Hamburg. Senat: Jährlich 17,5 Millionen Euro mehr für Naturschutz. Zehn “Ranger“ sollen neu eingestellt werden. Das gefällt nicht allen.

Der rot-grüne Senat in Hamburg macht Ernst mit dem Schutz von Grünflächen: Sieben Monate nach der Verständigung der Bürgerschaft mit der Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ hat die Landesregierung eine Bestandsgarantie für das städtische Grün beschlossen. „Der Senat hat sich heute verpflichtet, dass Parks und öffentliche Grünanlagen nicht bebaut werden sollen – er garantiert jedenfalls in der Summe den heutigen Bestand“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) im Anschluss an die Senatssitzung.

Zwar seien Ausnahmen möglich, aber dafür sollen „relativ strikte Regelungen“ gelten. Innerhalb des zweiten grünen Rings, der acht bis zehn Kilometer vom Rathaus entfernt liegt und den dicht besiedelten Teil der Stadt umfasst, muss jeder Eingriff in die Natur in gleichem Umfang ersetzt werden. „Wenn dort eine Grünfläche bebaut werden soll, dann muss innerhalb des zweiten grünen Rings eine andere Fläche im Verhältnis 1:1 als Grünfläche wiederhergestellt werden“, sagte Kerstan.

35 Naturschutzgebiete in Hamburg

„Das ist angesichts des starken Zuzugs und des Baubooms eine wichtige Zusage des Senats. Eine derart weitreichende Zusicherung gibt es sonst nirgendwo in der Republik“, sagte der Umweltsenator.

In Hamburg sind derzeit 35 Naturschutzgebiete ausgewiesen, die 9,34 Prozent der Fläche des Stadtstaats ausmachen. „Der Anteil liegt schon jetzt höher als in jedem anderen Bundesland“, sagte der Grünen-Politiker. Mit der Volksinitiative sei vereinbart worden, den Anteil auf zehn Prozent zu steigern. „Es werden also noch weitere Naturschutzgebiete im Lauf der kommenden Jahre hinzukommen müssen, aber wir haben die Zielmarke fast erreicht“, sagte Kerstan.

"Wegelücken" im grünen Hamburg

Die Landschaftsschutzgebiete machen 18,9 Prozent der Landesfläche aus. Als Biotopverbundfläche sind 23,2 Prozent ausgewiesen. Kerstan wies darauf hin, dass es zwischen Landschaftsschutzgebieten und Biotopverbundflächen Überschneidungen gebe. Der gesamte Anteil der Grünflächen am Stadtgebiet addiert sich laut Umweltsenator auf rund 40 Prozent. „Die Volksinitiative hatte einen Anteil von 30 Prozent gefordert, den wir deutlich übertreffen“, sagte Kerstan. Rechnet man die Acker- und Feldflächen hinzu, dann ist sogar mehr als Hälfte der Landesfläche „grün“.

Zweiter wichtiger Punkt der Vereinbarung zwischen Senat, Bürgerschaft und der Volksinitiative ist neben der Bestandsgarantie für Grünflächen deren ökologische Verbesserung. Dazu soll vor allem das grüne Netz innerhalb des zweiten grünen Rings, das auch die Landschaftsachsen und Parkanlagen umfasst, aufgewertet werden.

Derzeit gibt es 111 sogenannte „Wegelücken“ auf einer Länge von 80 Kilometern, von denen 47 Strecken mit einer Länge von 15,5 Kilometern vorrangig geschlossen werden sollen. Innerhalb von ausgewiesenen Grünflächen sollen darüber hinaus zum Beispiel Parkplätze entsiegelt oder Zugänge zu Flussläufen (etwa an der Bille) geschaffen werden.

Für eine derartige Aufwertung hat die Umweltbehörde bereits 170 Hektar als geeignete Flächen identifiziert. Die Aufbereitung von 33 Flächen hat bereits begonnen.

Zehn "Ranger" werden neu eingestellt

„Wir können viel beschließen, aber letztlich ist entscheidend, dass diese Maßnahmen auch im Haushalt finanziert sind und somit konkret umgesetzt werden“, sagte Kerstan. Im nächsten Jahr will der rot-grüne Senat zehn Millionen Euro zusätzlich in Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung des Grüns investieren, von 2021 an sollen es dann jährlich 17,5 Millionen Euro sein. Damit werden vor allem 53 zusätzliche Stellen im Bereich Naturschutz geschaffen.

Zehn zusätzliche Ranger will Rot-Grün in den Naturschutzgebieten einstellen. Jeder der sieben Bezirke soll zwei zusätzliche Stellen für sein Naturschutzamt erhalten. „Eine so umfassende Verstärkung für den Naturschutz hat es in den vergangenen Jahrzehnten in der Umweltbehörde nicht gegeben“, sagte Kerstan. Um den Stellenwert des Themas zu betonen, soll es außerdem künftig einen Grünkoordinator geben. Diesen Posten wird Umwelt-Staatsrat Michael Pollmann übernehmen.

CDU-Kritik: Kerstan "politisch untätig"

Die Vereinbarung mit der Initiative „Hamburgs Grün erhalten“ sieht auch vor, dass der Senat mit den Bezirken einen „Vertrag über Hamburgs Stadtgrün“ abschließt. Laut Kerstan ist das allerdings bislang nicht geschehen. Das jetzt vom Senat beschlossene Maßnahmenpaket sei aber mit den Bezirken „abgestimmt“ worden.

Der CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm warf Kerstan vor, „die eigene politische Untätigkeit als positive Botschaft im Bürgerschaftswahlkampf zu verkaufen“. Sieben Monate nach der Einigung mit der Volksinitiative lägen die zwingend erforderlichen Verträge mit den Bezirken und städtischen Unternehmen noch nicht einmal im Entwurf vor. „Das ist an plumper Dreistigkeit kaum zu überbieten“, sagte Gamm.

"Bäumchen verwurzelt sich"

„Umweltsenator Kerstan serviert alten Wein in neuen Schläuchen und gönnt sich dazu einen kräftigen Schluck aus der Pulle“, sagte FDP-Umweltexperte Kurt Duwe. Der Senator müsse dringend erklären, warum er 53 zusätzliche Stellen benötige.

Von einer „für alle wachsenden Metropolen beispielgebenden Einigung“ sprach dagegen SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Dirk Kienscherf. „Wir geben Natur niemals auf und sichern ihre Qualität, damit die Lebensqualität der Stadt weiter wächst. Gleichzeitig behalten wir wichtige Infrastrukturprojekte und den Wohnungsbau im Blick“, so der SPD-Politiker.

„Unser Bäumchen verwurzelt sich langsam in den Köpfen der Politiker“, sagte Alexander Porschke, Vorsitzender des Nabu Hamburg, der die Volksinitiative gestartet hatte. Der Senatsbeschluss zeige, dass es viele konkrete Maßnahmen geben werde, „mit denen Grünschutz besser möglich ist als bisher“. Allerdings bleibe der Senat bei den Regeln zum Schutz von Flächen innerhalb des zweiten grünen Rings „noch recht vage“.