Bindungsfristen auslaufen, als neue hinzu kommen.

Forderung: Flächen nur im Erbbaurecht vergeben!

Die zweite Initiative „Boden und Wohnungen behalten. Hamburg sozial gestalten“ fordert, dass die Stadt „grundsätzlich keine Grundstücke und Wohnungen in Hamburg“ mehr verkaufen darf. Stattdessen sollen städtische Flächen nur noch im Wege des Erbbaurechts vergeben werden – also im Prinzip langfristig verpachtet werden. Auch der rot-grüne Senat will städtische Grundstücke künftig vorrangig verpachten, statt sie zu verkaufen. Die Initiative will in diesem Punkt aber weitergehen.

Hinter den Initiativen stehen der Mieterverein zu Hamburg, der Verein Mieter helfen Mietern und weitere Unterstützer wie die Gängeviertel-Initiative „Komm in die Gänge“ und die Eppendorfer Mietergruppe Haynstraße/Hegestraße. Im Prinzip handelt es sich um eine Initiative, die ihre Forderungen aber in zwei getrennten Anliegen angemeldet hat – was am „Kopplungsverbot“ liegt. Diese Regel in der Volksgesetzgebung untersagt, zwei verschiedenen Anliegen miteinander zu vermischen.

Was der Mieterverein Hamburg sagt

„Die in Hamburg dringend benötigten Baugrundstücke und Wohnungen sind zunehmend in der Hand von Unternehmen, die an der Gewinnmaximierung und nicht an der Wohnraumversorgung der Mieter interessiert sind“, sagte Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg zum Start der Unterschriftensammlung. „Um dieser Marktlogik Einhalt zu gebieten, darf die Stadt keine weiteren Grundstücke privatisieren. Eine sinnvolle Bodenpolitik von heute sichert den bezahlbaren Wohnraum von morgen.“

Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling sagte: „Grund und Boden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Sie sind Voraussetzungen für soziale und ökologische Stadtentwicklung. Der Ausverkauf der Städte muss ein Ende haben, Grundstücke müssen in der Hand der Stadt bleiben und höchstens im Wege des Erbbaurechts vergeben werden.“

Und Rechtsanwalt Marc Meyer von Mieter helfen Mietern betonte: „Es muss sichergestellt werden, dass Wohnungen dauerhaft günstig sind und nicht nach 15 oder 20 Jahren zu Spekulationsobjekten werden. Nur dadurch kann die Anzahl von günstigen Wohnungen wieder steigen.“

Umfrage: Mehr staatliche Eingriffe in Wohnungsmarkt

Unterstützung kam auch von der Linkspartei: „Die neuen Volksinitiativen nehmen die beiden größten Probleme von Hunderttausenden Hamburgerinnen aufs Korn: den Mietenwahnsinn und die Wohnungsnot vor allem im preisgünstigen Segment“, sagte deren Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann. „Das Verbot des Verkaufs städtischer Flächen würde in Verbindung mit der Mietendeckelung beim Neubau auf diesen Arealen dauerhaft günstige Wohnungen garantierten.“

Sudmann verwies auch darauf, dass sich einer Umfrage zufolge rund zwei Drittel der Hamburger mehr staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt wünschten.

Kritik kam hingegen vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW): „Die beiden Volksinitiativen legen die Axt an den Bau bezahlbarer Wohnungen in der Hansestadt“, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner. „Sie bedrohen im Kern das erfolgreiche Hamburger Wohnungsbauprogramm und bergen die Gefahr, dass künftig weniger bezahlbare Wohnungen errichtet werden und Menschen länger als bisher auf eine Wohnung warten müssen.“

"Bunt gemischte Stadtteile am sinnvollsten"

Die Forderung, künftig auf städtischen Grundstücken nur noch den Bau von Sozialwohnungen zu erlauben, widerspreche den Erkenntnissen moderner Stadtentwicklungspolitik, so Breitner. „Danach sind bunt gemischte Stadtteile am sinnvollsten und attraktivsten. Mit ihrer Forderung produzieren die Volksinitiativen die sozialen Brennpunkte von morgen, die dann wieder mit Hunderten Millionen Euro an Steuergeld saniert werden müssen.“

Grundstücke nur noch im Wege des Erbbaurechts zu vergeben, sei eine wohnungspolitische Sackgasse: „Sollten in Hamburg Grundstücke nur noch über das Erbbaurecht vergeben werden, werden in den kommenden zehn Jahren allein von den VNW-Wohnungsgenossenschaften bis zu 10.000 bezahlbare Wohnungen nicht errichtet“, warnte der VNW-Chef.

„Der Grund dafür ist einfach: Wer ein Grundstück lediglich im Rahmen des Erbbaurechts nutzen kann, benötigt doppelt so viel Eigenkapital für die Finanzierung seiner Neubauprojekte.“