Hamburg. Mit der Unterzeichnung des Vertrags ist der Volksentscheid von 2013 vollständig umgesetzt. Vattenfall erwägt Moorburg-Verkauf.
Es ist ein großer Tag für den grünen Umweltsenator Jens Kerstan und die Initiatoren des Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze: Fast genau sechs Jahre nach der knappen Entscheidung vom September 2013 für den Rückkauf ist nach Strom und Gas jetzt mit der Fernwärme auch das dritte und letzte große Netz von der Stadt zurückgekauft worden.
Nachdem die Europäische Kommission im April dieses Jahres die „beihilferechtliche Unbedenklichkeit“ des Rückkaufs bescheinigt hatte, musste dafür zunächst noch eine Einspruchsfrist abgewartet werden, die jetzt endete. Binnen dieser Frist hätten etwa andere Energieunternehmen der Entscheidung widersprechen können – mit dem Hinweis, dass der hohe, bereits 2014 vereinbarte Mindestpreis von 950 Millionen Euro für das gesamte Netz eine unerlaubte Subvention für Vattenfall darstelle. Da niemand Einspruch erhoben hat, konnte der Rückkauf jetzt endgültig besiegelt werden.
Fernwärmenetz firmiert unter dem Namen Wärme Hamburg GmbH
Am 2. September haben die Vattenfall GmbH und die HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) nun den notariellen Kaufvertrag über die restlichen 74,9 Prozent der Anteile an der Vattenfall Fernwärme GmbH unterzeichnet und den Fernwärmekauf vollzogen. Dafür zahlt die Stadt 625 Millionen Euro, die sie über Kredite finanziert. 25,1 Prozent der Gesellschaft hatte Hamburg bereits vor dem Volksentscheid gekauft.
Die neue städtische Gesellschaft wird laut Senat zukünftig unter dem neuen Namen „Wärme Hamburg GmbH“ (WHH) firmieren. Alle drei Netzgesellschaften sind damit jetzt im städtischen Eigentum und in den Konzernverbund der HGV integriert. Mit dem Erwerb der Fernwärmegesellschaft wechseln laut Senat rund 610 Beschäftige in den HGV-Konzern. Für die Beschäftigten gelten laut Senat alle bisherigen tarifvertraglichen und arbeitsrechtlichen Regelungen weiter wie bisher.
Kerstan: Nun kann Hamburg "Jahrhundertaufgabe" angehen
„Das ist eine wichtige Entscheidung für Hamburg und ein besonderer Tag für mich“, sagte Umweltsenator Kerstan am Dienstagmittag im Rathaus. Der „Irrweg“ der Privatisierung der Energienetze sei zum großen Teil rückgängig gemacht worden. Die Stadt habe nun „Handlungsfähigkeit in einer wichtigen Phase gewonnen“, so Kerstan.
Im Besitz der Netze könne Hamburg nun auch die „Jahrhundertaufgabe“ angehen, seinen Teil dazu beizutragen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen – auch und vor allem durch den Kohleausstieg bei der Produktion der Fernwärme. Dabei werde den Fernwärmekunden garantiert, dass ihre Preise nicht stärker als bei anderen Energieformen stiegen.
Konzept für marodes Kohlekraftwerk Wedel kommt bald
Mit dem Rückkauf gehört nun auch das alte und marode Kohlekraftwerk Wedel der Stadt, das bisher die Fernwärme erzeugt. Das exakte Konzept zu dessen Ablösung und zur kohlefreien Fernwärmeerzeugung will Kerstan in den kommenden Wochen vorstellen.
Auch SPD-Finanzsenator Andres Dressel sprach von einem „besonderen Tag“. Der Senat habe „gemeinsam Wort gehalten“. Die SPD war zwar gegen den Volksentscheid gewesen, hatte sich dem Sieg der Initiative aber sofort hinter diese Entscheidung des Volkes gestellt und versprochen, diese umzusetzen.
Vattenfall überlegt Verkauf des Kohlekraftwerks Moorburg
Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka sagte, er habe „gemischte Gefühle“, da Vattenfall den Umbau gerne zusammen mit der Stadt umgesetzt hätte. Gleichwohl bleibe Vattenfall in Hamburg engagiert und baue in der HafenCity bis 2023 ein neues Büro für seine 1700 Mitarbeiter in der Stadt.
Hatakka betonte, dass Vattenfall langfristig aus der Verbrennung fossiler Energieträger aussteigen wolle. Man habe bei den Verhandlungen über eine mögliche Einbeziehung des Kohlekraftwerks Moorburg in die Fernwärme auch über dessen Umrüstung auf andere Brennstoffe nachgedacht. Dies sei aber nun nicht mehr aktuell. Hatakka räumte ein, dass es derzeit auch Überlegungen gebe, das Kohlekraftwerk Moorburg zu verkaufen und man dies "ergebnisoffen" prüfe. Weitere Details dazu wollte er aber nicht nennen.
In einer ersten Version dieses Textes hieß es unter Bezug auf die Antwort des Deutschland-Chefs auf eine Frage in der Pressekonferenz, dass Vattenfall bereits über den Verkauf des Kraftwerks verhandle. Vattenfall allerdings betont nun, dass der Verkauf zwar grundsätzlich "ergebnisoffen" geprüft werde, es aber noch keine konkreten Verhandlungen gebe.