Hamburg. Mietervereine fordern, dass die Stadt keine Grundstücke verkauft und auf ihren Flächen nur Wohnungen mit Sozialmieten entstehen.

Wohnen ist in Hamburg ohnehin seit Jahren eines der beherrschenden Themen. Doch kurz vor der Bürgerschaftswahl im Februar wird es jetzt durch zwei neue Volksinitiativen noch weiter angeheizt. Die beiden großen Mietervereine der Stadt und weitere Unterstützer fordern zum einen, dass auf städtischen Grundstücken nur noch Sozialwohnungen entstehen dürfen oder solche, deren Miete der einer Sozialwohnung entspricht (derzeit 6,60 Euro nettokalt pro Quadratmeter). Die Miete dürfe dann nur noch im Rahmen der Inflation, maximal jedoch um zwei Prozent im Jahr steigen. „Diese Mietpreisdeckelung soll für alle zukünftigen Neubauwohnungen auf städtischem Grund gelten, und zwar dauerhaft“ sagte Gilbert Siegler, der Initiator der Volksinitiativen.

In einer zweiten Initiative wird gefordert, dass die Stadt „grundsätzlich keine Grundstücke und Wohnungen in Hamburg“ mehr verkaufen darf. Stattdessen sollen städtischen Flächen nur noch im Wege des Erbbaurechts vergeben werden. „Die Stadt Hamburg kann dauerhaft auf die Nutzung der eigenen Grundstücke nur Einfluss nehmen, wenn diese im städtischen Eigentum verbleiben“, sagte Paul-Hendrik Mann, Rechtsanwalt beim Mieterverein zu Hamburg. „Durch Verkäufe wird die dauerhafte Einflussnahme auf eine soziale Nutzung der Grundstücke ausgeschlossen.“

Seit Jahrzehnten rückläufige Zahl an Sozialwohnungen

Dass die Mietervereine und ihre Unterstützer zwei Volksinitiativen anmelden, liege am „Kopplungsverbot“, erklärte der Mieter-Anwalt Bernd Vetter. Diese Regel in der Volksgesetzgebung untersagt, zwei verschiedenen Anliegen miteinander zu vermischen. Für ihn gehörten beide Forderungen zwar zusammen, sagte Vetter. Aber da man nicht riskieren wolle, aus formalen Gründen zu scheitern, habe man sich für eine Trennung entschieden.

Die Initiatioren reagieren vor allem auf die seit Jahrzehnten rückläufige Zahl an Sozialwohnungen. Von 2011 bis 2018 sei sie von 99.000 auf 80.000 gesunken – obwohl in dem Zeitraum 15.000 neue Sozialwohnungen gebaut wurden. Grund ist, das mehr alte Bindungsfristen auslaufen als neue hinzu kommen. „Wenn Wohnungsbau mit Steuergeldern zur Schaffung günstiger Wohnungen subventioniert wird, dann muss sichergestellt sein, dass diese Wohnungen, insbesondere für Menschen mit geringeren Einkommen, dauerhaft bezahlbar bleiben“, sagt Marc Meyer, Rechtsanwalt bei Mieter helfen Mietern.

Rot-grüner Senat will städtische Grundstücke verpachten

Er und Paul-Hendrik Mann werden zwei der drei Vertrauenspersonen der Volksinitiativen sein. Die nötige dritte Vertrauensperson werde noch gesucht, hießt es. Erst wenn das erfolgt ist, können die Initiativen offiziell angemeldet werden. Dann haben sie sechs Monate Zeit, um im ersten Schritt 10.000 Stimmen von wahlberechtigten Hamburgern zu sammeln. Meyer sagte, er gehe von einer Anmeldung Anfang Januar aus und dass man die nötigen Stimmen noch vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar beisammen haben werde.

Auch der rot-grüne Senat will städtische Grundstücke künftig vorrangig verpachten, statt sie zu verkaufen. Hier besteht der Dissens zur Initiative also „nur“ darin, dass sie noch weiter gehen und das für alle Grundstücksdeals festlegen will.

Größer ist die Kluft bei den Sozialwohnungen. Hier verfolgt der Senat seit 2011 den „Dittelmix“, wonach bei Neubauprojekten in der Regel ein Drittel Sozialwohnungen entstehen müssen – ganz erreicht wurde das jedoch nicht. Von 56.000 fertiggestellten Wohnungen seit 2011 waren nur gut ein Viertel öffentlich gefördert. Die SPD unter Bürgermeister Peter Tschentscher hat daher das neue Ziel ausgegeben, künftig mindestens 4000 geförderte Wohnungen pro Jahr fertigzustellen – das ist aber immer noch weit entfernt von der Forderung der Initiative, wonach auf städtischen Grundstücken nur noch Sozialwohnungen entstehen dürfen .

Stadtentwicklungssenatorin: "Sind auf richtigem Weg"

„Ich kann sehr gut verstehen, dass viele Menschen die Frage beschäftigt, ob sie sich auch in Zukunft ihre Wohnung noch leisten können. Deswegen verstehe ich, dass es Initiativen gibt, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), betonte aber auch: „Hamburg gilt bundesweit als positives Beispiel für eine aktive Wohnungsbaupolitik im Interesse der Mieterinnen und Mieter. Wir haben hier seit 2011 eine sehr erfolgreiche Wohnungspolitik mit unserem kooperativen Ansatz gemacht. Unsere selbstgesteckten Ziele im Bündnis für das Wohnen für Hamburg und gemeinsam auch mit den Bezirken haben wir erreicht: jedes Jahr Baugenehmigungen für 10.000 Wohnungen davon ein Drittel öffentlich gefördert.“

Dass man auf dem richtigen Weg ist, lasse sich auch am Mietenspiegel 2019 ablesen: „ Dieser hat ergeben, dass der Anstieg der Mieten in zwei Jahren mit 2,6 Prozent unter dem Anstieg der Lebenshaltungskosten im gleichen Zeitraum von 3,3 liegt. Dies ist ein großer Erfolg unserer konsequenten Wohnungsbaupolitik seit 2011.“

Kritik an Initiative von Anbietern günstiger Wohnungen

Scharfe Kritik weht der Initiative ausgerechnet von den im Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) zusammengeschlossenen Genossenschaften und Gesellschaften entgegen, die günstige Wohnungen in Hamburg anbieten. „Die beiden Volksinitiativen legen die Axt an den Bau bezahlbarer Wohnungen in Hamburg“, sagte VNW-Chef Andreas Breitner. „Sie bedrohen im Kern das erfolgreiche Hamburger Wohnungsbauprogramm und bergen die Gefahr, dass künftig weniger bezahlbare Wohnungen errichtet werden und Menschen länger als bisher auf eine Wohnung warten müssen.“

Die im VNW organisierten Genossenschaften und Wohnungsgesellschaften schulterten einen großen Teil des Neubaus bezahlbarer Wohnungen in Hamburg, so Breitner. „Sie wollen kaufen und nicht pachten. Der Grund dafür ist einfach: Wer ein Grundstück lediglich im Rahmen des Erbbaurechts nutzen kann, benötigt doppelt so viel Eigenkapital für die Finanzierung seiner Neubauprojekte. Banken und Sparkassen beleihen zwar auch Erbbaurechtsverträge, sehen aber darin höhere Risiken und vergeben gegenüber dem Kauf Kredite zu schlechteren Konditionen. Wer pachtet, ist nicht Eigentümer des Grundstücks. Zudem trägt er das Risiko des sogenannten Heimfalls von Grundstück und Gebäude, wenn der Erbbaurechtsvertrag ausläuft.“

„Diesem Druck darf der Senat nicht nachgeben"

Auch die FDP übte Kritik: „Die Volksinitiativen spielen mit überzeichneten Ängsten“, sagte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Jens P. Meyer. „Diesem Druck darf der Senat nicht nachgeben. Hamburgs Wohnungsmarkt ist schon überreguliert. Ein Verkaufsverbot für städtische Immobilien, die Pflicht zur Vergabe im Erbbaurecht und die Forderung, dass Neubaumieten auf städtischen Grundstücken dem Niveau von Sozialwohnungen entsprechen müssen, würden den dringend benötigten Wohnungsbau in unserer Stadt abwürgen.“ Auch die geforderte dauerhafte Deckelung der Mietpreise auf Höhe der Inflationsrate und bis maximal zwei Prozent sei „irrsinnig“, so Meyer. „Städtischer Wohnungsbau und -instandhaltung ließen sich damit nicht finanzieren.“