Hamburg. SPD-Fraktion will Straßenabschnitte vor Schulen, Kitas und Kliniken neu prüfen lassen. Innensenator unterstützt Vorstoß.

Die SPD will in ihrer Verkehrspolitik offenbar ein Stück weit umsteuern. Während das bisher vor allem ein Anliegen der Grünen gewesen ist, setzen sich jetzt auch die Genossen für deutlich mehr Tempo 30 in Hamburg ein. „Wir brauchen eine neue Initiative zur Einrichtung von Tempo 30-Strecken vor sozialen Einrichtungen und Tempo-30-Zonen“, heißt es in einem Positionspapier von SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, das dem Abendblatt vorliegt. Dabei will Kienscherf zunächst die Einschränkungen aufheben, die bisher die Einrichtung von Tempo-30-Strecken vor besonders schützenswerten Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Pflegeheimen verhindern.

Hintergrund ist eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor rund drei Jahren, nach der die Geschwindigkeit vor Kitas, Schulen, Kliniken sowie Senioren- und Pflegeheimen „in der Regel auf Tempo 30 zu beschränken“ ist.

In Hamburg wurden zwar seit der Änderung der StVO viele neue Tempo-30-Strecken eingerichtet. Allerdings wird von einer solchen Senkung des Tempolimits von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde immer dann abgesehen, wenn vor Schule, Kita, Pflegeheim oder Klinik mehr als sechs Busse pro Richtung in der Hauptverkehrszeit verkehren.

Tempo 30: 200 Straßenabschnitte vor der Prüfung

So steht es in einer Hamburger Verwaltungsvorschrift. Damit wollte der Senat vermeiden, dass es zu Beeinträchtigungen des Busverkehrs kommt. Wenn es nach dem SPD-Fraktionschef geht, soll diese Regelung aber nun abgeschafft werden – so dass vor deutlich mehr Einrichtungen Tempo 30 eingeführt werden kann. Das sieht auch der zuständige SPD-Innensenator Andy Grote so. Geprüft werden sollen deswegen nun 200 mögliche neue Tempo-30-Strecken.

„Busverkehr und Tempo 30 dürfen sich nicht ausschließen, sondern können und müssen miteinander verknüpft werden“, sagte Kienscherf dem Abendblatt. „Im Rahmen meiner Sommertour und auf vielen Veranstaltungen in der Stadt habe ich mit sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch mit unseren Bezirksfraktionen und Fachbehörden das Thema beraten. Überall spüre ich einen großen Willen das Thema neu zu denken. Wir brauchen eine umfassende Bestandsaufnahme aller fraglichen Tempo-30-Strecken, die aufgrund des Busverkehrs bisher noch nicht umgesetzt werden konnten.“

Auch Tempo-30-Zonen sollen ausgeweitet werden

Es könne „nicht im Sinne der Verkehrssicherheit sein, dass Tempo 30 daran scheitert, dass sechsmal in der Stunde Busverkehr durch eine Straße geführt wird, die Busse aufgrund baulicher Gegebenheiten aber sowieso mit 30 Kilometern pro Stunde unterwegs sind“, so Kienscherf. Es müsse „von Einzelfall zu Einzelfall entschieden werden“, ob eine Tempo 30-Strecke sinnvoll ist.

Zugleich will Kienscherf aber auch „eine Ausweitung von Tempo-30-Zonen prüfen“. Anders als bei den Tempo-30-Strecken handelt es sich bei den Zonen meist um zusammenhängende Wohngebieten, in denen durchweg Rechts-vor-links gilt und es meist neben dem Tempolimit auch bauliche Veränderungen gibt. Man habe beim Ausbau von Tempo-30-Strecken und -Zonen „bereits viel erreicht“, so der SPD-Fraktionschef. „Aber wir können noch flexibler werden.“

Man müsse zukünftig „noch stärker die berechtigten Wünsche von Bürgerinnen und Bürger vor Ort aufgreifen, dabei aber gleichzeitig die veränderten Mobilitätswünsche und -erfordernisse im Blick haben“, heißt es in dem Kienscherf-Papier.

Innensenator Grote unterstützt Fraktions-Vorstoß

Auch der politisch verantwortliche Innensenator Andy Grote (SPD) unterstützt die Forderung aus der Fraktion. „Wir wollen Tempo 30 vor Kitas, Schulen und anderen besonders schützenswerten Einrichtungen ausweiten“, sagte Grote dem Abendblatt.

„Unsere bisherige Hamburger Verwaltungsvorschrift, dass Tempo 30 bei einer Frequenz von sechs Bussen oder mehr pro Stunde in der Hauptverkehrszeit nicht angeordnet werden kann, hat sich als etwas zu schematisch erwiesen. Wir wollen da flexibler werden und künftig im Einzelfall prüfen, ob Tempo 30 zu einer relevanten Beeinträchtigung des Busverkehrs führen würde.“

Grote: "Verkehr auf den großen Straßen bündeln"

Deswegen sehe man sich derzeit gemeinsam mit Verkehrsbehörde und Hochbahn „weitere rund 200 Einrichtungen an, vor denen es stärkeren Busverkehr gibt – mit dem Ziel, auch dort mehr Tempo 30 anzuordnen“.

Dabei plädiert der SPD-Innensenator auch insgesamt für mehr Geschwindigkeitsreduzierungen in Hamburg. „Grundsätzlich werden wir Tempo 30 in der Stadt insgesamt ausweiten“, so Grote. „Das geht aber nur, wenn wir die Hauptverkehrsstraßen funktionsfähig halten und dort auch 50 gefahren werden kann. Nur wenn wir den Verkehr auf den großen Straßen bündeln, können wir an anderer Stelle Frequenz und Tempo herausnehmen.“