Hamburg. Dank der Kooperation mit den Rheinländern könnte endlich ein neues Naturkundemuseum gebaut werden – Fusion wird vorbereitet.

Es ist vielleicht die letzte Chance für Hamburgs Naturforscher, dem renommierten Club anzugehören. In der Leibniz-Gemeinschaft, einem Zusammenschluss deutscher Forschungsinstitute, schwinde die Bereitschaft zur Aufnahme neuer Mitglieder, heißt es. Nur bereits laufende Anträge könnten noch Erfolg haben.

Im Rennen ist das Team um Matthias Glaubrecht vom Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg. Dem Biologieprofessor stehen wichtige Termine bevor: Im April bekommt er Besuch von Gutachtern des Leibniz-Senats, im Juni schickt der Wissenschaftsrat eine Abordnung in die Hansestadt. Im Herbst 2020 entscheidet die Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK).

Schon Loki Schmidt kämpfte für die Museumspläne

Liefern die Hamburger jetzt eine überzeugende Vorstellung ab, dürfen sie auf Geld, Stellen und mehr Rückhalt für ein Vorhaben hoffen, das schon Loki Schmidt vorangetrieben hatte, allerdings vergeblich: den Aufbau eines neues Naturkundemuseums.

Unterstützung für Hamburgs Anliegen kommt nicht aus Berlin, wo es schon ein äußerst populäres Ausstellungshaus samt Forschungsabteilung gibt, wie es die Hamburger gerne hätten – sondern aus der früheren Hauptstadt Bonn. Dort sitzt das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig, das bereits zu Leibniz gehört.

Es ist allerdings das kleinste Forschungsmuseum unter den Mitgliedern. „Uns tut es gut, mehr in die Waagschale zu werfen“, sagt dessen Direktor, Prof. Wolfgang Wägele, der in dieser Woche seinen Kollegen Glaubrecht in Hamburg besucht hat. „Die Hamburger haben fantastische Sammlungen“, sagt Wägele. „Durch eine Kooperation könnten wir an neuen Forschungsprojekten teilnehmen.“

Michael Otto wirbt für das Projekt

Damit dies gelingt, hatte Nordrhein-Westfalen als Sitzland des Museums Koenig­ zusammen mit Hamburg einen Antrag auf eine strategische Erweiterung des Museums erarbeitet und bei der Leibniz-Gemeinschaft eingereicht. Der Antrag sieht vor, dass das CeNak zum Partner wird.

Nun bereiten beide Seiten die Fusion zu einem „Leibniz-Institut für die Analyse des Biodiversitätswandels“ vor. Dessen Mitarbeiter sollen erforschen, wie sich die Vielfalt des Lebens durch die Evolution und durch den Einfluss des Menschen verändert.

Der Leibniz-Antrag brachte zuletzt sogar Stifter Michael Otto dazu, demonstrativ gemeinsam mit Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und Unipräsident Dieter Lenzen vor die Presse zu treten, um für das Projekt zu werben. Er sei sehr froh, dass die Hansestadt endlich eine „seit Jahrzehnten bestehende Lücke in der Hamburger Museumslandschaft“ schließen wolle, sagte Otto.

Knackpunkt Betriebskosten

Wer ein neues Gebäude für ein solches Forschungsmuseum bezahlen könnte, ist zwar weiterhin unklar. Otto hat allerdings schon länger Sympathie für das Vorhaben. Bereits vor fünf Jahren hatte der Mäzen eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Dann jedoch stockte das Vorhaben – wieder einmal.

Als größerer Knackpunkt gilt ohnehin die Frage, wer für die Betriebskosten aufkommen würde. Abhilfe schaffen könnte eine Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft. Denn bei einem Erfolg würde der Bund einen erheblichen Teil der Betriebskosten für ein neues Forschungsmuseum in Hamburg übernehmen. Unter dessen Dach ließen sich die in Hamburg bisher an drei Standorten verteilten Sammlungen der Zoologie, Geologie und Mineralogie wieder zusammenführen.

Einst besaß Hamburg ein Naturkundemuseum. Es befand sich am Steintorwall nahe dem Hauptbahnhof. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört. Heute steht an seiner Stelle ein Elektrogroßmarkt.

Beeindruckende Schneckensammlung

Ausgerechnet jetzt, wo es wieder vorangeht, soll es allerdings rumoren in der Zusammenarbeit zwischen Bonn und Hamburg. Die Bonner, so ein Gerücht, hätten gern Teile der Sammlungen zur Meeresbiologie – auf diesen „Schatz“ sind die Hamburger besonders stolz. Die beiden Direktoren bestreiten das mit Nachdruck: „Das ist Unsinn“, sagt Wolfgang Wägele. „Wir haben gar keinen Platz dafür in Bonn. Vielmehr würden wir gerne etwas an Hamburg abgeben.“ Die Bonner Schneckensammlungen etwa seien schlecht untergebracht. CeNak-Chef Matthias Glaubrecht sagt: „Dass Hamburg etwas abgeben muss, ist nicht vereinbart worden. Wir werden vielmehr wachsen.“

Nach Ansicht der beiden Professoren ergänzen sich ihre Sammlungen ideal. Die Bonner sind spezialisiert auf Wirbeltiere und Insekten. Die Hamburger verfügen über Deutschlands größte Fischsammlung. Das sei eine "Win-win-Situation“.

Wägele sagt, die Hamburger Sammlungen seien „unglücklicherweise schlecht betreut“. Das sieht auch Glaubrecht so. Um die Fischsammlung kümmern sich bisher nur ein Kurator und eine technische Assistentin. Bald soll ein zweiter Assistent hinzukommen. Für die Vogelkunde gibt es bisher gar keinen Kurator – das soll sich ändern. Nur ein Kurator betreut die Insektensammlung – bald sollen zwei Stellen hinzukommen.

Wägele stellt sich vor, dass am Hamburger Standort eines neuen Leibniz-Instituts zusätzliche Professuren geschaffen werden, von denen auch die Bonner profitieren. „Wir wissen, was wir gerne machen würden – uns fehlt aber die Arbeitskraft dafür“, sagt Wägele. Gemeinsam mit Hamburg lasse sich die Forschung ausbauen.

Neue Ausstellungen für beide Standorte geplant

Gut gebrauchen könnten die Bonner nicht nur eine Expertise zu Meerestieren, sondern auch zur Vegetation. Wägele verweist hier auf das Herbarium der Universität Hamburg mit seiner umfangreichen wissenschaftlichen Pflanzensammlung. Attraktiv an Hamburg seien zudem die brillanten Strahlungsquellen am Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld. „Wir arbeiten für unsere Untersuchungen zwar schon mit solcher Strahlung, haben aber nur kleine Laborgeräte“, sagt Wägele.

Er wünscht sich zudem gemeinsame Sonderausstellungen zur Evolution, die wechselweise in Bonn und Hamburg zu sehen sein sollen.

Sitzland eines gemeinsamen Leibniz-Instituts wäre Nordrhein-Westfalen. Wer was zu entscheiden hat, wollen Glaubrecht, Wägele und ihre Teams nun in einer gemeinsamen Geschäftsordnung fixieren.